RECHT UND KAPITALMARKT

Aktivistische Investoren auf dem Vormarsch

Unternehmen sollten sich auf die neue Normalität vorbereiten - Umfänglicher Schutz ist kaum möglich

Aktivistische Investoren auf dem Vormarsch

Von Markus Stephanblome und Christian Vogel *)So langsam gewöhnt man sich daran. Der Umgang mit ihnen gehört zu den Fertigkeiten, die man an der Spitze eines Emittenten genauso mitbringen muss wie die Kunst der Investorenkommunikation. Die Rede ist von Aktivisten, also Investoren, die schnell eine spürbare Beteiligung aufbauen, lautstark Veränderungen über alle medialen Kanäle fordern, so den Wert – oder zumindest den Aktienkurs – des Unternehmens steigern und nach getaner Arbeit mit Gewinn wieder aussteigen. Jüngstes Beispiel ist der bekannte Hedgefonds Elliott, der nach seinem Einstieg bei Thyssenkrupp die Unternehmensführung heftig attackiert oder bei Uniper nach einer Sonderprüfung verlangte. Doch wie können Unternehmen mit einem solchen Szenario umgehen? SchwachstellenanalyseAuch für 2018 erwarten Marktteilnehmer einen Anstieg aktivistischer Maßnahmen. Hohe Gewinne von Aktivisten ziehen neue Akteure an. In gleichem Maße steigt auch das Bewusstsein der betroffenen Emittenten. Ziel und Methoden der Angreifer sind bekannt, ebenso die Faktoren, nach denen sie sich ihre Ziele aussuchen. Sie reichen von tatsächlichen oder angeblichen Transparenz- und Governance-Mängeln über eine ineffiziente Kapitalstruktur samt ungenutzter Bargeldbestände und unklarer Unternehmensstrategie bis zur im Vergleich zum Branchenindex schwachen Entwicklung oder der Zugehörigkeit zu einer gefährdeten Branche. Umgekehrt gilt: Wer seine Hausaufgaben gemacht hat, kennt die eigenen Schwachstellen. Berater bieten Analysen an, und wer möchte, kann seinem Verteidigungshandbuch für Übernahmen auch ein Kapital bei Aktivistenangriffen hinzufügen. Ob und wie ein solcher Angriff ein Unternehmen trifft, lässt sich trotzdem kaum planen, geschweige denn verhindern. Mögliche Angriffspunkte präventiv zu beseitigen ist leichter gesagt als getan. Oft sind dies – wie etwa Eigenheiten eines Familienunternehmens – gewachsene oder auch identitätsstiftende Umstände, die die Verwaltung ohne Druck von außen kaum auflösen kann. Es bleibt nur, auf der Hut zu sein und das Aktivistenszenario bei der Konzernleitung oder etwa bei der Planung einer größeren M&A-Transaktion stets mitzudenken. Im RampenlichtDer Auftritt eines Aktivisten ist – wie die feindliche Übernahmeofferte – eine sehr aufreibende Angelegenheit. Mit einem Schlag steht der Emittent in der Öffentlichkeit. Vorstand und Aufsichtsrat wissen, dass es um grundsätzliche Umwälzungen und oft auch um den eigenen Posten geht. Ganz oben auf der Liste der Aktivisten steht meist der Ruf nach Wechsel in der Führung. Beliebt ist auch die Forderung, das Unternehmen möge sich von einem Geschäftsteil trennen oder eine geplante M&A-Transaktion stoppen oder neu verhandeln. Aktuell etwa verlangt Elliott, Thyssenkrupp solle seinen Beitrag zu dem Joint Venture mit Tata Steel aufgrund der unterschiedlichen Entwicklung der beiden Stahlgeschäfte neu bewerten. Schließlich geht es um Veränderungen in der Strategie, der operativen Führung oder der Kapitalstruktur (einschließlich Ausschüttungen oder Aktienrückkäufe). Was immer das Verlangen sein mag, es ist meistens radikal und deshalb aus Unternehmenssicht selten akzeptabel.Zwar können die wenigsten Aktivisten ihren Willen aufgrund ihrer Beteiligung aus eigener Kraft durchsetzen. Und auch gerichtliche Schritte sind eher die Ausnahme, sie brauchen einen langen Atem. Dem Unternehmen droht aber trotzdem reichlich Ungemach. Mit durchdachten Verlockungen und aktiver Ansprache können Aktivisten die Stimme ihrer Mitaktionäre etwa bei der Aufsichtsratswahl einwerben. Oder es gelingt ihnen, Vorstand und Aufsichtsrat zu entzweien. Auch ohne Mehrheit mögen sie das Vertrauen in die Gremien oder die Strategie so stark erschüttern, dass der Aktienkurs leidet und die Gesellschaft zum Übernahmekandidaten wird. Auch die bloße Aggregation eines größeren Aktienpaketes bei einem kurzfristig orientierten Aktivisten kann Unruhe erzeugen. Sie erleichtert einem Übernahmeinteressenten vielleicht