Finanzen persönlich - Interview mit Steuerberater Jochen Busch

Anleger können den Fiskus an Lehman-Verlusten beteiligen

Minus bei der Steuer geltend machen - Wichtig ist der Kaufzeitpunkt

Anleger können den Fiskus an Lehman-Verlusten beteiligen

– Herr Dr. Busch, in Deutschland haben rund 30 000 Personen Zertifikate der inzwischen insolventen Lehman Bank erworben und damit hohe Verluste eingefahren. Können diese Anleger das Minus nun wenigstens bei der Einkommensteuer geltend machen?Grundsätzlich muss man unterscheiden zwischen der Rechtslage vor und nach der Einführung der Abgeltungsteuer. Gute Chancen haben zumindest die Anleger, die ihre Lehman-Zertifikate maximal ein Jahr vor Fälligkeit (Spekulationsfrist) und vor Jahresbeginn 2009 gekauft haben. Hier gilt die alte Rechtslage, und der Verlust aus den wertlosen Papieren bei Fälligkeit sollte steuerlich zählen. Liegt der Kauf hingegen länger als ein Jahr zurück, besteht wenig Hoffnung.- Diese Anleger gehen demnach leer aus?Ja, das ist zu befürchten. Der Fiskus kann sich dabei auf die Urteile zu den sogenannten Argentinien-Anleihen stützen. Der Bundesfinanzhof entschied 2006, dass Verluste infolge des staatlichen Zahlungsmoratoriums steuerlich nicht zählen. Dies zumindest dann, wenn der Verlust außerhalb der bis Ende 2008 geltenden Jahresfrist entstanden ist. Es spricht viel dafür, dieses Urteil auf die Lehman-Pleite anzuwenden.- Inwiefern können sich Anleger, die die Zertifikate bis Fälligkeit nicht länger als ein Jahr im Depot hatten, an den Fiskus wenden?Anleger sollten den Verlust in ihrer Steuererklärung als sogenannten Spekulationsverlust angeben. Der Verlust mindert dann bis Ende 2008 die Steuerlast auf Spekulationsgewinne. Das sind Gewinne, die innerhalb eines Jahres nach Erwerb des Papiers realisiert werden. Ein Ende 2008 verbleibender Verlustüberhang lässt sich mit bestimmten abgeltungsteuerpflichtigen Erträgen verrechnen.- Für Schuldverschreibungen, die nach dem 31.12.2008 gekauft wurden, gilt die Abgeltungsteuer. Heißt das, dass jetzt Verluste, die durch Emittentenausfall entstehen, voll steuerlich geltend gemacht werden können?Das Konzept der Abgeltungsteuer sieht vor, sämtliche Gewinne und Verluste zu besteuern. Das heißt in letzter Konsequenz, dass auch Verluste durch Emittentenausfall steuerlich zählen müssen. Auch hier gilt aber: Die Rechtslage ist noch nicht geklärt. Finanzverwaltung und Gerichte halten sich zu dieser Frage bislang bedeckt. Ich empfehle Anlegern jedenfalls, entsprechende Verluste steuerlich geltend zu machen. Zu diesem Zweck ist eine Steuererklärung abzugeben, sofern nicht bereits die depotführende Bank den Verlust an der Quelle berücksichtigt. Lehnt das Finanzamt den Verlust ab, empfiehlt es sich, Einspruch einzulegen.- Welche Möglichkeiten gibt es, diesen Unsicherheitsfaktor zu vermeiden?Anleger sollten ihre Papiere bei sich abzeichnenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Emittenten im Zweifel verkaufen. Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Hierzu muss der Anleger zum einen rechtzeitig handeln. Zum anderen ist fraglich, ob sich das Zertifikat dann noch zu einem akzeptablen Kurs verkaufen lässt.- Was sollten Anleger tun, die ihre Produkte nicht mehr auf normalem Wege – zum Beispiel über eine Börse – loswerden können?Eine Überlegung ist, diese Produkte außerbörslich zu verkaufen. Käufer könnte z. B. ein Geschäftspartner, Bekannter oder Familienangehöriger sein. Allerdings gilt es die steuerlichen Spielregeln einzuhalten. Das bedeutet: Die Abwicklung und der vereinbarte Kaufpreis sollten marktüblich sein. Doch selbst dann ist nicht sicher, dass das Finanzamt den Verlust anerkennt. Der Finanzverwaltung ist der Verkauf quasi wertloser Papiere kurz vor Fälligkeit ein Dorn im Auge. Sie hat jüngst angekündigt, in solchen Fällen den realisierten Verlust nicht zu berücksichtigen. Ich halte diese Auffassung für zweifelhaft. Sie ist nicht mit den geltenden Gesetzen vereinbar. Betroffenen Anlegern kann ich nur empfehlen, die Verluste einzufordern und gegebenenfalls Einspruch einzulegen.- Ihre bisherigen Ausführungen betreffen den Emittentenausfall. Gelten diese Regeln auch für Verluste aus Betrugsfällen à la Madoff?Aus welchen Gründen der Emittent seine Zahlungspflichten nicht erfüllt, ist steuerlich unerheblich. Ob Betrug, wirtschaftliche Schwierigkeiten oder Missmanagement: Fällt ein Schuldner aus, kann der Anleger seinen Verlust unter den genannten Bedingungen steuerlich geltend machen.—-Dr. Jochen Busch ist Steuerberater und Partner der Kanzlei RP Richter & Partner in München. Die Fragen stellte Julia Roebke.