ASSET MANAGEMENT - GASTBEITRAG

AIFM-Richtlinie fordert Umdenken in der Lagerstellenstrategie von Depotbanken

Börsen-Zeitung, 9.4.2013 Depotbanken müssen sich mit neuen Haftungsregelungen auseinandersetzen. Grund dafür ist die am 19. Dezember 2012 von der EU-Kommission erlassene Durchführungsverordnung zur AIFM-Richtlinie (Level-2-Maßnahmen). Damit wird ein...

AIFM-Richtlinie fordert Umdenken in der Lagerstellenstrategie von Depotbanken

Depotbanken müssen sich mit neuen Haftungsregelungen auseinandersetzen. Grund dafür ist die am 19. Dezember 2012 von der EU-Kommission erlassene Durchführungsverordnung zur AIFM-Richtlinie (Level-2-Maßnahmen). Damit wird ein mehrjähriger Regulierungsprozess zu einem faktischen Ende gebracht.In Deutschland, wo die AIFM-Richtlinie über das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) in das nationale Recht überführt wird, evaluieren Depotbanken (die künftigen Verwahrstellen) bereits fieberhaft die Auswirkungen auf ihr Geschäfts- und Betriebsmodell. Bis zuletzt hatte sich die Branche Hoffnungen gemacht, die für sie kritischen Regelungen zur Haftung beim Abhandenkommen von verwahrten Finanzinstrumenten abmildern zu können. Diese Hoffnung hat sich zerschlagen, und die Marktteilnehmer sind jetzt gefordert, die verbleibende Zeit zu nutzen, um sich bestmöglich auf die neue Situation vorzubereiten. Mehr KontrolleHierbei zeichnet sich bereits ein genereller Trend ab: Die Marktteilnehmer sind bestrebt, mehr Kontrolle über ihre Verwahrkette zu erlangen und strategisch näher an die Zentralverwahrer (auf englisch Central Security Depositories bzw. CSDs) heranzurücken, um die Ausfallrisiken von Zwischen- und Unterverwahrern zu minimieren. Zentrale Herausforderung ist dabei die geografische Diversifikation der Investitionen: Der globale Kapitalmarkt umfasst effektiv rund 110 Länder mit funktionierenden Börsenplätzen bzw. Lagerstellen, die alle in die Haftung miteinzubeziehen sind.Das entscheidende Risiko, das aus Sicht der Verwahrstellen minimiert werden muss, ist ihre durch die AIFM-Richtlinie geregelte Haftung für das Abhandenkommen verwahrfähiger Vermögensgegenstände. Für diese bislang der Autorität der einzelnen Mitgliedstaaten unterliegende Fragestellung wird nun ein europaweit einheitlicher Rahmen geschaffen. Dieser normiert im Grundsatz eine verschuldensunabhängige Haftung der Verwahrstelle, die jedoch in einem zweiten Schritt durch verschiedene Möglichkeiten zur Exkulpation relativiert wird. SchadenersatzanspruchVergeblich sucht man den aus dem deutschen Zivilrecht bekannten Grundsatz, dass die Verpflichtung zum Schadenersatz die Verletzung einer bestehenden Sorgfaltspflicht voraussetzt. Dies und die Aussage des KAGB-Entwurfs, dass “weitergehende Ansprüche, die sich aus den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ergeben” unberührt bleiben, deuten darauf hin, dass hier ein eigenständiger und neuer Schadenersatzanspruch normiert wird. Jedoch schweigt sich der Gesetzentwurf sowohl darüber aus, welcher Rechtsweg (Zivilgerichtsbarkeit, BaFin oder Schlichtungsstelle) zur Durchsetzung der Ansprüche zu bestreiten ist, als auch darüber, welche Verjährungsfristen dafür gelten.Vor Erarbeitung einer strategischen Antwort ist es für die Marktteilnehmer sinnvoll, das nun konkretisierte Haftungsrisiko einzugrenzen und kalkulierbarer zu machen. Die dafür sinnvollen Handlungsmöglichkeiten reichen von der Begrenzung des als verwahrfähig einzustufenden Bestandes (z. B. durch Registrierung von Zielfondsanteilen bei Transfer Agents anstatt