"Anleihen asiatischer Schwellenländer stehen im Fokus der Anleger"
Investoren halten sich wegen der Staatsschuldenkrise mit Neuengagements vielfach zurück. Die Zuflüsse bei den Fonds kommen in erster Linie von institutionellen Anlegern. Im Interview der Börsen-Zeitung beschreibt Matthias Schellenberg, Chef der ING Investment Management in Europa und Lateinamerika, welche Fonds derzeit bei den Anlegern auf Interesse stoßen.- Herr Schellenberg, wie verhalten sich Ihre Anleger in Zeiten der Konjunkturunsicherheit und Staatsschuldenkrise?Wir müssen zwischen dem Verhalten von privaten Investoren (Retail) und professionellen Anlegern, das heißt institutionellen Investoren, unterscheiden. Erstere haben sich tatsächlich aufgrund der mit der Staatsschuldenkrise verbundenen Unsicherheiten aus Investments in Anleihen und Aktien teilweise zurückgezogen, häufig zugunsten von Spareinlagen und beziehungsweise oder Investitionen in Immobilien und andere Sachwerte. Für institutionelle Investoren ist dies aufgrund ihres Mandates und des regulatorischen Rahmens keine Option. Hier sind die Anleger, besonders Versicherungen und andere Einrichtungen der Altersvorsorge als wesentliche Kapitalsammelbecken, wie schon in den letzten Jahren mit einem Umfeld sehr niedriger Zinsen konfrontiert. Dies hat sich durch die Staatsschuldenkrise noch zusätzlich verschärft. Dem gegenüber stehen Verpflichtungen beziehungsweise Garantien für bestehende Verträge, deren Erfüllung die Versicherer in einem solchen Umfeld langfristig vor große Herausforderungen stellt.- In welchen Fonds verzeichnen Sie noch Investoreninteresse?Bei diesem “Search for Yield” sind es besonders Anleihefonds von Schwellenländern, die zunehmend in den Fokus von Anlegern gerückt sind – dies sowohl im Bereich Hartwährungen wie Dollar und Euro als auch stark wachsend in Anleihen in lokaler Währung dieser Länder, vornehmlich in Asien und Lateinamerika. Vor allem Anleihen asiatischer Schwellenländer, und zunehmend auch regionaler Unternehmen, stehen seit Jahresanfang dabei im Fokus unserer Anleger. Als globaler Asset Manager sind wir zum einen vor Ort präsent in diesen Märkten, gleichzeitig bieten wir auch lokale Expertise für unsere Kunden. Gerade in einem Umfeld sich verschärfender Regulierung- beispielsweise Solvency II – ist es uns wichtig, dass wir unseren Kunden hier vor Ort passgenaue Lösungen mit dem dazugehörigen Reporting liefern können.- Ist das Risiko von Schwellenländeranleihen nicht sehr hoch?Bei Betrachtung des Risiko- und Ertragsprofils im Bereich von Anleihen im Universum von Schwellenländern muss man vier Subsegmente unterscheiden: Zum einen sind das Staatsanleihen in Fremdwährung wie Dollar oder Euro – auch Hard Currency (HC) genannt -, zum anderen Anleihen, die in Lokalwährung beziehungsweise Local Currency (LC) des jeweiligen Emittenten denominiert sind. Daneben sind Unternehmensanleihen sowohl in Fremd- als auch in lokaler Währung zu betrachten. Sehen wir uns exemplarisch die Kreditqualität im Bereich Schwellenländeranleihen an, so reicht diese von “A -” beim Geldmarktindex bis zu “BBB -” bei Staatsanleihen. Im HC-Staatsanleihenindex sind circa 55 %, im HC-Unternehmensanleihenindex circa 70 % Investment-Grade-Titel vertreten. Auch im Lokalwährungsbereich liegen die durchschnittlichen Index-Ratings im Investment-Grade-Bereich. Die Volatilität im Bereich Schwellenländeranleihen liegt zwischen 8 bis 12 %; dies, verbunden mit sehr guten Diversifikationsmöglichkeiten innerhalb des Segments sowie zu anderen Anlageklassen, hat dazu geführt, dass der Bereich Emerging Markets Debt in den letzten Jahren die meisten anderen Anlageklassen bei der risikoadjustierten Performance hinter sich gelassen hat.