Recht und Kapitalmarkt

Auktionen können Übernahmen in Schwung bringen

Deutscher Gesetzgeber sollte zügig über klare Regelungen für konkurrierende Angebote nachdenken - Vorbild Großbritannien?

Auktionen können Übernahmen in Schwung bringen

Von Tobias Böckmann *) Im gegenwärtig guten Klima für Unternehmensübernahmen scheint es nach dem jüngsten Bieterwettstreit um die Techem AG nur eine Frage der Zeit zu sein, wann es in Deutschland erneut zu einer Schlacht konkurrierender Bieter um ein börsennotiertes Unternehmen kommen wird. Von den im Zuge einer Bieterschlacht steigenden Angeboten profitieren die Aktionäre. Bei der Zielgesellschaft löst die Aussicht auf einen längeren Bieterwettstreit dagegen nicht immer Begeisterung aus, denn ihr Vorstand ist in seinen Kompetenzen während der Dauer des Übernahmeverfahrens beschränkt. Auch die Geschäftspartner warten häufig den Ausgang des Übernahmeverfahrens ab, bevor sie weitere Aufträge tätigen. Zudem werden die Ressourcen der Zielgesellschaft in Anspruch genommen. ZeitfrageBei öffentlichen Unternehmensübernahmen besteht daher das europarechtlich manifestierte Gebot, die Zielgesellschaft durch Übernahmeangebote nicht über einen angemessenen Zeitraum hinaus zu behindern. Zum Schutz der Zielgesellschaft darf sich das Übernahmeverfahren nicht unangemessen in die Länge ziehen. Dieses Interesse steht wiederum in einem gewissen Spannungsverhältnis zum ebenfalls europarechtlich gebotenen – auch zeitlichen – Schutz der Entscheidungsfreiheit der Aktionäre, ein öffentliches Angebot anzunehmen.Die jüngst beendete Bieterschlacht zwischen der indischen Tata Steel und der brasilianischen Companhia Siderúrgica Nacional (CSN) um den britisch-niederländischen Stahlhersteller Corus zeigt eine außergewöhnliche Lösung dieses Problems im britischen Übernahmerecht auf. Begonnen hatte die Bieterschlacht am 20. Oktober 2006 mit einem Angebot von Tata Steel, das am 10. Dezember 2006 nachgebessert wurde. Schon einen Tag später überbot CSN dieses Angebot. Daraufhin setzte das britische Takeover Panel, die zuständige Stelle zur Regelung und Überwachung britischer Übernahmeverfahren, nach Absprache mit den Bietern den 30. Januar 2007 als letzten Tag für die Bekanntgabe revidierter Angebote für Corus fest. Als dieser Termin ohne die Abgabe eines finalen Angebotes durch einen der beiden Kontrahenten näher rückte, ordnete das Takeover Panel – wiederum in Abstimmung mit den Bietern – vier Tage vor dem Ablauf der Frist die Durchführung eines Auktionsverfahrens an, mit dem der Bieterwettstreit einem Ende zugeführt wurde. Nach einem wenige Stunden dauernden Bietverfahren stand Tata Steel am 31. Januar 2007 endgültig als höchster Bieter fest. Das letzte Gebot lag um mehr als ein Drittel über dem von Tata Steel ursprünglich gebotenen Preis. Verschiedene MeinungenDas deutsche Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) enthält im Falle konkurrierender Angebote keine klare Regelung im Hinblick auf eine Maximaldauer des Übernahmeverfahrens. Ob es den beteiligten Bietern ein Verbot auferlegt, ihr Angebot beliebig oft zu ändern, oder ob es einen Bieter bei Änderung seines Angebots bestimmten zeitlichen Schranken unterwirft, ist in der Konstellation konkurrierender Angebote nicht in allen denkbaren Varianten eindeutig geklärt. Jedenfalls nach der im juristischen Schrifttum wohl überwiegenden Meinung ist in der derzeit geltenden gesetzlichen Regelung die Möglichkeit angelegt, durch fortlaufende wechselseitige konkurrierende Angebote die Annahmefrist für die Aktionäre erheblich – theoretisch unbeschränkt – in die Länge zu ziehen. Andere Stimmen vertreten dagegen, dass schon nach geltendem Recht eine zeitliche Änderungssperre im Falle konkurrierender Angebote besteht. So solle in den letzten zwei Wochen vor Ablauf der Angebotsfrist für das konkurrierende Angebot ein Änderungsverbot für erstes und konkurrierendes Angebot gelten, weil nur eine feste zeitliche Grenze einen effektiven Schutz der Zielgesellschaft biete. Ein Nachteil dieser Lösung ist aber, dass den Aktionären unter Umständen nicht der bestmögliche Preis geboten wird und im Einzelfall nicht das beste Angebot, sondern das taktische