des Kaufs verwahrfähiger Globalurkunden) über die Sicherstellung der Wirksamkeit der eingeräumten Exkulpationsmöglichkeiten bis hin zur Aufstellung von historischen Schadensfall-Datenbanken. Einspruch möglichZudem sehen wir rechtliche Einspruchsmöglichkeiten zur Vermeidung einer wirksamen Feststellung des Abhandenkommens: Die AIFM-Richtlinie sieht zwar eine Pflicht zur unverzüglichen Rückgabe eines Finanzinstruments gleicher Art im Falle des Abhandenkommens vor, die Level-2-Verordnung schränkt dies jedoch auf den Fall ein, dass Eigentums- oder Verfügungsrechte nachweislich bzw. endgültig eingebüßt wurden. Von der Auslegung dieses Widerspruchs hängt jedoch ab, ob etwa erst am Ende eines mehrjährigen Insolvenzverfahrens eines Unterverwahrers ein Erstattungsanspruch gegenüber der Verwahrstelle entsteht. Dies kann für die Modellierung der Restrisiken einen großen Unterschied darstellen. InternalisierungVor dem Hintergrund dieser Rechtsunsicherheit geht die Grundtendenz bei großen Marktteilnehmern eindeutig in Richtung Internalisierung von Unterverwahraufgaben. Das ändert zwar nicht grundsätzlich die Haftung der Verwahrstelle für die nun (konzerneigene) Lagerstelle, es verringert jedoch signifikant das Principal-Agent-Problem der asymmetrischen Information: Wenn im laufenden Geschäftsbetrieb beispielsweise ein operatives Versagen die Herausgabe eines Finanzinstruments behindert, könnte eine konzerninterne Durchgriffsmöglichkeit zügiger zur Aufklärung führen als die gerichtliche Einklagung gegenüber Dritten. Sofern ein Insolvenzfall die Herausgabe behindert, ist eine konzerneigene Lagerstelle – rein aus Sicht der Verwahrstelle, nicht aus Anlegerperspektive – ebenfalls vorteilhaft, da sich dann die Konzernmutter der Verwahrstelle vermutlich selbst in Insolvenz befindet und sich somit gewissermaßen der Haftung entledigt. Strategisches HeranrückenNeben der Gründung eigener Lagerstellen werden derzeit weitere Varianten der Internalisierung von Unterverwahraufgaben am Markt umgesetzt: Dies reicht von sogenannten Account-Operator-Modellen bis zur Gründung eines eigenen CSDs. Dieser Trend zu einem näheren strategischen Heranrücken an die CSDs wird auch durch die neue CSD-Regulierung unterstützt, aufgrund deren CSDs zukünftig ihre risikobehafteten Geschäftsfelder abtrennen und sich auf die risikofreien Aufgaben eines reinen Marktinfrastrukturanbieters fokussieren müssen.Für kleinere Verwahrstellen verbleiben noch eine ganze Reihe taktischer Maßnahmen zur Risikominimierung: Dies reicht von der weitergehenden Segregation der Bestände in der Verwahrkette über die Ernennung von Back-up-Lagerstellen und verstärkte laufende Überwachung bis hin zur Fokussierung des Geschäfts auf nicht verwahrfähige Vermögensgegenstände wie etwa Immobilienfonds. Die bisher bereits notwendige Einholung von sogenannten Drei-Punkte-Erklärungen und Rechtsgutachten hat einige dieser Verwahrstellen jedoch schon vor so immense Herausforderungen gestellt, dass teilweise fraglich erscheint, wie die gestiegenen Pflichten mit kleineren Volumen noch wirtschaftlich darstellbar sind. Beschleunigte BereinigungDie Haftungsanforderungen der AIFM-Richtlinie allein werden noch kein ausreichender Treiber für den kompletten Marktaustritt vieler Institute sein. Wenn allerdings die nächste Novelle der OGAW-Richtlinie so umgesetzt wird, wie es der augenblickliche Diskussionsstand vermuten lässt, steht eine weitere Verschärfung der Haftungsregeln bereits bevor, was zu einer deutlichen Beschleunigung der Marktbereinigung führen könnte.