Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Klaus-Peter Naumann

Banken können Auslegung des IDW zu IAS 39 für drittes Quartal nutzen

Wirtschaftsprüfer machen Weg für Discounted-Cash-flow-Modelle frei

Banken können Auslegung des IDW zu IAS 39 für drittes Quartal nutzen

– Herr Prof. Naumann, in Banken herrscht Unsicherheit, in welchen Fällen die Discounted-Cash-flow-Methode zur Bewertung von Finanzinstrumenten verwendet werden darf. Gibt der Bilanzstandard IAS 39 hier keine klaren Vorgaben?Derzeit wird die Frage diskutiert, wie der Fair Value ermittelt werden kann, wenn keine aktiven Märkte mehr bestehen und der Fair Value damit nicht mehr unmittelbar aus am Markt beobachtbaren Transaktionspreisen abgeleitet werden kann. In diesem Fall sieht IAS 39 ausdrücklich den Übergang von einer Transaktionspreis orientierten zu einer Modellbewertung vor. IAS 39 enthält indessen keine weiteren Ausführungen zu den Voraussetzungen einer solchen Modellbewertung und zur Annahme hierfür relevanter Bewertungsparameter. – In welchem Szenario dürfen Staats-, Unternehmens- und Bankanleihen erstklassiger Bonität nach Discounted-Cash-flow-Verfahren bewertet werden?Für Staats-, Unternehmens- und Bankanleihen gelten dieselben Kriterien wie für andere Finanzinstrumente. – Welche Kriterien zeigen eine Marktverzerrung an?Als Indikatoren, die für einen inaktiven Markt und damit die Zulässigkeit von Modellbewertungen sprechen, wird auf die Entwicklung der Geld-Brief-Spanne sowie der Handelsvolumina abgestellt. – Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat einen Vorschlag an das Interpretationsgremium IFRIC unterbreitet, wofür plädieren Sie?Auch bei der Anwendung von Bewertungsmodellen ist nach Auffassung des IDW soweit wie möglich auf extern beobachtbare Parameter abzustellen. Wenn diese Parameter jedoch nur durch wenige oder im Extremfall sogar durch keine Transaktionen (indikative Parameter) gestützt werden, ist zu prüfen, ob ihre unveränderte Verwendung tatsächlich zum Fair Value führt. Dies gilt insbesondere, soweit in dem Bewertungsmodell das Kredit- und das Liquiditätsrisiko des Finanzinstruments abgebildet werden. So ist beispielsweise eine Abnahme der Liquidität eines Finanzinstruments auch bei Verwendung von Bewertungsmodellen zu berücksichtigen, keinesfalls aber über das Maß hinaus, das dem Liquiditätszuschlag für von vornherein nicht handelbare Buchforderungen entspricht. Denn es wäre nicht nachvollziehbar, warum – trotz eingeschränkter Marktliquidität – ein handelbares Finanzinstrument niedriger bewertet wird als ein nicht handelbares. – Ist die IDW-Meinung für die Bilanzierer eine rechtlich belastbare Auslegung und Richtschnur? Das Schreiben des IDW beschreibt die aus unserer Sicht sachgerechter Weise zu stellenden Voraussetzungen und stellt grundsätzlich Kriterien auf, die bei der Modellbewertung zu beachten sind. Nach unserer Auffassung können die Finanzkonzerne für das dritte Quartal diese Auslegung von IAS 39 in Anspruch nehmen. Das gilt auch, wenn die Stellungnahme des IFRIC noch aussteht. Der vom IDW entwickelte Lösungsvorschlag wurde von den betroffenen Fachgremien des IDW, dem Hauptfachausschuss und Bankenfachausschuss, sorgfältig beraten und stellt so die Auffassung des Berufsstands für ein mögliches Verständnis von IAS 39 dar. Das Ergebnis wird von den beteiligten Prüfungsfirmen einvernehmlich getragen. – Aber letztlich ist doch IFRIC zuständig?Das IDW erkennt an, dass die Interpretationshoheit für die IAS letztendlich bei IFRIC liegt. Dementsprechend wurden die vom IDW angestellten Überlegungen auch dem IFRIC vorgelegt. Zu beachten ist aber, dass sich bilanzierende Unternehmen und Abschlussprüfer schon heute – also ohne dass schon eine verbindliche Auslegung von IFRIC vorläge – mit der sachgerechten Anwendung von IAS 39 vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Marktsituation auseinandersetzen müssen. Daher hat das IDW die Anwendungshilfe für die Quartalsabschlüsse zum 30. 09. 2008 erstellt.Prof. Dr. Klaus-Peter Naumann ist Vorstandssprecher des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW).Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.