Recht und Kapitalmarkt

Aktionärsrechte und Intermediärspflichten

Die Rolle der Banken bei der Stimmrechtsausübung und der Transparenz des Aktienregisters

Aktionärsrechte und Intermediärspflichten

Von Peter Hemeling *) Zur Wahrnehmung seiner Rechte ist der Aktionär auf die Dienstleistung von Intermediären angewiesen. Dies gilt für die Vereinnahmung der Dividende, aber auch für die Vertretung des Aktienbesitzes in der Hauptversammlung, sofern diesbezüglich keine unmittelbare Kommunikation zwischen Emittent und Anteilsinhaber besteht. Neben der Depotbank des Aktionärs, der die Wertpapiere verwaltet, sind dabei oft weitere Kreditinstitute als Verwahrstellen oder Clearinghäuser in die Interaktion zwischen Emittent und Aktionär eingeschaltet. Bei grenzüberschreitendem Aktienbesitz kann diese Verwahrkette leicht drei- bis fünfgliedrig sein. Brennpunkt Einen besonderen Brennpunkt bildet bei der Inhaberaktie und den sogenannten Nominee-Beständen der Namensaktie die Stimmrechtsausübung. Dies umfasst den Versand der Hauptversammlungsunterlagen, die Bearbeitung der Anmeldungen, das Ausstellen der Eintrittskarten und die Weiterleitung bzw. Ausübung von Vollmachten. Wer meint, es handele sich um das banale Durchleiten von Informationen und Unterlagen, bei dem eigentlich kein Reibungsverlust auftreten dürfte, der irrt. Zum einen handelt es sich um ein Massengeschäft; bei großen börsennotierten Unternehmen liegt die Zahl der Aktionäre durchweg im sechsstelligen Bereich. Hinzu kommen regulatorische Anforderungen insbesondere dann, wenn sich die Bank gegenüber den Kunden zur Ausübung des Stimmrechts erbietet. Die entsprechenden Dienstleistungen sind für die Banken mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden, die sie entweder als Kostenerstattung vom Emittenten oder über die Depotgebühr vom Kunden zu decken haben.Immer wichtiger wird mit der zunehmenden Internationalisierung der Aktionärsstruktur der grenzüberschreitende Aspekt. Diesbezüglich fällt die Bilanz der gegenwärtigen Praxis mehr als ernüchternd aus. Bereits der Versand der Hauptversammlungsunterlagen endet zumeist an der Grenze, so dass die ausländischen Aktionäre nicht einmal die notwendigen Informationen und Unterlagen zur Stimmrechtsausübung erhalten. Sollte ein Aktionär gleichwohl versuchen, sein Stimmrecht grenzüberschreitend wahrzunehmen, muss er mit erheblichem Verwaltungs-, Zeit- und Kostenaufwand rechnen. Auch innerhalb Europas dürfte derzeit eine Stimmrechtsausübung über die Grenze noch so schwierig ist wie die grenzüberschreitende Banküberweisung vor 30 Jahren. Leider wird dieses wichtige Thema durch die jüngst verabschiedete EU-Aktionärsrichtlinie nicht aufgegriffen. Umso mehr ist zu begrüßen, dass die jetzt laufende Konsultation der EU-Kommission betreffend Empfehlungen zur Aktionärsrechterichtlinie weiterverfolgt wird.Mit dem in Vorbereitung befindlichen Risikobegrenzungsgesetz besteht die Chance, dass die Voraussetzungen für eine verstärkte Ausübung von Stimmrechten und für eine erhöhte Transparenz in der Aktionärsstruktur verbessert werden. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hatte bei der Prüfung möglicher Maßnahmen zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken die Bedeutung einer ausreichenden Hauptversammlungspräsenz und eines funktionierenden Aktienregisters für Namensaktien erkannt und in einem Eckpunktepapier von 9. Mai 2007 adressiert. In der Folge dieses Eckpunktepapiers wurde aus der Praxis ein konkreter Vorschlag zur Verbesserung der Transparenz bei Namensaktien vorgelegt. Ferner wurde der Dialog zwischen Emittenten und Banken zu diesen Themen in den letzten Wochen spürbar intensiviert. Zunächst geht es um die Stärkung der Hauptversammlungspräsenzen. Dass