Geschick den Bieterwettstreit entscheidet. MissbrauchsaufsichtIm Falle eines scharf geführten Bieterwettstreits, wie er jüngst bei der Übernahme von Schering zwischen Bayer und Merck zu beobachten war, kann nach geltendem Recht nicht ausgeschlossen werden, dass es zu einer unangemessen langen Dauer des Übernahmeverfahrens und damit zu einer Blockade oder gar einer Schädigung des Zielunternehmens kommt. Die Möglichkeiten der zuständigen Aufsichtsbehörde BaFin zum Einschreiten sind begrenzt. Bei offensichtlichen Verstößen gegen das WpÜG kann sie ein Angebot untersagen. Abseits der Untersagung stehen die Eingriffsbefugnisse bereits auf juristisch wackligeren Füßen. Erwägenswert ist, als präventives Mittel zur Steuerung der Verfahrensdauer das Instrument einer allgemeinen Missbrauchsaufsicht einzusetzen. So könnte die BaFin vorbeugend allen Missständen entgegenwirken, welche die ordnungsgemäße Durchführung des Übernahmeverfahrens beeinträchtigen. Zur ordnungsgemäßen Durchführung eines Übernahmeangebots gehört auch die Beschleunigung des Verfahrens, die in erster Linie im Interesse der Zielgesellschaft steht. Aber auch für den Bieter kann es wünschenswert sein, möglichst schnell Klarheit über Erfolg oder Misserfolg seines Angebots zu erlangen und nicht Opfer der Taktik seiner Mitbieter zu werden. So wird die BaFin missbräuchliche konkurrierende Angebote, die offensichtlich nur dem Zweck dienen, das Verfahren in die Länge zu ziehen, untersagen können. Auch in anderen, hinter einem Missbrauch zurückbleibenden Fällen ist jedoch eine Anordnung der BaFin denkbar. Dabei kommt ihr ein weitreichender Ermessensspielraum hinsichtlich des Ob und Wie zu. Bei mehreren gleich geeigneten Mitteln ist sie verpflichtet, die in den Belastungswirkungen mildeste Anordnung zu treffen. Dabei sind die Interessen aller Akteure, also der Zielgesellschaft, ihrer Aktionäre sowie der Bieter zu beachten. Ein Auktionsverfahren nach britischem Vorbild beeinträchtigt die Interessen insbesondere der Bieter aber insoweit, als der Zeitraum zur Prüfung der Abgabe einer weiteren Angebotsänderung drastisch verkürzt wird. Andererseits können die Bieter im Rahmen der Auktion ihre verbindlichen maximalen Angebote austauschen und so Sicherheit erlangen. Dennoch wird man der BaFin die Befugnis zur Empfehlung eines Auktionsverfahrens oder zu einer diesbezüglichen Einigung mit den Parteien, wie sie anlässlich des Übernahmeverfahrens um Corus erfolgte, nach deutschem Recht einräumen können. Unter Umständen wird man der Zielgesellschaft, die sich einer unangemessen lange andauernden Bieterschlacht ausgesetzt sieht, sogar einen Anspruch auf Tätigwerden der BaFin zusprechen müssen. Einseitige AnordnungSollten die Bieter hierauf nicht eingehen, könnte auch die einseitige Anordnung eines Auktionsverfahrens gegenüber einer völligen Untersagung weiterer Angebote durchaus vorzugswürdig sein. Denn durch eine Auktion werden neben den Interessen der Bieter auch die des Zielunternehmens und seiner Aktionäre so weit wie möglich gewahrt: Der Belastung des Zielunternehmens wird eine zeitlich klare Grenze gezogen. Die Aktionäre erhalten einen unter Umständen höheren Preis pro Aktie, als dies bei einer Untersagung weiterer Angebotsänderungen der Fall gewesen wäre. Sie erhalten nach Abschluss der Auktion einen ausreichend langen Zeitraum, um über die Annahme eines Angebots zu entscheiden. Dagegen würde die Untersagung weiterer Angebote zwar die Behinderung des Zielunternehmens beseitigen, die Interessen der Bieter sowie der Aktionäre aber nur begrenzt wahren. Trotz dieser Erwägungen besteht nach deutschem Recht derzeit auch mit dem Instrument der allgemeinen Missbrauchsaufsicht keine Rechtsgrundlage für die einseitige Anordnung eines Auktionsverfahrens. Bevor lang andauernde Übernahmeschlachten vermehrt auch in Deutschland Einzug halten, sollte der Gesetzgeber zügig über eine klare Regelung der damit verbundenen Problemkreise, vielleicht sogar über ein Auktionsverfahren nach britischem Vorbild nachdenken. Eine solche Regelung könnte vielleicht schon in naher Zukunft praktische Relevanz erlangen. *) Dr. Tobias Böckmann ist Rechtsanwalt bei Lovells in Düsseldorf.