Argentinische Anleihen bleiben Thema für Gerichte
Von Stefan Rützel und Michael Christ *) Ein Ende der juristischen Auseinandersetzungen um argentinische Staatsanleihen ist auch nach Abschluss der Umschuldungsaktion aus dem Jahr 2005 nicht in Sicht. Zwar wurde das von Argentinien unterbreitete Umtauschangebot weltweit von mehr als 75 % der Gläubiger angenommen. Das Angebot sieht einen bisher beispiellosen Verzicht der Anleihegläubiger auf rund drei Viertel ihrer Forderungen vor. Diejenigen Anleger, die das Angebot Argentiniens nicht akzeptiert haben, haben nach wie vor Forderungen von rund 20 Mrd. US-Dollar gegen Argentinien. Argentinien beruft sich auf Staatsnotstand und hat zu erkennen gegeben, dass es diese Forderungen nicht bedienen wird. Vielen Gläubigern bleibt nur, ihre Forderungen gerichtlich durchzusetzen.Für nicht wenige der Anleihen sind die deutschen Gerichte zuständig. In einigen Verfahren waren Anleger erstinstanzlich vor dem Landgericht Frankfurt gegen die Republik Argentinien erfolgreich (vgl. Az. 2-21 O 294/02). Gegen diese Urteile wurde Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt eingelegt, das die Berufungsverfahren zunächst im Juli 2003 ausgesetzt hatte. Es hatte dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die Ansprüche der Anleihegläubiger bis zur Beendigung des von Argentinien erklärten Staatsnotstandes undurchsetzbar seien (Az. 8 U 52/03). Jüngst ist wieder Bewegung in diese Verfahren geraten. Mit Beschlüssen vom 16. Februar 2006 (Az. 8 U 107/03 und 8 U 109/02) hat das OLG entschieden, dass die ausgesetzten Berufungsverfahren fortgesetzt werden. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei für die ausgesetzten Verfahren nicht mehr vorgreiflich. Nach Ansicht des OLG könne sich Argentinien aufgrund der eingetretenen Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation nicht mehr auf einen angeblichen Staatsnotstand berufen. So habe der argentinische Staatspräsident Kirchner nach Abschluss der Umschuldungsaktion im Frühjahr 2005 die Zahlungsunfähigkeit seines Landes für überwunden erklärt. Zudem habe das Land zum Jahreswechsel 2005/2006 seine Schulden beim IWF von 9,9 Mrd. US-Dollar vorzeitig zurückgezahlt. Mit Urteil vom 13. Juni 2006 hat das OLG Frankfurt nun die Republik Argentinien verurteilt, an zwei Privatgläubiger Zinsen aus Staatsanleihen zu zahlen (Az. 8 U 107/03). Dieses Urteil wird maßgeblichen Einfluss auf die zahlreichen Parallelverfahren haben, die beim Amts-, Land- und Oberlandesgericht Frankfurt anhängig sind. Es ist davon auszugehen, dass Argentinien in allen diesen Verfahren unterliegen wird.Zudem ist damit zu rechnen, dass noch eine Vielzahl weiterer Klagen aus Argentinienanleihen erhoben werden. Für die Anleihegläubiger besteht noch dieses Jahr Handlungsbedarf, wollen sie nicht ihre Zinsansprüche aus den Anleihen zumindest teilweise verlieren. Nach den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen erlöschen Zinsansprüche aus Inhaberschuldverschreibungen bereits vier Jahre nach deren Fälligkeit. Diese Vierjahresfrist läuft im Hinblick auf Zinsansprüche, die im Jahre 2002 fällig geworden und aufgrund der Aussetzung des Auslandsschuldendienstes zu Beginn des Jahres 2002 nicht mehr bedient worden sind, am 31. Dezember 2006 ab.Die Erlöschenswirkung kann nur durch eine sogenannte “Vorlegung” der Zinsscheine bei der jeweiligen Zahlstelle oder durch gerichtliche Geltendmachung verhindert werden. Viele der Argentinien-Anleihen sind aber in Globalurkunden verbrieft, bei denen die Ausgabe von Einzelurkunden ausgeschlossen ist. Hierdurch ist die vom Gesetz geforderte physische “Vorlegung” der Zinsscheine praktisch undurchführbar oder jedenfalls mit erheblichen Schwierigkeiten und rechtlichen Risiken behaftet. Viele Anleihegläubiger werden vor diesem Hintergrund den Weg der gerichtlichen Geltendmachung ihrer Forderungen gehen (müssen), um nicht Gefahr zu laufen, ihre Zinsansprüche zu verlieren.*) Dr. Stefan Rützel ist Partner, Michael Christ Rechtsanwalt bei Gleiss Lutz in Frankfurt am Main.