Alternative Geldgeber oder Fremdkapital 2.0
Von Michaela Sopp *)Die Finanzierungsbranche befindet sich im Umbruch. Banken als klassische Kreditgeber ziehen sich aus bestimmten Märkten und Asset-Klassen zurück und müssen ihre Finanzierungsvolumina einschränken. Unternehmen benötigen jedoch Kapital für Investments und insbesondere zur Refinanzierung. In dieser Hinsicht werden nach einer von Linklaters in Auftrag gegebenen Studie des Marktforschungsinstituts Dealogic in Europa in den Jahren 2012 bis 2016 ca. 416 Mrd. Euro zur Refinanzierung von auslaufenden Krediten benötigt, wobei der Kapitalbedarf verstärkt in Deutschland, England und Frankreich entsteht. Die entsprechenden Kredite wurden in den letzten Jahren zur Finanzierung von Unternehmenskäufen seitens europäischer Investoren aufgenommen. Allein in Deutschland lasten rund 92 Mrd. Euro auf den Schultern der inländischen Industrie und von Finanzinstituten.In diese Lücke treten verstärkt Unternehmen, die bisher nicht als klassische Darlehensgeber am Finanzierungsmarkt auftraten. Woher kommt das diesen Unternehmen zur Verfügung stehende Kapital? Eine Analyse der Quellen des globalen Investmentkapitals zeigt, dass das Kapital zum größten Teil aus Vermögen gespeist wird, die der Refinanzierung von Pensions- und Lebensversicherungsverbindlichkeiten dienen. Langfristige Fremdkapitalinvestitionen passen sehr gut in die Portfoliokomposition solcher Vermögen. Planbarer Cash-flowWarum dies so ist, liegt auf der Hand. Besichertes langfristiges Fremdkapital wird vorrangig getilgt, ein Wertverfall der zugrunde liegenden Finanzierungsobjekte wirkt sich auf die Rückflüsse aus der Investition allenfalls am Ende der Laufzeit und auch nur dann aus, wenn das vorhandene Eigenkapital erschöpft wurde. Entscheidend dürfte hier die Planbarkeit des Cash-flows sein, der z. B. von der Anzahl und Qualität der Objektnutzer, von der Variabilität der Nutzbarkeit des Objekts oder von der unternehmerischen Ertragskraft abhängt.Weiter bieten Investitionen in Fremdkapital, je nach Anlagestrategie, eine Vielzahl von Variationsmöglichkeiten, die einen großen Teil des denkbaren Risiko-Ertrag-Spektrums abdecken. So kommen hier Investitionen mit geringem Risiko (z. B. vorrangige Darlehen mit erstrangiger Besicherung in Bezug auf Finanzierungsobjekte von hervorragender Qualität) genauso in Betracht wie opportunistische Investitionen mit höherem Risiko (z. B. Mezzanine Investments oder Investments im Rahmen eines Stressszenarios).Diese Spielarten lassen sich durch die Auswahl der zu finanzierenden Objekte (z. B. ein einzelnes Objekt oder Portfolien) bzw. die Art und Weise des Investments (z. B. primäre Darlehensvergabe im Gegensatz zu Sekundärmarkttransaktionen oder direkte Fremdkapitalinvestments im Gegensatz zu indirekten Investments über Fonds) noch weiter variieren.Ebenso Bestandteil des Baukastens sind unterschiedliche Exit-Strategien wie z. B. “Hold to Maturity”, oder “Loan to Own”. Da bei “Hold to Maturity” Fremdkapitalinvestitionen bis zur Endfälligkeit gehalten werden, kann diese Vorgehensweise gerade bei schwankungsanfälligen Investments eine gute Möglichkeit sein, das Risiko zu minimieren. Bei “Loan to Own” werden von Investoren gezielt vorwiegend notleidende Kredite aufgekauft, um im Konkursfall durch Zwangsvollstreckung Zugriff auf den Finanzierungsgegenstand bzw. durch Umtausch von Darlehen in Anteile Kontrolle über die Projektgesellschaft zu erhalten (Debt to Equity Swap).Grundsätzlich stellt sich die Frage, wer die Marktteilnehmer sind, die sich mit Fremdkapitalinvestments beschäftigen. Versicherer gewinnen im Rahmen von Fremdkapitalinvestitionen hierbei immer stärker an Bedeutung. Dies gilt insbesondere für direkte Investments in Form der Darlehensvergabe im Immobilienbereich. Bevorzugter Investmentmarkt – jedenfalls aus deutscher Sichtweise – ist Europa mit Schwerpunkt Core/Core Plus, also die Investition in Top-Immobilien in bevorzugten Innenstadtlagen von Metropolen. Hierbei liegt der Fokus auf Einzelhandelsimmobilien, Büroimmobilien