Recht und Kapitalmarkt

Anlegerschutz ist bei multilateralen Handelssystemen intakt

Qualität der Überwachung gleichwertig mit der über die Börsen - Regelmäßige Information der Aufsicht gewährleistet

Anlegerschutz ist bei multilateralen Handelssystemen intakt

Von Heinz Günter Laun *) Die Bundesregierung hat einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Mifid) vorgelegt. Darin sind u. a. Regelungen für das Betreiben sogenannter multilateraler Handelssysteme (Multilateral Trading Facility “MTF”) enthalten. Ein MTF ist nach der Definition im Gesetzesentwurf ein System, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten in einer Weise zusammenbringt, die zu einem Vertragsabschluss führen. Dies geschieht innerhalb des MTF-Systems nach festgelegten, nicht abdingbaren Regeln. Diese Definition ist nahezu deckungsgleich mit der Definition für die Funktionsweise einer “klassischen” Börse, also eines geregelten Marktes im Sinne der Mifid. Gestaltung variiertDa jedoch die rechtliche Ausgestaltung und das Aufsichtsregime für diese beiden Handelsplattformen sehr unterschiedlich sind, stellt sich die Frage, ob der Anlegerschutz für Geschäfte mit Finanzinstrumenten im Rahmen eines MTF in gleicher Weise wie bei einer Börse gewährleistet wird. In Deutschland sind die Voraussetzungen zum Betreiben einer Börse und deren Struktur im Börsengesetz geregelt. Im Rahmen der Umsetzung der Mifid wird das Börsengesetz komplett neu gefasst, wobei die gegenwärtige Ausgestaltung des Börsenwesens im Wesentlichen bestehen bleibt. Allerdings werden die Marktsegmente amtlicher und geregelter Markt zu einem einzigen gesetzlichen Marktsegment, dem regulierten Markt, zusammengefasst. Über die Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel entscheidet zukünftig die Börsengeschäftsführung und nicht mehr die dann abgeschafften Zulassungsstellen. Die Börsen haben ein Recht zur Selbstverwaltung, unterliegen aber gleichzeitig einer umfassenden Aufsicht. Sie sind teilrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts, die von einem Börsenträger (z. B. im Fall der Frankfurter Wertpapierbörse die Deutsche Börse AG) betrieben werden. Dieser ist als beliehener Unternehmer verpflichtet, sämtliche finanziellen, personellen und sachlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Durchführung und Fortentwicklung des Börsenbetriebs notwendig sind. Im Börsengesetz sind detailliert die Voraussetzungen für eine Zulassung zur Teilnahme am Börsenhandel geregelt sowie grundlegende Vorschriften über die Preisbildung statuiert.Eine Börse handelt durch die Börsenorgane, denen durch das Börsengesetz bestimmte Aufgaben zugewiesen sind. Börsenorgane sind die Geschäftsführung, der Börsenrat, die Handelsüberwachungsstelle sowie der Sanktionsausschuss. Die Börsenorgane handeln gegenüber den Handelsteilnehmern und Emittenten in der Regel durch den Erlass von Verwaltungsakten. Dies bedeutet also, dass die Börsen im Bereich des öffentlichen Rechts agieren. Die Börsen werden von den zuständigen Börsenaufsichtsbehörden in den Bundesländern überwacht.Die Überwachungsmöglichkeiten sind sehr weitgehend. So bedarf zum Beispiel die Börsenordnung, die durch den Börsenrat zu erlassen ist, der Genehmigung der Börsenaufsichtsbehörde. Unter bestimmten Voraussetzungen kann sie auch verlangen, dass Bestimmungen in die Börsenordnung aufgenommen werden. Weiterhin hat die Börsenaufsichtsbehörde das Recht, an den Beratungen der Börsenorgane teilzunehmen. Als wesentlicher Bestandteil der Marktaufsicht bestehen gegenüber der Handelsüberwachungsstelle unmittelbare Weisungsrechte. Weiterhin bestehen Auskunfts- und Prüfungsrechte gegenüber den Börsen, dem Börsenträger und den Handelsteilnehmern. Bei einem MTF stellt sich die Rechtslage dagegen anders dar.Das Betreiben eines MTF ist eine Wertpapierdienstleistung gemäß dem