Aktien sollten 2010 die Assetklasse mit der höchsten Rendite sein
– Herr Urwin, wie lautet Ihre makroökonomische Perspektive für das neue Jahr?Wir glauben nicht an die Theorie des Double Dip, nach der wir bald in eine erneute Rezession rutschen. Die Weltwirtschaft hat sich ganz klar erholt – es ist aber eine fragile Erholung, weil sie sehr von den Wachstumsprogrammen der Regierungen abhängt. Allerdings glauben wir, dass die Stimuli auch im laufenden Jahr aufrechterhalten werden. Darüber hinaus sehen wir deutliche Anzeichen eines Rebound im privaten Sektor – die Konsumenten geben wieder mehr Geld aus und die Unternehmen auch. Daher gehen wir davon aus, dass die Erholung weitergeht.- Wo sehen Sie die größeren Chancen: in den Industrie- oder den Schwellenländern?In den Industriestaaten wird die Erholung langsam weitergehen, wir erwarten Verbesserung, aber zum Beispiel keinen baldigen Rückgang der Arbeitslosigkeit. In den Schwellenländern erwarten wir ein vergleichsweise stärkeres Wachstum, sie werden nach unseren Prognosen im laufenden Jahr stärker wachsen als die Industriestaaten.- Was werden aus Investorensicht denn die zentralen Themen des Jahres sein?In den vergangenen Jahren gab es nur ein zentrales Thema, das war das Wachstum. In den abgelaufenen zwei Jahren hat sich das verschoben, hin zur Rezession und zu der Frage, wie wir aus der Rezession wieder herauskommen. Die Themen waren aber weiterhin sehr makro-orientiert. Im laufenden Jahr werden die politischen Stimuli das bestimmende Thema sein: Wann und wie werden die Leitzinsen wieder angehoben, wann und wie werden die Quantitative-Easing-Programme enden, wann und wie wird die Fiskalpolitik der Staaten wieder strenger? Das werden die Fragen sein, die uns beschäftigen.- Wann erwarten Sie denn von den Zentralbanken eine Anhebung der Leitzinsen und ein Ende des Quantitative Easing?In den großen Volkswirtschaften rechnen wir für das zweite Halbjahr mit den ersten Zinserhöhungen, das gilt für die EZB, die Fed, die Bank of Japan und die Bank of England. In Industriestaaten mit stärkerem Wachstum wie etwa Australien und Norwegen könnten die Zinsen schon im ersten Halbjahr angehoben werden. Das Gleiche gilt auch für zahlreiche Schwellenländer. Hier denke ich unter anderem an Brasilien und Indien. Das Ende des Quantitative Easing hingegen wird flächendeckend bereits im ersten Halbjahr einsetzen. Der komplette Ausstieg inklusive des Verkaufs von Assets durch die Notenbanken wird sich allerdings über eine sehr lange Zeit hinziehen müssen.- Wird die Inflation ein Thema im laufenden Jahr?Wir werden eher zu Jahresbeginn mit Inflation zu tun haben. Wir kommen aus einer Phase der Disinflation, und die steigenden Rohstoffpreise wirken sich nun auf die Inflationsdaten aus. Das sollte aber ein vorübergehendes Phänomen sein, Wichtiger scheint mir die Frage, wie mit der vergleichsweise niedrigen Inflation im weiteren Verlauf des Jahres umgegangen wird. Zum Jahresende werden die Notenbanken die Inflation nach wie vor für zu niedrig erachten.- Heißt das, dass die Rohstoffpreise im Jahresverlauf weiter steigen?Nicht notwendigerweise. Im vergangenen Wirtschaftszyklus hatten wir eine Phase stark steigender Rohstoffpreise, die sich in den Inflationsraten kaum niedergeschlagen hat. Wenn wir über Inflation sprechen, sprechen wir vor allem über Preissteigerungen im Bereich Güter und Dienstleistungen. Da wird es Bereiche mit deutlicheren Preissteigerungen geben und andere mit unterdurchschnittlichen, ein Anstieg der Rohstoffpreise kann also ausgeglichen werden.- Viele Ökonomen warnen schon vor neuen Spekulationsblasen. Teilen Sie diese Skepsis?Ich sehe derzeit keine Spekulationsblasen, auch wenn ein Blick auf die Märkte deren Existenz nahelegt. Aktien haben lange Zeit sehr zugelegt, Credits und Rohstoffe ebenfalls. Aber wenn man vom Ausgangspunkt der Rally im vergangenen März ausgeht, sieht man, dass die Assets damals extrem niedrig bewertet waren und auch jetzt zumindest teilweise noch recht günstig zu haben sind.