Recht und Kapitalmarkt

BaFin konkretisiert Stimmrechtsmitteilungen

Aufsichtsbehörde überarbeitet Emittentenleitfaden - Kein voller Durchblick im Dickicht des Wertpapierhandelsgesetzes

BaFin konkretisiert Stimmrechtsmitteilungen

Von Karsten Müller-Eising und Arno Glöckner *) Nicht immer ist es für börsennotierte Unternehmen und Emittenten anderer zum Börsenhandel zugelassener Wertpapiere leicht, sich im wachsenden Dickicht der kapitalmarktrechtlichen Regelungen zurechtzufinden. Die umfassenden Pflichten sind hauptsächlich im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und den dazu erlassenen Verordnungen normiert. 2005 hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als zuständige Aufsichtsbehörde daher erstmals ihren Emittentenleitfaden veröffentlicht. Seitdem gab es zahlreiche gesetzliche Neuregelungen. Die BaFin hat deswegen nun Änderungen des Emittentenleitfadens im Entwurf veröffentlicht und bis einschließlich Januar 2009 zur Diskussion gestellt. Neue GesetzeZu den angesprochenen Gesetzesänderungen gehört unter anderem das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG) wie auch das jüngst in Kraft getretene Risikobegrenzungsgesetz. Darüber hinaus sollen der Stand der Rechtsprechung und die neuere Verwaltungspraxis der BaFin berücksichtigt werden. Von den bisher insgesamt sieben Kapiteln des Leitfadens wurden die drei Kapitel zu den Themen Ad-hoc-Publizität, Directors’ Dealings und Insiderverzeichnisse überarbeitet. Sechs Kapitel kommen neu hinzu, die die Informationen über bedeutende Stimmrechtsanteile, notwendige Informationen über die Wahrung von Rechten aus Wertpapieren, die Überwachung von Unternehmensabschlüssen, die Zusammenarbeit der BaFin mit anderen in- und ausländischen Stellen im Rahmen des Enforcement-Verfahrens, den Rechtsschutz gegen Maßnahmen der BaFin im Enforcement-Verfahren und die Pflicht zur Finanzberichterstattung betreffen. Von den neu geschaffenen Kapiteln dürfte insbesondere das Kapitel zu Stimmrechtsmitteilungen nach den §§ 21 ff. WpHG für die Praxis von hohem Interesse sein. Verstöße gegen diese Vorschriften können von der BaFin als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Im Rahmen des Risikobegrenzungsgesetzes haben diese Mitteilungspflichten zudem auf zivilrechtlicher Ebene eine besondere Aufwertung erfahren. Nunmehr können vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzungen der Mitteilungspflichten einen Stimmrechtsverlust nach sich ziehen, der auch noch sechs Monate nach der Berichtigung einer falschen bzw. Nachholung einer unterlassenen Mitteilung fortwirkt. Wie auch sonst im Leitfaden ergibt sich vieles des Dargestellten bereits ohne Weiteres aus den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen und ist juristisch unumstritten. Hiervon weichen insbesondere zwei der geplanten Neuerungen des Leitfadens zu den Stimmrechtsmitteilungen ab:Zum einen vertritt die BaFin die Auffassung, dass Formwechsel wie auch Umfirmierung oder Namensänderung nicht zur Abgabe einer (erneuten) Stimmrechtsmitteilung verpflichten, wenn die Gesellschaft Stimmrechte im meldepflichtigen Umfang hält. Damit stellt sich die BaFin gegen die gegenteilige, vom Landgericht Köln geäußerte Auffassung. Keine RechtssicherheitViel mag dafür sprechen, dass die Rechtsauffassung der BaFin vorzugswürdig ist. Endgültige Rechtssicherheit schafft die Vorgabe der BaFin für Meldepflichtige jedoch nicht. Zwar entfaltet der Emittentenleitfaden wohl zunächst eine jedenfalls faktische Bindungswirkung für die BaFin selbst. Die über den Stimmrechtsausschluss entscheidenden Zivilgerichte sind durch die Verlautbarungen der BaFin hingegen unzweifelhaft nicht gebunden und können mithin auch anders entscheiden.Zum anderen fordert die BaFin eine einschränkende Auslegung des § 17 Abs. 4 der Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung (WpAIV). Nach der Vorschrift ist bei der Berechnung der zu meldenden Stimmrechtsanteile die letzte vom Unternehmen nach § 26 a WpHG veröffentlichte Gesamtzahl der Stimmrechte zugrunde zu legen. Laut BaFin darf auf diese Meldung nur