und Logistik. Weiter werden hier überwiegend ausgewählte Objekte (also keine Portfolien) finanziert, die einen langfristigen Cash-flow sichern. Wichtig ist zudem die Ausgestaltung des Darlehens als Realkredit.Ein weiterer aktueller Trend ist die Auflegung von Debt-Fonds durch Investment Manager oder Private-Equity-Häuser. Debt-Fonds können in der Risikoausrichtung stark variieren. So gibt es aktuell eine Vielzahl von Produkten im Mezzanine-Bereich, im unteren (opportunistischen) Segment, aber auch – und dies ist eine neue Entwicklung – im vorrangigen Fremdkapitalbereich (Senior Debt). Debt-Fonds kommen auch insbesondere für sogenannte “Senior-Stretch-Strukturen” in Betracht. Hier beteiligen sich Fremdkapitalinvestoren gleich- oder nachrangig zu einer Bank an einem Kredit und ermöglichen so eine höhere Beleihungsquote als die für Banken im derzeitigen Marktumfeld akzeptable Beleihungsquote von ca. 50 bis 60 %. Interessant sind diese SeniorStretch-Strukturen insbesondere im Immobilienfinanzierungsbereich als Partner von Pfandbriefbanken.Treten Debt-Fonds als direkte Darlehensgeber auf, ergeben sich gerade in Bezug auf Banklizenzpflichten Fragen. Dies erfordert von den Fonds und auch den Darlehensnehmern eine gewisse Strukturierungsbereitschaft, z. B. für Strukturen, die Banken und deren Banklizenz mit alternativen Darlehensgebern kombinieren, bis hin zu bedingt rückzahlbaren Darlehen, Genussrechten oder stillen Beteiligungen (“Preferred Equity”), jeweils unter Berücksichtigung des gewünschten Risikoprofils der Fremdkapitalinvestition. Zusätzlicher Strukturierungsbedarf ergibt sich bei Debt-Fonds in Abhängigkeit von der Target-Investorengruppe. Hier müssen je nach Investorengruppe unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen erfüllt werden, insbesondere auch bei Zugängen für Versicherungen.Eine weitere Tendenz, die im Kontext “Alternative Lending” festzustellen ist, ist der Einsatz von neuartigen Kapitalmarktinstrumenten zur Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen (Projekt-Bonds). Diese Initiative wird insbesondere von der EU und der Europäischen Investitionsbank geführt, um Verfügbarkeit und Zugang zu langfristigem Kapital für Projektgesellschaften sicherzustellen. Zielsetzung ist es insbesondere, von Projektgesellschaften begebene Anleihen durch Bonitätsverbesserungsmaßnahmen zu stützen und so für bestimmte Investorengruppen auswählbar zu machen.Die Änderungen der Kapitalströme sind natürlich auch den relevanten Aufsichtsbehörden nicht verborgen geblieben und es besteht die Sorge, dass Fremdkapitalinvestitionen durch unregulierte Marktteilnehmer Auswirkungen auf die langfristige Stabilität des Marktumfelds haben. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund fehlender Grenzen im Hinblick auf die Fremdkapitalaufnahme durch die relevanten Marktteilnehmer selbst, befürchtete regulatorische Arbitrage sowie unvorhersehbare Auswirkungen auf den Bankensektor, mit dem die Shadow-Banking-Aktivitäten oft stark vernetzt sind. Es gibt daher Initiativen der EU (European Commission Green Paper) und des FSB (Financial Stability Board), die die Regulierung des sogenannten Shadow-Banking-Systems fordern. SchattenbankenDie konkrete Definition und der Umfang des Begriffs Shadow Banking sind in diesem Kontext noch unklar. Erfasst werden soll jedoch insbesondere die “Kreditintermediation im Bezug auf Unternehmen und Aktivitäten, die außerhalb des regulären Bankensystems operieren”. Auf Basis dieser Definition des FSB würden Private-Equity-Fonds, InvestmentFonds, Structured Finance Vehicles, Hedgefonds, Pensionsfonds, Versicherungen und Special Investment Vehicles einbezogen werden. Der FSB will hier insbesondere Regulierungsvorschläge für Interaktionen zwischen Banken und “Shadow Banks”, Verbriefungstransaktionen, Asset Management und sonstige “Shadow Banks” vorbereiten, deren Inhalt und Auswirkungen auf den Alternative-Lending-Markt abzuwarten bleiben.—-*) Michaela Sopp ist Partnerin im Frankfurter Büro von Linklaters.