Wertpapierhandelsgesetz und eine Finanzdienstleistung gemäß dem Kreditwesengesetz. Diese beiden Gesetze bilden den regulatorischen Rahmen für die Zulassung und den Betrieb eines MTF. Im Wertpapierhandelsgesetz sind die speziellen Anforderungen an den Betrieb eines MTF geregelt. Danach sind Regelungen für die Teilnahme am Handel und für die Einbeziehung von Finanzinstrumenten sowie die ordnungsgemäße Durchführung des Handels und die Preisermittlung festzulegen. Weiterhin sind angemessene Kontrollverfahren vorzuhalten und Aufzeichnungen über die Aufträge und Geschäftsabschlüsse vorzunehmen. Die Regelungen über die Teilnahme am Handel und über die Preisbildung müssen mindestens den entsprechenden börsenrechtlichen Vorschriften genügen. Des Weiteren ist die Einhaltung des Insiderhandelsverbots und des Verbots von Kursmanipulationen durch Kontrollverfahren sicherzustellen. Die zusätzlich bestehenden Vor- und Nachhandelstransparenzvorschriften sind nahezu identisch mit den für die Börsen vorgesehenen Regeln. Schwerwiegende Verstöße gegen Handelsregeln und Störungen der Marktintegrität werden der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mitgeteilt. Gleiches gilt bei Anhaltspunkten für Verstöße gegen das Insiderhandelsverbot und das Verbot der Marktmanipulation.Der Betrieb eines MTF bedarf der Erlaubnis der BaFin. Dies bedeutet, ein MTF (bzw. sein Betreiber) unterfällt in vollem Umfang dem KWG. Daraus folgt, dass die entsprechenden Eigenmittelanforderungen eingehalten werden müssen, eine vorschriftsmäßige interne Organisation vorzuhalten ist und die Geschäftsleitung entsprechend qualifiziert sein muss. MTF werden ausschließlich von der BaFin beaufsichtigt; die Börsenaufsichtsbehörden der Länder haben keine Zuständigkeiten. Das Verhältnis zu den Handelsteilnehmern an einem MTF wird privatrechtlich geregelt und nicht – wie bei den Börsen – öffentlich-rechtlich.Vergleicht man die für MTF mit den für die Börsen geltenden Regelungen, könnte zunächst der Eindruck entstehen, dass der Anlegerschutz nicht so intensiv und durchgängig sichergestellt ist wie bei einer Börse: Die Börsenaufsichtsbehörde hat z. B. Weisungsrechte gegenüber der Handelsüberwachungsstelle und kann über die Genehmigung der Börsenordnung u. U. Einflussmöglichkeiten aufsichtsrechtlicher Art geltend machen. Allerdings zeigt ein Blick auf die für die MTF geltenden Regelungen, dass auch hier ein aufsichtsrechtlich hoher Standard zu erreichen ist. Die Tatsache, dass z. B. die Regelungen über Zulassungen von Handelsteilnehmern und die Preisbildung an den MTF börsengesetzlichen Vorgaben genügen müssen, zeigen, dass in den Kernfunktionen für diese beiden Handelsplattformen gleiche Qualitätsstandards gelten sollen. Auch die anderen Regeln, die sich teilweise mit den börsenrechtlichen Regelungen vergleichen lassen, sollen sicherstellen, dass ein passender Anlegerschutz auch beim Handel an MTF gewährleistet ist. Adäquates InstrumentariumAuch das Aufsichtsinstrumentarium des WpHG und des KWG erscheint ausreichend. Die BaFin hat das Recht, Anordnungen zu treffen, um Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen zu unterbinden oder um Missstände in einem Institut zu verhindern oder zu beseitigen. Durch die Anzeige- und Meldevorschriften ist eine regelmäßige Information der Aufsicht über alle wesentlichen Entwicklungen sichergestellt. Trotz der unterschiedlichen Strukturen von MTF und Börsen kann man bei einer Analyse der jeweils geltenden aufsichtrechtlichen Bestimmungen davon ausgehen, dass der Anlegerschutz bei MTF die gleiche Qualität haben wird wie bei den Börsen. Die Vorschriften über die Ausgestaltung der MTF und das zur Verfügung stehende Aufsichtsinstrumentarium sind dazu geeignet, einen mit den Börsen vergleichbaren Anlegerschutz zu gewährleisten. *) Heinz Günter Laun ist Rechtsanwalt bei Jones Day in Frankfurt.