RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: FRIEDRICH VON BURCHARD

Aktionsplan Stromnetz soll Ausbau beschleunigen

Straffung von Planungs- und Genehmigungsverfahren

Aktionsplan Stromnetz soll Ausbau beschleunigen

– Herr von Burchard, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier drückt mit dem Aktionsplan Stromnetz aufs Tempo. Mit welchem Ziel?Das Stromnetz ist gewissermaßen das Rückgrat der Energiewende. Engpässe verzögern den Umstieg auf erneuerbare Energien und damit die Erfüllung der Klimaschutzziele. Sie verursachen zudem erhebliche Kosten. Das Management von Engpässen kostete 2017 1,4 Mrd. Euro. Laut Bundesnetzagentur könnte der Betrag ab 2020 auf mehr als 4 Mrd. Euro ansteigen. Über die Netzentgelte landen diese Kosten bei den Verbrauchern, also Haushaltskunden und Unternehmen. Die ohnehin hohen Strompreise würden weiter ansteigen. Grund genug, das Thema zur Chefsache zu machen.- Wie ist die Ausgangslage?Mit dem Energieleitungsausbaugesetz, dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz und dem Bundesbedarfsplangesetz wurden in den vergangenen Jahren erste Weichen gestellt. Laut Bundesnetzagentur sind beim Netzausbau im Wege des Neubaus oder der Verstärkung von Bestandsanlagen von insgesamt vorgesehenen 7 700 Kilometern aktuell aber erst 1 750 genehmigt und 950 gebaut. Es besteht Einigkeit, dass diese Entwicklung nicht akzeptabel ist und deutlich beschleunigt werden sollte. Nicht einig ist man bei der Bewertung der Ursachen.- An welchen Stellen setzt der Aktionsplan an?Der Plan nennt ein Bündel von Maßnahmen. Neben einer Beschleunigung des Netzausbaus durch Straffung der Planungs- und Genehmigungsverfahren wird auch eine Optimierung und höhere Auslastung der Bestandsnetze gefordert. Kurzfristig soll dies durch den Einsatz bestehender Technik erfolgen. Eher mittelfristig ist an neue Technologien insbesondere im Rahmen der Digitalisierung gedacht. Gleichzeitig sollen den Netzbetreibern auch Anreize für einen schnelleren Netzausbau gegeben werden. Im geltenden Regulierungsrahmen sei dies nicht vorgesehen. Der Aktionsplan verdeutlicht den politischen Willen, die unterschiedlichen Einflussgrößen in einem Gesamtkonzept abzubilden. Die Bundesnetzagentur wird bei der Umsetzung eine führende Rolle spielen. Die Novellierung des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes ist bereits im Koalitionsvertrag vorgesehen.- Wie können Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden?Europäische Vorgaben zum Schutz von Mensch und Umwelt müssen beachtet werden. Insoweit ist der deutsche Gesetzgeber nicht frei. Vor diesem Hintergrund schlägt der Aktionsplan mehrere Maßnahmen vor. Beispielsweise sollen bei kleineren Projekten Anzeige- statt Genehmigungsverfahren Anwendung finden. Bei der Verstärkung von Bestandsanlagen könnte die Bundesfachplanung entfallen. Das Vorschlagsrecht der Länder für Alternativplanungen bei der Leitungsführung zu beschränken wäre eine weitere Option. Auch könnte durch eine vorausschauende Planung höherer Kapazitätsbedarf in laufenden Planungsverfahren berücksichtigt werden. Die Umsetzung der Vorschläge würde zu einer Beschleunigung führen. Nicht zuletzt auch aus Sicht der Netzbetreiber wäre dies ein Fortschritt. – Wo sehen Sie die zentralen Herausforderungen des Aktionsplans?Der Plan schlägt Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen vor, die unterschiedliche zeitliche Wirkung entfalten. Zudem sollten Wechselwirkungen zum Beispiel zwischen Bestandsoptimierung und Neubau beachtet werden. Die technische und wirtschaftliche Komplexität ist hoch. Das angestrebte Gesamtkonzept muss dies in überzeugender Weise zusammenführen. Derzeit fehlt ein konkreter Zeitplan und damit auch eine Priorisierung einzelner Maßnahmen. Im Sinne der Planungs- und Rechtssicherheit für alle Beteiligten sollte hierüber schnellstmöglich Klarheit geschaffen werden. Die Ausgestaltung der einzelnen Maßnahmen muss dazu zeitnah angegangen werden. Dabei sollten auch unterschiedliche Interessen der Betreiber der Übertragungs- und Verteilnetze und ihre Rollenverteilung berücksichtigt werden. Die vorgeschlagene Schaffung von Anreizen für einen schnellen Netzausbau wirft zusätzliche Fragen auf. Denn auf die Dauer von Planungs- und Genehmigungsverfahren haben die Netzbetreiber weitgehend keinen Einfluss.—-Dr. Friedrich von Burchard ist Partner und Geschäftsbereichsleiter Energiewirtschaftsrecht bei CMS in Deutschland. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.