- Wo sehen Sie die Chancen im Aktienbereich?Grundsätzlich sind die Aktien der Industriestaaten noch recht günstig bewertet, verglichen mit Papieren aus den Schwellenländern, aber auch da sind wir noch weit von einer Spekulationsblase entfernt. Allerdings ist die Gefahr einer Blase meiner Meinung an den Aktienmärkten der Schwellenländer am größten, weil diese Länder stark wachsen, das Gewinnwachstum zulegt und die Zinsen niedrig sind.- Was bedeutet das für Ihre Aktienpositionen in den Schwellenländern?Für 2010 sehe ich die Gefahr in den Schwellenländern noch nicht. Wir müssen uns die Entwicklung im laufenden Jahr genau angucken, aber auch in den Schwellenländern sehe ich für 2010 noch mehr Chancen als Risiken.- Welche Asset-Allokation empfehlen Sie denn derzeit?Bei Staatsanleihen rechnen wir für das laufende Jahr mit einer eher niedrigen Rendite, Unternehmensanleihen dürften nur knapp darüber liegen. Die Assetklasse mit den höchsten Returns dürfte in diesem Jahr die Aktie sein.- Haben Sie da genauere Präferenzen?Wir sind da sehr stark diversifiziert. Allerdings sind die Wachstumstreiber in diesem Jahr weltweit relativ gleich, was dazu führt, dass die Renditeunterschiede an den unterschiedlichen Aktienmärkten nicht überdurchschnittlich groß ausfallen werden. Wie gesagt gefallen uns die Schwellenländer nach wie vor gut, die Aktien sind dort zwar volatiler, aber werden nach unseren Prognosen 2010 auch outperformen.- Welche Sektoren bevorzugen Sie?Seit März 2009 haben vor allem die sehr zyklischen Titel zugelegt, für das laufende Jahr erwarten wir ausgeglichenere Bewegungen zwischen den Sektoren. Wir setzen auf Titel mit Wachstumsaussichten zu einem vernünftigen Preis und glauben, dass es diese quer durch alle Sektoren gibt. Es werden sicherlich nicht die besonders defensiven Titel sein, die am besten abschneiden, aber es wird auch nicht so weitergehen wie 2009.- Wie gut kann man am Aktienmarkt denn 2010 abschneiden?Wir glauben zwar an Kurssteigerungen, aber nicht in dem Maße wie seit den Tiefs vom März 2009. Wenn wir mit Aktien 2010 eine Rendite im niedrigen zweistelligen prozentualen Bereich erwirtschaften, wäre das gut.- Woher rührt Ihre Zurückhaltung bei Bonds?Staatsanleihen dürften in der zweiten Jahreshälfte vor allem unter einem Anstieg der kurzen Zinsen leiden. Außerdem sind die Budgetdefizite nach wie vor eine Bedrohung für diese Assetklasse. Deshalb sehen wir da auf Sicht eines Jahres keine attraktiven Renditen. Im Bereich der Unternehmensanleihen ist es nicht anders, die werden zwar besser abschneiden als Staatsanleihen, aber die Risikoaufschläge sind niedriger, als sie mal waren. Da wir schwache Renditen bei Staatsanleihen erwarten, dürften die Renditen bei Corporates also nicht viel höher sein.- Welche Entwicklung erwarten Sie für den Dollar?Wir glauben nicht, dass der Dollar sich zurzeit in einem Bärenmarkt befindet, er geriet zuletzt eher unter Druck, weil er eine Funding-Währung für Carry Trades geworden ist. Neben allen Diskussionen über weitere Gründe für den Verfall des Dollar erwarte ich, dass vor allem Unterschiede in der Geldpolitik der großen Volkswirtschaften die Währungsentwicklung beeinflussen werden. Wir können aber auch nicht mit Sicherheit sagen, welche Zentralbank die Zinsen als Erste anhebt, deshalb betrachten wir den Devisenmarkt eher unter dem Aspekt kurzfristiger und taktischer Engagements und weniger in Erwartung nachhaltiger Trends.- Welche Präferenzen sehen Sie bei den Blackrock-Kunden derzeit?Die meisten Investoren sind nach wie vor eher risikoscheu. Daraus resultiert, dass sie sich für Strategien mit Kapitalerhalt interessieren. Das bedeutet aber auch, dass viele Kunden dazu neigen, sich nicht rechtzeitig für einen Anstieg zu positionieren. Viele Portfolios entsprechen derzeit nicht den verbesserten fundamentalen Rahmenbedingungen.—-Das Interview führten Frank Bremser und Martin Hampel.