es ein berechtigtes Unternehmensinteresse an einer starken Hauptversammlungspräsenz gibt, um Zufallsmehrheiten oder einen unverhältnismäßig großen Einfluss von Minderheiten zu vermeiden, dürfte unstrittig sein. Schwieriger ist hingegen, Konsens über geeignete Maßnahmen zur Stärkung der Präsenzen zu erzielen. In den letzten 20 Monaten sind dazu verschiedene Vorschläge erörtert worden. PräsenzbonusDas BMF hat mit dem Präsenzbonus im Eckpunktepapier den anspruchsvollsten Vorschlag herausgegriffen. Trotz rechtlicher Fragestellungen zu dem klassischen Aufwandsthema des Intermediärs müssen wir uns fragen, warum der Vorschlag fast im Ansatz erstickt wird, obgleich er in Spanien bereits über mehrere Jahre als Option für besondere Hauptversammlungen angewandt wird. Ist es wirklich nicht vorstellbar, in Deutschland eine Gestaltung umzusetzen, bei der der Präsenzbonus auf Seiten der Gesellschaft Aufwand und nicht Teil des Bilanzgewinns ist, auf Seiten des Aktionärs wie Dividende besteuert wird und von den Banken zeitgleich mit der Dividende abgerechnet bzw. an einem um zwei Werktage nach hinten verlegten Dividendenzahltag ausgezahlt wird?Ein weiterer Vorschlag zielt darauf ab, auf europäischer Ebene die Kapitalanlagegesellschaften zur Ausübung von Stimmrechten aus Aktienfonds anzuhalten. Das entspricht der treuhänderischen Wahrnehmung von Vermögensinteressen und ist als Grundsatz im deutschen Investmentgesetz bereits verankert. Um diesen zunächst vom Bundesjustizministerium (BMJ) und BMF aufgegriffenen Lösungsansatz wurde es überraschend still, nachdem vereinzelt die Sorge eines weiter ansteigenden Einflusses einzelner Stimmvertreter geäußert wurde.Die größte Unterstützung erfährt ein Vorschlag des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) zur Vereinfachung des Vollmachtsstimmrechts der Banken. Kern des Vorschlags ist, für Kreditinstitute, die sich zur Stimmrechtsausübung erbieten, von der Verpflichtung abzusehen, eigene Vorschläge für die Ausübung des Stimmrechts zu den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung zu machen und mitzuteilen. Eine entsprechende Deregulierung wurde jüngst noch einmal vom BDI, dem Deutschen Aktieninstitut, dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, dem DSGV und dem GDV befürwortet.Die jüngst in dieser Zeitung hierzu geäußerte Kritik (vgl. BZ vom 28. Juli) erscheint nicht gerechtfertigt. Selbstverständlich soll es den Banken unbenommen bleiben, freiwillig den Kunden den Service eigener Stimmvorschläge anzubieten. Mit einer Deregulierung würden aber weitere Institutsgruppen den Service einer schlichten Entgegennahme und Ausübung von Stimmrechtsvollmachten ohne eigenen Stimmvorschlag anbieten. Eine ausreichende Legitimation bleibt erhalten, da der Kunde ausdrücklich Vollmacht erteilt, im Falle einer Dauervollmacht jedes Jahr auf das Bestehen der Vollmacht hingewiesen wird und mit der Bitte um Erteilung von Weisungen von seiner Bank darauf hingewiesen wird, dass ohne Weisung das Stimmrecht im Sinne der Verwaltung ausgeübt wird. Zusätzliche eigene Stimmvorschläge der Bank bieten einen Zusatzservice, sollten aber nicht länger verpflichtend sein. Der Wert dieser Vorschläge wurde ohnehin in der alten Diskussion über die Macht der Banken gering geachtet. Lauteten die Vorschläge doch über Jahrzehnte hinweg durchweg im Sinne der Verwaltung und begründeten mit dem damit verbundenen Potenzial an Interessenkonflikten nicht unwesentlich die Kritik an den Banken. NamensaktienFür eine Verbesserung auch der unmittelbaren Stimmrechtsausübung, der Hauptversammlungspräsenz und der Transparenz der eigenen Aktionäre bietet das Konzept der Namensaktie auch für große börsennotierte Unternehmen sehr gute Voraussetzungen. Die Eintragung