Recht und Kapitalmarkt

Aktionärsbeirat - Beispiel guter Corporate Governance?

Gleichheitsgebot aller Anteilseigner gerät in Gefahr - Schnellere Einberufung der Hauptversammlung als der bessere Weg

Aktionärsbeirat - Beispiel guter Corporate Governance?

Von Hildegard Ziemons *)Der offene Brief des Vorstandsvorsitzenden der Deutsche Börse AG an Christopher Hohn, Managing Partner von TCI Fund Management, in dem die Schaffung eines Aktionärsausschusses vorgeschlagen wird, wirft Fragen auf in Hinblick auf das Verhältnis von guter Corporate Governance zum Umgang mit selbstbewussten Aktionären.Kurz zur Vorgeschichte. Am 13. 12. 2004 veröffentlicht die Deutsche Börse ihre Absicht, ein Übernahmeangebot auf Aktien der London Stock Exchange (LSE) zum Preis von 530 Pence abzugeben. Dann kauft TCI fleißig Aktien und hält am 14. 1. 2005 5,01 % an der Deutschen Börse. Sogleich wird einen Tag später die Einberufung einer Hauptversammlung verlangt, die über die Abberufung der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat sowie die Wahl neuer Aufsichtsratsmitglieder zu beschließen hat, ohne dass hierfür Wahlvorschläge gemacht werden. Zwei Tage später tagt der Aufsichtsrat und gibt dem Grunde nach grünes Licht für das Übernahmeangebot auf die LSE. Dieses wird am 27. 1. 2005 herausgelegt und am 6. 3. 2005 unter anderem nach Gesprächen mit Aktionären zurückgezogen. Drei SchritteGleichzeitig gibt man bekannt, in Gesprächen mit Aktionären Konzepte für die Ausschüttung von Barmitteln in signifikantem Umfang zu entwickeln. So soll es kommen: 1. Schritt: Aktienrückkauf unter Nutzung der vorhandenen anderen Gewinnrücklagen (448,4 Mill. Euro), angekündigt am 22. 3. 2005.2. Schritt: Aktienrückkauf unter Nutzung des nicht ausgeschütteten Bilanzgewinns 2005 (148,5 Mill. Euro), angekündigt am 8. 4. 2005 in einem offenen Brief an TCI. 3. Schritt: Prüfung, ob die Kapitalrücklage (1 367,5 Mill. Euro), die aus dem IPO-Erlös und weiteren Kapitalerhöhungen dotiert worden ist, aufgelöst und an die Aktionäre verteilt werden kann. Woher die Liquidität kommen soll, ist offen – angesichts eines Kassenbestandes von weniger als 500 Mill. Euro in der AG.Nun also schlägt der Vorstand der Deutschen Börse einem Aktionär, der mehr als 5 %, aber weniger als 10 % der Aktien hält, vor, einen Aktionärsausschuss (Shareholder Committee) zu bilden. Er soll der stärkeren Berücksichtigung von Aktionärsinteressen durch Vorstand und Aufsichtsrat dienen, da man in der Vergangenheit nicht in der Lage war, langfristig investierte Aktionäre als Mitglieder des Aufsichtsrats zu gewinnen. Die AufgabeDer Aktionärsausschuss soll die Aktionärsstruktur der Deutschen Börse widerspiegeln: neun Vertreter institutioneller Investoren und ein Repräsentant von Privatanlegern. Bei der regionalen Verteilung wird es schon schwieriger: je ein Drittel für Investoren aus Großbritannien, den USA und Kontinentaleuropa – obgleich deren Beteiligungsquoten ausweislich der Homepage der Gesellschaft 24 : 26 : 43 betragen. Eine Besetzung des Aktionärsausschusses durch die Hauptversammlung ist nicht vorgesehen. Es ist davon auszugehen, dass seine Mitglieder – wie die zahlreichen (Fach-)Beiräte der Deutschen Börse, die dem Vorstand die Anregungen der “Kunden” für das Tagesgeschäft vermitteln – vom Vorstand ernannt werden. Aufgabe des Aktionärsausschusses soll die Beratung von Vorstand und Aufsichtsrat bezüglich Zusammensetzung und Auswahl der Mitglieder des Aufsichtsrats und in Hinblick auf wichtige Geschäfte sein. Er soll turnusmäßig vor Aufsichtsratssitzungen tagen und bei sehr wichtigen Geschäften einberufen werden. Von Gesetzes wegen erfolgt die Beteiligung der Aktionäre an der Unternehmensleitung durch die von der Hauptversammlung (HV) gewählten Mitglieder des Aufsichtsrats. Die Wahlvorschläge macht der Aufsichtsrat. Um den damit verbundenen Kooptationseffekt zu vermindern, ist die Hauptversammlung an diese Wahlvorschläge nicht gebunden, und es kann jeder Aktionär Kandidaten vorschlagen. Wird sein Alternativvorschlag in der Hauptversammlung von mehr als 10 % der Aktionäre unterstützt, so ist über den