RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: PETER HOLST

Auch ein Börsengang mit niedrigem Streubesitzanteil kann sich lohnen

Für Bekanntheitsgrad und zur Incentivierung - Doch geringe Liquidität in der Aktie

Auch ein Börsengang mit niedrigem Streubesitzanteil kann sich lohnen

– Herr Holst, bislang stellte ein ausreichender Streubesitz ein wesentliches Zulassungskriterium für einen Börsengang im Regulierten Markt dar. Als Faustregel dürfte vielen Kapitalmarktteilnehmern die 25 %-Formel geläufig sein. Gilt das noch?Die 25 %-Regel scheint sich bei vielen als zwingendes Kriterium im Gedächtnis festgesetzt zu haben. Jedoch lässt die Börsenzulassungsverordnung auch einen geringeren Prozentsatz genügen, wenn wegen der großen Zahl der im Streubesitz befindlichen Aktien ein ordnungsgemäßer Börsenhandel gewährleistet ist. In erster Linie geht es um die ausreichende Handelbarkeit, die Liquidität der Aktie.- Unter welchen Bedingungen akzeptiert die Börse auch niedrigere Streubesitzanteile?Ich kann nicht für die Deutsche Börse sprechen, aber nach meiner Erfahrung können auch 15 % oder im Einzelfall gar 10 % reichen, wenn die Börse die Überzeugung gewinnt, dass eine ausreichende Handelbarkeit der Aktien gegeben sein wird. Dies ist der Deutschen Börse allerdings im Börsenzulassungsverfahren gegenüber glaubhaft zu machen.- Könnten Sie Beispiele nennen?Ein aktueller Grenzfall ist sicherlich der Börsengang der Youbisheng Green Paper im Juli, bei dem bei einem bestehenden Stammkapital von 10 Millionen Aktien lediglich 217 705 neue Aktien emittiert wurden und damit laut den Mitteilungen ein Streubesitz von 11,4 % erzielt wurde. Ich vermute, dass hier Altaktionäre von Veräußerungsbeschränkungen befreit wurden, um auf diesen Prozentsatz zu kommen.- Welche Aktienpakete zählen zum Streubesitz?Hier wendet die Zulassungspraxis der Börse im Großen und Ganzen die Grundsätze an, die in ihrem Leitfaden Aktienindizes niedergelegt sind. Demnach zählen Aktienblöcke, die weniger als 5 % des Grundkapitals ausmachen und nicht für mehr als sechs Monate veräußerungsgesperrt sind. Aktien im Sondervermögen von Investmentfonds mit kurzfristiger Anlagestrategie zählen ebenfalls zum Free Float, solange sie nicht mehr als 25 % ausmachen.- Was ist beim Börsenzulassungsverfahren aus Sicht des Aspiranten insofern zu beachten?Wichtig erscheint mir vor allem eine offene Kommunikation mit der Zulassungsstelle der Börse. Denn diese prüft nicht nur das Vorliegen der formellen Voraussetzungen, sondern schaut sich auch nach dem IPO die Handelsvolumina in Aktien von Gesellschaften mit geringem Streubesitz an und zieht gegebenenfalls entsprechende Schlüsse für ihre Praxis.- Wie ist nach Ihrer Erfahrung das Echo potenzieller Emittenten auf die Möglichkeit eines Börsengangs mit geringem Streubesitz?Es gibt durchaus Gesellschaften, die sich für ein solches Vorgehen interessieren. Dies gilt insbesondere für Gesellschaften, für die das Finan zierungskriterium beim Börsengang zunächst gar nicht so sehr im Vordergrund steht, sondern andere Motive eine Rolle spielen. Hier geht es dann etwa um die Steigerung von Bekanntheitsgrad und Reputation der Gesellschaft, die Incentivierung des Managements oder darum, einem Großaktionär über die Börse den schrittweisen Ausstieg zu ermöglichen. Die Finanzierung mittels Kapitalerhöhung kann dann nachgeholt werden, sobald sich die Kapitalmarktlage verbessert hat.- Ist damit aber nicht auch die Liquidität in der Aktie für institutionelle Investoren viel zu gering?Natürlich ist nach wie vor die Liquidität eines der wesentlichen Qualitätsmerkmale einer Emission und entscheidend für den langfristigen Transaktionserfolg. Bei Börsengängen mit geringem prozentualen Free Float hängt dieser von der Gesamtzahl der in Streubesitz befindlichen Aktien und dem tatsächlichen Handel in diesen Aktien ab. Jedenfalls sollte der Streubesitz nicht nur auf dem Papier vorliegen, sondern sich auch im tatsächlichen Handelsvolumen widerspiegeln.- Geht es tatsächlich um mehr, als in diesen volatilen Zeiten doch wenigstens noch ein paar IPOs über die Runden zu bringen?Aus Kapitalmarktsicht sollte es aus den genannten Gründen nach wie vor darum gehen, nur Emissionen mit ausreichender Liquidität durchzuführen. Ist die Kapitalmarktlage allerdings dergestalt, dass mit einem Börsengang zwar nicht das Finanzierungsinteresse, aber möglicherweise die beschriebenen anderen Interessen einer Gesellschaft befriedigt werden können, so kann darüber nachgedacht werden, diesen dennoch – möglicherweise in abgespeckter Variante – durchzuführen. Zu gering sollten Streubesitz, Liquidität und Handelsvolumen allerdings nicht sein. Und: Die Transaktionsstruktur muss am Kapitalmarkt transparent kommuniziert werden.—-Peter Holst ist Rechtsanwalt bei Ashurst in Frankfurt. Die Fragen stellte Walther Becker.