- Ist das Risikomanagement mit dem bei Aktien vergleichbar?Sicherlich unterscheidet sich das Risikomanagement von Anleihenfonds von dem von Aktien. Für unsere Strategien im Bereich Emerging Markets Debt gilt ein dreistufiger Risikomanagement-Prozess. Auf Portfoliomanagement-Ebene werden Risiken auf Länderebene und bei Firmenanleihen permanent beobachtet, in einem Scoring-Modell bewertet und in regelmäßigen Besprechungen im Portfoliomanagement analysiert. Hier kommt auch besonders unsere lokale Expertise zum Tragen. Bei Firmenanleihen steht das Corporate Audit im Mittelpunkt; dabei gilt der Grundsatz, dass wir nicht in Papiere investieren, wenn wir keinen Zugang zum Finanzvorstand haben. Auf der zweiten Stufe werden alle Anlagen beziehungsweise Portfolios unabhängig vom Portfoliomanagement im Bereich Risikocontrolling im Hinblick auf Risikoparameter und Anlagerichtlinien permanent überprüft. Darüber hinaus stehen dem Chief Investment Officer (CIO) und Managementteam Informationen zur Verfügung, die, unabhängig vom Front Office, unterschiedliche Szenarioanalysen sowohl auf Einzelportfolio- als auch auf aggregierter Ebene darstellen.- Welche Anlegergruppen interessieren sich vor allem für die Schwellenländer-Bond-Fonds?Schwellenländeranleihen sind schon seit einigen Jahren stärker in den Fokus der Anleger gerückt. Auch in Deutschland sind es institutionelle Anleger, gerade Versicherungen und andere Einrichtungen der Altersvorsorge, die in Emerging Markets Debt investieren. Hier ist es wichtig, dass die Portfolien beziehungsweise Anlagerichtlinien auf die regulatorischen Anforderungen und die individuellen Vorgaben des Investors zugeschnitten sind. Durch Solvency II kommen hier auf den Asset Manager sowohl im Portfoliomanagement als auch im Rahmen des Reporting zusätzliche Anforderungen zu. Wir sind hier in der Lage, durch unsere lokale Präsenz sowohl im Rahmen des Portfoliomanagements als auch bei unseren Kunden passgenaue Lösungen liefern zu können. Neben dem Bereich Schwellenländeranleihen und zum Beispiel High Yield sind es zunehmend auch “senior” besicherte Unternehmenskredite, sogenannte Senior Loans, die bei institutionellen Kunden auf großes Interesse stoßen. Im Unterschied zum bekannten Unternehmensanleihensektor weisen sie durch eine variable Verzinsung über einen Referenzzinssatz eine sehr kurze Duration auf. Darüber hinaus bieten sie aufgrund ihrer Besicherung niedrigere Ausfallraten; Charakteristika, die gerade in einem Umfeld niedriger Zinsen sehr interessant sind.- Die Wertpapierleihe steht in der Kritik. Gibt es bei Ihnen Regeln, wie hoch der Portfolioanteil sein darf, der verliehen werden kann, und welche Collaterals akzeptiert werden?ING Investment Management (ING IM) hält sich im Hinblick auf Sicherheitsleistungen an konservative Vorgaben und akzeptiert lediglich Staatsanleihen der G 10-Staaten (außer Japan und Italien) sowie Bargeld. Die zur Besicherung angedienten Vermögenswerte enthalten auch einen Sicherheitsabschlag (also einen über dem Marktwert der Kreditposition liegenden Prozentsatz). Die Einhaltung dieser Vorgaben wird täglich überwacht und gesteuert, vorbehaltlich etwaiger Änderungen.- Veröffentlichen Sie die Wertpapierleihetransaktionen?Aktuell informieren wir über den Wert der Kreditpositionen sowie der Sicherheitsleistungen in unseren Geschäftsberichten. Um unsere Transparenz noch weiter zu erhöhen, prüfen wir derzeit, inwieweit wir häufiger und umfassender Bericht erstatten können.- ING IM wird in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, obwohl Sie mehr Anlegergelder verwalten als beispielsweise die DWS. Streben Sie zukünftig eine höhere Popularität an?Wir fokussieren uns bei unseren Zielgruppen auf den Wholesale- und institutionellen Bereich. Bei dieser Anlegerschaft werden wir sehr wohl mit unserer Expertise und Produktpalette gerade im Fixed-Income-Bereich, insbesondere Emerging Markets Debt, High Yield und Asian Debt, und als erfahrener SeniorLoans-Spezialist mit über 25 Jahren Track Record wahrgenommen. Wir sind in Deutschland erst seit 2007 als Niederlassung mit Schwerpunkt Vertrieb, Client Servicing und Marketing im Frankfurter Westhafentower präsent; damals noch