des Aktionärs im Aktienregister ermöglicht in beiden Richtungen die unmittelbare Kommunikation zwischen Aktionär und Gesellschaft, was für die Anmeldung zur Hauptversammlung und die Stimmrechtsausübung – gerade in Hinblick auf die zunehmende Nutzung des Internet – erhebliche Vorteile hat. Die Erfahrung zeigt, dass die Quote der Stimmrechtsausübung für den unmittelbar im Aktienregister eingetragenen Bestand deutlich höher ist als der Vertretungsanteil bei den unbekannten Aktionären. Im grenzüberschreitenden Verkehr wird dieser Vorteil künftig noch an Gewicht gewinnen, da die Mitwirkung der mehrgliedrigen Verwahrkette, die unterschiedlichen Standards und Rechtsordnungen unterliegt, entbehrlich ist. Gleichzeitig bietet das Konzept des Aktienregisters den Vorteil, dass der Emittent seine Aktionäre kennt.Dieses Konzept wird in der Praxis jedoch durch sehr hohe Nominee-Eintragungen, d. h. Eintragungen von Verwahrbanken oder sonstigen Intermediären mit Fremdbesitz, weitgehend außer Kraft gesetzt. Bei großen Unternehmen sind nur noch ca. 30 % der eigentlichen Aktionäre aus dem Aktienregister ersichtlich. Dabei liegt der unmittelbar eingetragene Besitz überwiegend in Deutschland, während der Nominee-Bestand weitestgehend auf das Ausland entfällt.In zwei Punkten besteht Einigkeit: Zum einen muss eine Verbesserung der Situation erreicht werden, wenn nicht das absolut zukunftsfähige Konzept der Namensaktie ad absurdum geführt werden soll. Zum anderen besteht aber auch Klarheit darüber, dass zumindest auf absehbare Zeit die ausnahmslose Eintragung aller Aktionäre bereits aufgrund der technischen Gegebenheiten und der zum Teil sehr kurzfristig gehaltenen Positionen nicht zu erreichen sein wird.Der Lösungsvorschlag basiert auf einer Kombination des englischen Auskunftsrechts des Emittenten gegenüber jedermann, der Aktien hält oder von dem vernünftigerweise angenommen werden kann, dass er Aktien hält (Sec. 793 Companies Act 2006), und Erfahrungen mit Satzungsregelungen großer Schweizer Aktiengesellschaften. Konkret sieht der Vorschlag vor, dass die Satzung der Namensaktienemittenten die Voraussetzungen für die Eintragung der sogenannten Nominee-Bestände festlegt bzw. regeln kann. Nach dem Schweizer Vorbild könnte zunächst ein Schwellenwert für Einzeleintragungen vorgesehen werden, bis zu dem Nominee-Bestände ohne weitere Voraussetzungen ohne weiteres eingetragen werden; in der Schweiz liegt dieser Schwellenwert zwischen 0,3 % und 2 % des Aktienkapitals. Nominee-Positionen oberhalb des Schwellenwerts werden nur eingetragen, wenn sichergestellt ist, dass der eingetragene Nominee dem Emittenten auf Anfrage diejenigen Personen offenlegt, für deren Rechnung er Aktien oberhalb eines ebenfalls zu bestimmenden Schwellenwerts hält. Der Emittent sollte daneben ein allgemeines Auskunftsrecht auf Basis des englischen Modells haben. SanktionierungDieser Lösungsansatz stellt sicher, dass die derzeitige Praxis der Nominee-Eintragungen im Wesentlichen unberührt bleibt und nur einzelne Intermediäre bzw. hohe Nominee-Bestände von den Änderungen betroffen sind. Ferner soll klargestellt werden, dass sich eine Auskunftspflicht des Nominee nur auf seine unmittelbare Kundenebene beschränkt. Uneinigkeit herrscht derzeit noch über die angemessene Sanktionierung. Die vorgeschlagene Heranziehung der Sanktionsregelung aus dem Wertpapierhandelsgesetz für die Verletzung von Meldepflichten stößt auf Vorbehalte, da sie theoretisch auch das Dividendenrecht umfasst. Die hierzu aktuell geführte Diskussion stimmt aber zuversichtlich.Es bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung beide Themenkomplexe im Gesetzgebungsverfahren weiter verfolgt. *) Dr. Peter Hemeling ist Chefsyndikus der Allianz SE, München.