Bandbreite an Neuerungen für Sanierungsverfahren
Von Patrick Ehret *)Seit der Zustimmung des EU-Parlaments am 28. März 2019 steht fest: Die EU-Richtlinie zum Restrukturierungsrahmen kommt und muss vom deutschen Gesetzgeber innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden. Finanzgläubiger – allen voran Banken – sollten die Zeit bis dahin nutzen, sich mit dem neuen Verfahren vertraut zu machen.Die größte Neuerung ist, dass mit dem Restrukturierungsrahmen künftig auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens eine dissentierende Gläubigerminderheit überstimmt und ein Restrukturierungskonzept allgemein verbindlich durchgesetzt werden kann. Bis dato war das nur im Rahmen des Schuldverschreibungsgesetzes möglich.Es kommt daher durch die EU-Richtlinie zu einer partiellen Verschiebung bei der Gläubigerfokussierung des deutschen Rechts. Eine Verschiebung, von der aber nicht nur die Schuldner, sondern durchaus auch die Gläubiger profitieren können – etwa, wenn einzelne Gläubiger nicht mehr querschießen können und eine Insolvenz so vermieden werden kann. Zustimmung gewünschtDass die Gläubiger einen Restrukturierungsplan annehmen, um die Insolvenz des Schuldners abzuwenden, ist das erklärte Ziel des Restrukturierungsrahmens. An der Abstimmung über den Restrukturierungsplan werden jedoch nur die betroffenen Gläubiger beteiligt – eingeteilt in homogene Klassen unterschieden zwischen gesicherten und ungesicherten Gläubigern. Die notwendige Zustimmungsquote liegt künftig bei maximal 75 %. Ein mehrheitlich beschlossener Restrukturierungsplan wird für alle Gläubiger verbindlich – allerdings erst nach gerichtlicher Prüfung und Bestätigung. Das Gericht kann einen Restrukturierungsplan bestätigen, wenn einzelne Gläubigerklassen nicht zugestimmt haben, sofern deren Rechte nicht unangemessen beeinträchtigt werden Darüber hinaus können Anteilseigner überstimmt werden, wenn in ihre Rechte eingegriffen wird und die Annahme des Plans an ihrem Widerstand zu scheitern droht. MoratoriumZur Unterstützung der Sanierungsbemühungen können im Rahmen des neuen Verfahrens Durchsetzungsmaßnahmen ausgesetzt werden – eine Neuerung, die Finanzgläubiger ebenfalls im Blick haben sollten. Ein solches Moratorium darf in einem ersten Schritt nicht länger als vier Monate andauern und kann einzelne oder alle Gläubiger betreffen. Eine Verlängerung kann bei substanziellen Fortschritten bei der Sanierung auch auf bis zu ein Jahr erfolgen, allerdings ausschließlich nach gerichtlicher Prüfung. Bei einem allgemeinen Vollstreckungsstopp muss darüber hinaus ein Restrukturierungsbeauftragter zur Missbrauchskontrolle eingesetzt werden.Hinzu kommt, dass die EU-Richtlinie grundsätzlich vorsieht, dass Gläubiger während des Moratoriums keine Anträge auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners stellen können. Allerdings kann jeder Mitgliedstaat diese Grundregel individuell anpassen. Es ist daher davon auszugehen, dass in Deutschland aufgrund der generell gläubigerfreundlichen Ausrichtung des deutschen Rechts auch im Rahmen eines Moratoriums im vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Fremdanträge möglich sind.Ebenfalls individuell festlegen können die einzelnen Mitgliedstaaten die Regelungen zum sogenannten Cross-Class Cram-Down. Interessant wird für Banken die Antwort auf die Frage sein, ob der Cross-Class Cram-Down im deutschen Recht so umgesetzt wird, dass er wie von der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) – dem Dachverband der deutschen Banken und Sparkassen – gefordert nur für gesellschafterähnliche Gläubiger gilt. Ansonsten besteht nach Einschätzung der Deutschen Kreditwirtschaft das Risiko, dass sich Unternehmen zulasten der Kreditgeber entschulden. Die Uhr ticktIm Auge haben sollten Banken zudem die Entwicklung bei der sogenannten Absolute Priority Rule. Wahrscheinlich wird der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht auf diese Regel setzen. Sie besagt, dass zunächst Forderungen der bevorrechtigten Gläubiger vor denen nachrangiger Geldgeber befriedigt werden.Besonders geschützt werden im vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren zudem Finanzierungsmaßnahmen, Fresh Money und Zahlungen im Zusammenhang mit dem Verfahren behandelt. Solche Zahlungen sind somit von der Insolvenzanfechtung oder einer Haftung ausgenommen.Es zeigt sich, dass das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren für Finanzgläubiger eine große Bandbreite an Neuerungen bereithält. Umso wichtiger ist es, sich frühzeitig damit zu befassen, die Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber genau zu beobachten, um 2021 startklar zu sein. *) Patrick Ehret ist Partner von Schultze & Braun.