mit mir als Geschäftsführer. Unser Fokus liegt auf dem institutionellen Markt, das heißt Spezialfondsmandate, die auf individuelle Kundenwünsche beziehungsweise regulatorische/rechtliche Vorgaben zugeschnitten sind. Bei unseren Kunden handelt es sich um Pensionsfonds, Pensionskassen, Versicherer, Versorger, kirchliche Einrichtungen und Dax-Unternehmen, im Wholesale-Bereich sind es Banken und Dachfondsmanager. ING IM unterstützt diese Kundengruppen bei der Erfüllung immer komplexer werdender Anforderungen beim Kapitalanlage- und Risikomanagement. Insbesondere die verpflichtungsorientierte Kapitalanlage in volatilen Finanzmärkten und neue europäische Regulierungen (etwa Solvency II) führen zu neuen Herausforderungen für deren bestehende Geschäftsmodelle. Das mag einer der Gründe sein, warum man ING Investment Management weniger in der breiten Öffentlichkeit wahrnimmt. In rein institutionellen Fachpublikationen etwa sind wir regelmäßig mit White Papers, Artikeln und in Form von Round Tables zu aktuellen Themen präsent. Natürlich freuen wir uns, wenn unsere Unternehmensmarke an Popularität gewinnt, aber das ist mehr eine Frage der Zielgruppenbestimmung. Für den Bekanntheitsgrad einer Marke im klassischen Retail-Geschäft ist selbstverständlich auch die Höhe des Marketing-Budgets entscheidend, auch wenn sich das in Zukunft in Richtung Social Media/Web 2.0 hin verändern wird. Das wird ein gewaltiges Umdenken hinsichtlich der zukünftigen Kanäle für eine erfolgreiche Markenstrategie erfordern.- Wie sieht die Strategie der ING in Deutschland und Europa aus?Zukünftig wird ING Investment Management unter dem Versicherungsdach der ING Group, der ING Insurance, möglicherweise unter einer neuen Marke und neuem Namen firmieren. In Deutschland werden wir unsere institutionellen Mandate weiterhin ausbauen. Wir werden Produkte im Rentenbereich, die zu einem regulativen Umfeld passen, wie zum Beispiel zu dem von Versicherern, anbieten. Auch im Bereich Loans, Finanzen und Projektfinanzierung werden wir verstärkt aktiv sein. Ein weiterer Fokus wird die Entwicklung von Client Solutions für deutsche Versicherungen und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung sein. Dazu setzen wir auf die globale Expertise unserer lokalen Teams. In Europa sind wir beispielsweise in 15 Ländern präsent. Neben hauseigenem Research und Analysen greifen wir auch auf globale Ressourcen und Risikomanagement zurück, um Anlegern ein breites Spektrum an Strategien, Anlagevehikeln und Finanzberatungsleistungen für alle wichtigen Anlageformen und Investmentstile zu bieten. In Skandinavien sind wir beispielsweise mit über 5 Mrd. Euro AuM einer der großen Player. Dabei steht neben dem institutionellen Geschäft die Entwicklung enger strategischer Partnerschaften im Fokus unserer Aktivitäten.- Welchen Fokus haben Sie bei den Produkten?Neben klassischen Fixed-Income-Produkten wie europäische und globale High-Yielder setzen wir auf Schuldtitel in lokaler und Hartwährung, auf Staatsanleihen und Unternehmen aus Schwellenländern, auf asiatische Unternehmensanleihen und auf die in Europa noch relativ unbekannte Anlageklasse Senior Loans. Im Aktienbereich konzentrieren wir uns insbesondere auf unsere langjährige Erfahrung im Bereich “High Dividend”. Den seit 1999 entwickelten Investmentansatz in verschiedenen Regionen (USA, Europa) haben wir zuletzt auch auf den Bereich “Emerging Markets” ausgedehnt. Abgerundet wird unser Leistungsspektrum durch Best-in-Class-Service. Um Investmentprodukte und -lösungen zu konzipieren, die den Bedürfnissen unserer Kunden entsprechen, setzen wir eigenes Research und Analytik, globale Ressourcen, Portfoliodiagnostik und Risikomanagement-Tools ein. Nach unserer Auffassung lässt sich dieses Ziel am besten über eine als Verbund hoch spezialisierter Finanz-Boutiquen strukturierte Investment-Plattform umsetzen, über die wir globale Ressourcen gemeinsam nutzen. —-Das Interview führte Armin Schmitz.