den entscheidenden Schritt beim Stakebuilding. Zurücklehnen darf sich niemand. Selbst Gesellschaften, die gegen Übernahmen immun scheinen, weil sie große Aktionäre auf ihrer Seite haben (wie das Raumfahrtunternehmen OHB oder Thyssenkrupp), müssen um ihre Reputation am Kapitalmarkt und im Geschäftsverkehr fürchten. Ein Patentrezept für die Verteidigung gibt es nicht – sieht man von dem gut gemeinten Rat ab, präventiv Geschäft und Governance in Ordnung zu halten, transparent zu kommunizieren und stets fürsorglich mit Aktionären und Stakeholdern umzugehen. Klar ist nur: Vorstand und Aufsichtsrat müssen sofort kommunikativ reagieren, um nicht in die Defensive zu geraten. Immerhin bieten Aktivisten oft eine ungeschminkte Sicht auf Assets, Kapitalstruktur, Wachstumschancen, Führungsstruktur und Effizienz der Organisation. Den Fokus zu bewahren, ist jedoch nicht immer einfach. Der Auftritt von Aktivisten kommt nicht selten zur Unzeit, wenn das Unternehmen inmitten einer Krise oder in einer schwierigen Transaktion steckt. Widerstand nicht zwecklosWo der Aktivist Recht hat, lohnt der Kampf oft nicht. Die Kunst besteht dann darin, solche Forderungen herauszufiltern, auf ein verträgliches Maß zu bringen und einer Einigung zuzuführen. Das Aktienrecht setzt dem Grenzen, untersagt Vereinbarungen aber nicht. Der Vorstand darf zusagen, was ohnehin im Gesellschaftsinteresse ist, Sondervorteile an den Aktivisten verbieten sich dabei. Ob ein Aufsichtsratssitz für einen von dem Investor vorgeschlagenen unabhängigen Kandidaten, die Absichtsbekundung, bestimmte Strategien oder Maßnahmen zu prüfen, eine Anpassung des Vergütungssystems, ein Überdenken des Business Plans – all das sind denkbare Maßnahmen, die Bestandteil einer Einigung sein können. Und noch einen Trumpf hat der Vorstand in der Hand: Aktivisten leben von ihrem Ruf. Das Unternehmen bestimmt insofern mit, wie sie am Ende einer Konfrontation wahrgenommen werden. Auch Widerstand ist natürlich nicht zwecklos. Mitaktionäre sind zwar oft erfreut ob des Kursfeuerwerks beim Einstieg der Aktivisten. Der Ausstieg hat aber den gegenteiligen Effekt. Und eine längere Debatte über die Unfähigkeit des Managements und die Schwächen der Strategie wirkt eher kursdämpfend. Das gilt es den eigenen Aktionären klarzumachen. Auch ist höchst umstritten, ob Aktivisten langfristig Wert schaffen. Ihr Geschäftsmodell basiert schließlich auf kurzfristigen Wertsteigerungen. Skepsis ist daher angebracht, ob das, was gut ist für den Aktivisten, auch gut ist für die Mitaktionäre. Da ist es hilfreich, wenn der Vorstand auch schon zuvor regelmäßig langfristige Performance misst und kommuniziert und ebenso wenn sich langfristige Aktionäre klar positionieren.Seine Aktionäre darf sich ein Vorstand nicht aussuchen, und das Aktienrecht schreibt ihm die Gleichbehandlung vor. Aber wehrhaft darf er sein, wenn es das Unternehmensinteresse gebietet. Presse- und Investorengespräche, Äußerungen in der Öffentlichkeit oder im Aktionärskreis und Kommentierung von Wahlvorschlägen oder Gegenanträgen darf er durchaus gegen schädliche Aktivistenforderungen einsetzen. Fehlinformationen oder -wertungen darf er korrigieren, Verletzungen von Mitteilungspflichten darf er ankreiden. Auch die White-Knight-Variante ist nicht generell ausgeschlossen. Vorbereitung zähltZurückhaltender muss der Aufsichtsrat agieren. Nach innen ist er in stürmischen Zeiten gefordert, aber in der Öffentlichkeit muss er dem Vorstand den Vortritt lassen. Investorenkommunikation des Vorsitzenden gehört zur guten Governance, Alleingänge im Umgang mit Aktivisten nicht. Ein Aufsichtsrat, der in dieser Frage geschlossen hinter seinem Vorstand steht, ist unabdingbar. Dessen muss sich der Vorstand rechtzeitig versichern, und ebenso, dass die nötige Abstimmung darüber vertraulich stattfindet. Wie sich immer wieder zeigt, sind der gut vorbereitete individuelle Dialog mit den Aktivisten und ein professioneller Umgang mit berechtigter Kritik der Schlüssel zum Erfolg. So gewinnt am Ende das Unternehmensinteresse – nicht die Verwaltung oder der Aktivist. —-*) Dr. Markus Stephanblome und Dr. Christian Vogel sind Partner in der Corporate-Praxis der Kanzlei Clifford Chance.