RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: HORST HENSCHEN

Aktienkäufe parallel zur Übernahmeofferte problematisch

Bundeskartellamt interpretiert das Vollzugsverbot jedoch extensiv

Aktienkäufe parallel zur Übernahmeofferte problematisch

Herr Henschen, nach Abgabe eines öffentlichen Übernahmeangebots wollen die Bieter oftmals gerne parallel an der Börse Aktien des Zielunternehmens kaufen, doch hier kann es kartellrechtliche Probleme geben.In der Tat, die Strategie, seinen eigenen Aktienbesitz nach Abgabe und vor Auslaufen des Übernahmegebotes so weit wie möglich zu vergrößern, kann auf Umsetzungsschwierigkeiten stoßen, wenn der Käufer für den Gesamterwerb der Aktien an der Zielgesellschaft eine fusionskontrollrechtliche Anmeldung beim Bundeskartellamt einreichen muss. Eine solche Anmeldung ist durch das sogenannte “Vollzugsverbot” geschützt: Vor der Freigabe des angemeldeten Zusammenschlussvorhabens durch das Bundeskartellamt darf ein Vollzug des angemeldeten Zusammenschlussvorhabens nicht erfolgen.- Reagiert das Kartellamt hier auch schon auf Anteilserwerbe fern der Kontrollschwelle?Abgesehen von Sonderfällen entsteht nach deutschem Recht eine Anmeldepflicht erst ab einem Erwerb von 25 % der Aktien. Man könnte also die Auffassung vertreten, dass Erwerbe unterhalb dieser Anmeldeschwelle nicht vom Vollzugserwerb erfasst werden. Das Bundeskartellamt interpretiert das Vollzugsverbot jedoch extensiv und vertritt den Standpunkt, dass bereits der schrittweise Erwerb einzelner Aktien bzw. Aktienpakete auch unterhalb der Anmeldeschwellen gegen das Vollzugsverbot verstößt. Diese restriktive Haltung hat das Bundeskartellamt in einem kürzlichen Fall mündlich erneut bestätigt und jeglichen Aktienerwerb nach Veröffentlichung des Übernahmegebots als “Teilvollzug” und damit als Verstoß gegen das Vollzugsverbot gewertet. Dies stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld belegt werden kann.- Sind damit die Aktienkäufe im Nachhinein unwirksam?Hier stellen sich teilweise komplexe Fragen und es ist insbesondere zu unterscheiden, ob Aktien vor oder nach der Anmeldung zum Bundeskartellamt erworben werden. Die herrschende Meinung stützt sich auf vor vielen Jahren ergangene BGH-Entscheidungen und steht auf dem Standpunkt, dass Aktienerwerbe, die nach der Einreichung einer Anmeldung erfolgen, schwebend unwirksam sind und mit der Freigabe durch das Bundeskartellamt rückwirkend wirksam werden. Besonders heikel ist ein Erwerb von Aktien vor Einreichung einer Anmeldung beim Bundeskartellamt. Es ist umstritten, ob solche Aktienerwerbe wirksam erfolgen bzw. durch Freigabe geheilt werden können. Insgesamt stellt sich die Frage, ob – nachdem einmal mit dem Vollzug begonnen wurde – überhaupt noch eine wirksame Anmeldung des Zusammenschlussvorhabens erfolgen kann.- Wie sollte sich ein Bieter also verhalten?Der Bieter sollte bei Aktienkäufen nach Abgabe des Übernahmeangebotes seine Rechtsposition sorgsam prüfen. In jedem Fall sollte eine erforderliche Anmeldung zum Bundeskartellamt möglichst zeitgleich mit der Abgabe des öffentlichen Übernahmeangebotes erfolgen, um über die rückwirkende Heilungsmöglichkeit die zivilrechtlichen Probleme des Aktienerwerbs zu lösen. Es bleibt dann zunächst der bußgeldlich sanktionierte Verstoß gegen das Vollzugsverbot. Hier hat sich in der Praxis erwiesen, dass es gegebenenfalls Mittel und Wege gibt, eine solche Bebußung nach Absprache mit dem Bundeskartellamt zu vermeiden.- Entspricht das Vorgehen europäischen Vorgaben?Die Behandlung dieser Fälle nach deutschem Recht ist strenger als nach der europäischen Fusionskontrollverordnung, für die die Europäische Kommission in Brüssel zuständig ist. Hier gibt es eine Sondervorschrift, die bei Übernahmeangeboten den zivilrechtlich wirksamen Erwerb von Aktien erlaubt, allerdings auf Kosten der Möglichkeit, die Stimmrechte aus diesen Aktien auszuüben, solange die Freigabe durch die Europäische Kommission nicht ergangen ist. Der deutsche Gesetzgeber hat die praxisferne Ausgestaltung des derzeitigen deutschen Rechts erkannt. Mit der 8. GWB-Novelle, die zum 1. Januar 2013 in Kraft treten soll, wird die Ausnahmevorschrift des europäischen Rechts in das deutsche Fusionskontrollrecht übernommen.—-Horst Henschen ist Counsel bei Skadden, Arps, Slate, Meagher & Flom in Frankfurt. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.