Aktionärsvorschlag vor dem Aufsichtsratsvorschlag abzustimmen. So weit das Gesetz. Und die Praxis? Der sorgfältig handelnde, am Unternehmensinteresse wie am richtig verstandenen Shareholder Value orientierte Aufsichtsrat stellt ein Anforderungsprofil für seine Mitglieder auf und sucht nach geeigneten Kandidaten, teilweise mit professioneller Hilfe. Dabei wird stets berücksichtigt, ob diese auch die Zustimmung der Hauptversammlung finden werden. Dazu mag auch das ein oder andere Gespräch mit größeren Aktionären oder Meinungsbildnern geführt werden, aber meist erst dann, wenn die Auswahl bereits getroffen ist. Auf den Kopf gestelltDies soll nun auf den Kopf gestellt werden: Ein nicht durch die Hauptversammlung legitimierter Ausschuss soll Personalvorschläge machen können, die den Aufsichtsrat zwar nicht binden, aber von ihm sorgfältig berücksichtigt werden müssen. Dadurch wird die Qualität des Aufsichtsrats gewiss nicht besser, allenfalls schlechter. Wenn signifikant beteiligte Aktionäre mit den vom Aufsichtsrat Vorgeschlagenen nicht einverstanden sind, können (und sollen) sie ihre Alternativvorschläge der HV zur Abstimmung vorlegen – die Mehrheit der in der Hauptversammlung vertretenen Aktionäre hat dann das letzte Wort. Auch bei außergewöhnlichen Unternehmenstransaktionen ist die Beteiligung der Aktionäre gesetzlich geregelt: Entweder ist die Angelegenheit so wichtig, dass sie von Gesetzes wegen oder nach der Rechtsprechung der Zustimmung der HV bedarf, oder sie gehört allein in die Zuständigkeit von Vorstand und Aufsichtsrat. Auch hier ist also die Mitwirkung der Aktionäre indirekt über die von ihnen gewählten Mitglieder des Aufsichtsrats vorgesehen. Der Vorstand kann zu bestimmten Geschäftsführungsmaßnahmen die Zustimmung der HV, nicht jedoch einzelner Aktionäre einholen.Auch hier geht die Praxis häufig andere Wege: Der Vorstand sucht das Gespräch mit größeren Aktionären, um deren Vorstellungen zur Unternehmenspolitik und ihre Einschätzung zu bestimmten Transaktionen zu erfahren. Aber er verpflichtet sich nicht, die Auffassung dieser Aktionäre sorgfältig zu berücksichtigen. Wenn der direkte Einfluss der Aktionäre auf Geschäftsführungsmaßnahmen gestärkt werden soll, bietet es sich an, diese der Hauptversammlung gemäß § 119 Abs. 2 AktG zur Zustimmung vorzulegen. Gewiss: Nach heutigem Recht ist damit eine nicht zu knappe zeitliche Verzögerung verbunden. Die Einberufungsfrist von mindestens einem Monat ist in diesen Fällen schlicht zu lang. Doch dem könnte der Gesetzgeber abhelfen. Eine Verkürzung der Einberufungsfrist auf zwei Wochen (nach dem Modell des WpÜG für die so genannte Abwehrhauptversammlung) für Hauptversammlungen, die ausschließlich über die Zustimmung zu Geschäftsführungsmaßnahmen nach § 119 Abs. 2 AktG beschließen oder über die strategische (Neu-)Ausrichtung beraten, wäre insofern zu begrüßen. DreiklassengesellschaftMit einem Aktionärsausschuss würde eine Dreiklassengesellschaft begründet: Die normalen Aktionäre, denen man die gesetzlich vorgeschriebenen Informationen und Mitspracherechte gewährt; die wichtigen Aktionäre, die von Investor Relations betreut werden; und schließlich die “nervenden” Aktionäre, die einen Sitz im Aktionärsausschuss erhalten. Und das Gleichheitsgebot?Wenn der Aktionärsausschuss nicht ein reiner Debattierclub sein soll, hat er erheblichen Einfluss auf die Unternehmensleitung. Dann stellt sich die Frage nach Verantwortlichkeit und Haftung seiner Mitglieder – die aber gibt es nicht. Mitglied in dem Ausschuss zu sein bedeutet, in der schönsten aller Welten zu leben: Einfluss wie ein Aufsichtsratsmitglied, doch ohne dessen Haftungsrisiken. Geht es nur darum, die Kommunikation zwischen Vorstand und Aktionären zu verbessern, dann gibt es weniger bedenkliche Mittel und Wege: Internetbasierte Foren, die allen Aktionären offen stehen, oder Investorenkonferenzen, an denen alle Aktionäre, die mit mehr als 1 % des Kapitals beteiligt sind, teilnehmen können und die sämtlichen Anteilseignern via Internet zugänglich sind.*) Hildegard Ziemons ist Rechtsanwältin und Partnerin der Sozietät CMS Hasche Sigle.