Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Maximilian Schiessl

Ankeraktionäre in der Krise gesucht

Stabilisierung des Gesellschafterkreises - Investorenvereinbarung möglich

Ankeraktionäre in der Krise gesucht

– Herr Dr. Schiessl, in der letzten Zeit hört man bei Publikumsgesellschaften häufig das Stichwort “Ankeraktionär”. Worum handelt es sich dabei?Ein Ankeraktionär ist ein langfristig denkender Investor, der typischerweise eine Beteiligung zwischen 10 und 30 % am Grundkapital der Gesellschaft erwirbt und das Unternehmen über einen langen Zeitraum begleitet.- Warum ist ein solcher Aktionär für Publikumsgesellschaften attraktiv?Ein Ankeraktionär kann gerade in der derzeitigen Wirtschafts- und Finanzkrise helfen, den Aktionärskreis zu stabilisieren und zu verhindern, dass die Gesellschaft zu niedrigen Preisen übernommen und zum Spielball von kurzfristig interessierten Aktionären wie Hedgefonds wird. Wenn der Investor eine Kapitalerhöhung zeichnet oder garantiert, kann er der Gesellschaft zu dringend benötigtem Eigenkapital verhelfen, was in der derzeitigen Finanzkrise von besonderer Bedeutung ist.- Welche Investoren kommen als Ankeraktionär in Betracht?Bei den jüngeren Beispielen finden sich strategische Investoren (zum Beispiel Daimler bei Tognum), Unternehmerfamilien (Skion/Klatten bei SGL Carbon), Sovereign Wealth Funds (Aabar bei Daimler), aber auch klassische Private-Equity-Investoren (OEP bei Pfleiderer, JC Flowers bei HRE), die traditionell eher Mehrheitsbeteiligungen angestrebt haben.- Darf der Vorstand nach solchen Investoren suchen, oder hat er eine Neutralitätspflicht?Es gehört zu den anerkannten Aufgaben des Vorstands, im Interesse des Unternehmens und seiner Aktionäre nach geeigneten Investoren zu suchen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Gesellschaft neues Eigenkapital benötigt wie etwa bei der von Apollo garantierten Kapitalerhöhung von Infineon.- Kann einem Interessenten eine Due Diligence gestattet werden, die auch Geschäftsgeheimnisse umfasst?Wenn eine mögliche Transaktion im Interesse der Gesellschaft liegt, ist auch eine Due Diligence möglich. Der Vorstand muss die üblichen Vorkehrungen treffen, um den Missbrauch von Geschäftsgeheimnissen auszuschließen. Dazu gehört auch eine Vertraulichkeitsvereinbarung, die ausschließt, dass auf der Grundlage von Insiderinformationen Aktien erworben werden.- Müssen solche Informationen dann nicht auch den Aktionären oder anderen Erwerbsinteressenten offengelegt werden?Eine Gleichbehandlungspflicht gegenüber anderen Interessenten besteht nicht. Der Vorstand hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob es im Interesse der Gesellschaft liegt, auch anderen Interessenten die Information zu geben. Es ist aber beispielsweise unbedenklich, einen geeigneten langfristigen Partner anders zu behandeln als einen kurzfristig interessierten Hedgefonds. Auch andere Aktionäre haben keinen Gleichbehandlungsanspruch, weil die Informationen dem Investor gerade nicht “wegen seiner Eigenschaft als Aktionär” gewährt werden, sondern zur Vorbereitung der geplanten Transaktion.- Welche Möglichkeiten gibt es für den Einstieg eines Ankeraktionärs?Neben dem Erwerb von Aktien über die Börse ist der klassische Weg die Zeichnung junger Aktien aus einer Kapitalerhöhung. Bis zu 10 % des Grundkapitals kann eine Barkapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechts durchgeführt werden. In Betracht kommen aber auch die Ausgabe von Wandelanleihen, Barkapitalerhöhungen, die von dem Investor garantiert werden, sowie Sachkapitalerhöhungen bei dem Erwerb von anderen Unternehmen. Auch öffentliche Angebote für einen Teil der Aktien sind bis zu einer Beteiligung von 29,9 % möglich (zum Beispiel JC Flowers bei HRE).- Ist es zulässig, mit dem Investor auch eine Investorenvereinbarung abzuschließen?Solche Vereinbarungen, die bei öffentlichen Übernahmen wie beispielsweise Continental häufig geschlossen werden, sind auch mit einem Ankeraktionär möglich. Wenn der Eintritt des Investors im Interesse der Gesellschaft liegt, sollte es auch zulässig sein, die dem zugrunde liegenden Vorstellungen vertraglich abzusichern.- Muss der Aufsichtsrat involviert werden?Der Aufsichtsrat oder zumindest der Aufsichtsratsvorsitzende oder ein Ausschuss sollten einbezogen sein, um den Prozess zu überwachen.—-Dr. Maximilian Schiessl ist Partner von Hengeler Mueller in Düsseldorf. Die Fragen stellte Walther Becker.