abgestellt werden, wenn sich zwischenzeitlich keine Änderung der Gesamtstimmrechtszahl ergeben hat. Gegebenenfalls seien die tatsächlichen Zahlen vom Meldepflichtigen beim Emittenten zu erfragen. Meldungen nach § 26 a WpHG müssen stets erst zum Monatsende erfolgen. Somit können zwischenzeitliche Änderungen nie ausgeschlossen werden. Im Ergebnis kann sich ein Meldepflichtiger mithin – entgegen der Intention des § 17 Abs. 4 WpAIV – nie auf die Meldung nach § 26 a WpHG verlassen, sondern müsste immer beim Emittenten nachfragen, will er sich nicht der Gefahr aussetzen, dass seine Stimmrechtsmitteilung von der BaFin als fehlerhaft beurteilt wird. Hinsichtlich der ad-hoc-pflichtigen Tatsachen betont die BaFin unverändert, dass auch Prognosen nach § 15 WpHG veröffentlichungspflichtig sein können, wenn das prognostizierte Ereignis hinreichend wahrscheinlich ist. Abweichende Markterwartungen in der Folgezeit sollen aber keine neue Ad-hoc-Pflicht begründen, soweit der Emittent seine Prognose beibehält. Hierzu ergänzt die BaFin nun einschränkend, dass dies nur gilt, wenn sich Markterwartung und Prognose auf den gleichen Zeitraum beziehen. Hält der Emittent an seiner veröffentlichten Jahresprognose fest, weichen aber unterjährige Geschäftszahlen von der Markterwartung ab, können diese Ergebnisse ad-hoc-pflichtig sein, auch wenn sie sich im Rahmen der Jahresprognose bewegen. Große Aufmerksamkeit widmet die BaFin der Befreiung von einer grundsätzlich bestehenden Mitteilungspflicht nach § 15 Abs. 3 WpHG. Nach § 15 Abs. 3 WpHG ist ein Emittent von der Ad-hoc-Pflicht so lange befreit, wie es der Schutz seiner berechtigten Interessen erfordert, keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und der Emittent die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleisten kann. Die BaFin weist nun nachdrücklich darauf hin, dass, anders als es der Gesetzeswortlaut zunächst vermuten lässt, die Befreiung ausdrücklich, regelmäßig durch Beschluss des geschäftsführenden Organs des Emittenten, in Anspruch genommen werden muss und keinesfalls automatisch erfolgt. Da die Befreiung unverzüglich zu erfolgen habe, reiche es außerdem nicht aus, die nächste turnusmäßige Sitzung abzuwarten. Hinsichtlich des Merkmals “keine Irreführung der Öffentlichkeit” hält die BaFin eine “no comment policy” für zulässig. Dies soll auch gelten, wenn bereits Gerüchte in Umlauf sind, die aber nicht aus der Sphäre des Emittenten stammen. Stellung nimmt die BaFin auch zum Verhältnis des WpHG zu den Börsenordnungen. Für einige Marktsegmente sehen die Börsenordnungen vor, dass Ad-hoc-Mitteilungen gleichzeitig in deutscher und englischer Sprache zu veröffentlichen sind. Hierzu stellt die BaFin fest, dass eine Übersetzung der Ad-hoc-Mitteilung keine Rechtfertigung für eine verzögerte Veröffentlichung der grundsätzlich in deutscher Sprache zu veröffentlichenden Ad-hoc-Mitteilung sei. Die Frage, wie damit im Rahmen von Dual Listings, die auch im Ausland eine sofortige englische Veröffentlichung vorsehen, umgegangen werden soll, bleibt offen. Hier erscheint es dringend geboten, dass die BaFin für die Übersetzung eine angemessen kurze Karenzzeit gewährt, solange die Vertraulichkeit gewahrt bleibt, wie dies etwa auch für die Einschaltung eines Anwalts gilt. Ohne BindungswirkungIn seiner aktualisierten Fassung wird der Emittentenleitfaden wieder ein hilfreiches Arbeitsmittel für Emittenten und andere nach dem WpHG Verpflichtete sein, um einen Überblick über die einschlägigen Regelungen in konsolidierter Form zu erhalten. Nach den umfangreichen gesetzlichen Neuerungen seit dem Erscheinen des Leitfadens Mitte 2005 war eine Überarbeitung dringend notwendig. Daneben macht der Emittentenleitfaden Entscheidungen der BaFin vorhersehbarer. Weder für die Verwaltungsgerichte noch für die Zivilgerichte entfaltet der Leitfaden jedoch Bindungswirkung. Eine abschließende Lösung aller relevanten Rechtsfragen im WpHG bietet der Emittentenleitfaden mithin nicht. *) Dr. Karsten Müller-Eising ist Partner und Arno Glöckner ist Rechtsanwalt im Frankfurter Büro von Lovells LLP.