Banken zahlen Zeche für Spaniens Boomzeit
Von Angelika Engler, MadridEinst waren sie die großen Börsenstars, die zu wissen schienen, wie ein Unternehmer zu agieren hat. Doch vom Höhenflug der spanischen Immobilienfirmen ist nach dem jähen Ende des Baubooms 2007 außer einem großen Schuldenberg und Aktiva, die immer weniger wert sind, nichts geblieben. Keine einzige der Firmen, die bis zu 9 Mrd. Euro gekostet hatten, ist heutzutage auch nur 1 Mrd. Euro wert oder notiert noch im spanischen Leitindex Ibex 35.Aussichten auf eine kurzfristige Erholung des Marktes gibt es nicht: Spanien wird auch 2010 in der Rezession verharren. Neben der Kreditklemme lähmen den Markt nahezu unverändert hohe Preise gerade im Segment des einst besonders boomenden privaten Wohnungsbaus. Auch die hohe Arbeitslosenquote von fast 20 % bremst potenzielle Käufer. Erschwert wird das ganze Szenario noch durch gut 1 Million unverkaufter Neubauten, die als Zeugen der Bauwut vor den Toren der Großstädte oder an den Küsten vor sich hin modern. Neue Pleiten verhindernMit den Altlasten dürfen sich nun in- und ausländische Banken herumschlagen: Eine harte Lehre, hatten sie doch zu Boomzeiten scheinbar sorglos viel zu ehrgeizige Übernahmeprojekte finanziert.Vor allem im Jahr 2006 gingen die milliardenschweren Zukäufe über die Bühne, die den Firmen mit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise fast das Genick brachen. Das wohl wichtigste Wort der derzeitigen Post-Boom-Phase heißt Refinanzierung, denn die Einbrüche beim Umsatz und Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen lassen oftmals keine Ratenzahlungen für die milliardenschweren Kredite zu. Und für Aktivaverkäufe gibt es so gut wie keinen Markt. Einige Firmen meldeten Konkurs an, wobei sich eine solch große Pleite wie jene der einst mit 7 Mrd. Euro verschuldeten Firma Martinsa-Fadesa vom Sommer 2008 bisher nicht wiederholte. Eurohypo wird Aktionär”Es gab eine erste Phase, in der eine Refinanzierung sehr schwierig war”, sagt ein Branchenkenner. “Doch die Banken haben mittlerweile verstanden, dass nicht nur die Immobilienfirmen ein Problem haben, sondern auch sie. Eine Pleite würde ein zu großes Loch reißen.” Erst kürzlich vereinbarte die Firma Colonial, zu deren Geldgebern auch die Commerzbank-Tochter Eurohypo gehört, mit ihren Gläubigern eine äußerst komplexe Umschuldung (vgl. BZ vom 20. Februar).Die Umschuldung wird nicht nur die gesamte Firmenstruktur nach “toxischen” Aktiva wie Bauland oder Wohnungsbauprojekten und rentablen Aktiva wie Geschäftsimmobilien in Madrid und Barcelona sowie Paris neu ordnen. Vor allem werden sich Eurohypo und die anderen ausländischen Geldhäuser, die dem damaligen Colonial-Präsidenten Luis Portillo für seine ehrgeizigen Zukäufe einen syndizierten Kredit von 5 Mrd. Euro gegeben hatten, wohl oder übel in Aktionäre der Firma verwandeln. “Offenbar ist dies derzeit der einzige Weg, eine Kompensation für die Kreditschulden zu bekommen”, heißt es dazu beim Broker Renta 4. “Theoretisch könnten die Banken diese Beteiligungen wieder verkaufen, sobald sich der Immobilienmarkt erholt und die Investoren wieder Interesse haben.”Die Eurohypo äußert sich grundsätzlich nicht zu Einzelengagements. Sie soll in Spanien aber insgesamt 10 Mrd. Euro verliehen haben. Ein anderer Konsorte, Goldman Sachs, verkaufte Ende 2009 seinen Anteil am Kredit, der nach Branchenkreisen noch 920 Mill. Euro betrug, mit einem Preisabschlag von kolportierten 37 % an die Fonds Colony Capital und Orion Capital. Kürzlich meldete auch die Gruppe Reyal, die 2006 der Bank Banesto deren Immobilienfirma Urbis für mehr als 3 Mrd. Euro abgekauft hatte, einen Vorvertrag mit zehn der Gläubigerbanken für eine Refinanzierung. Ausstieg mit PreisabschlagAuch hierbei wiederholt sich das mittlerweile gängige Strickmuster: Zinszahlungen werden für mehrere Jahre ausgesetzt, dafür bekommen die Gläubiger Aktiva. Diverse spanische Banken haben längst eigene Immobilienfirmen gegründet und konkurrieren nun mit der Immobilienbranche, aber auch Privatleuten um den Verkauf der Assets.Mit dieser Art der Problemlösung sieht sich die spanische Finanzbranche in eine Situation zurückversetzt, aus der sie sich erst vor wenigen Jahren herausmanövriert hatte. Der massive Verkauf von Immobilien-Aktiva – eine Reminiszenz aus der letzten geplatzten Immobilienblase 1993 – hatte sie gerade in den Jahren 2000 bis 2006 von diesem atypischen Geschäft befreit und zugleich saftige Gewinne einstreichen lassen.Das Boomende lässt nicht nur verbranntes Kapital und überforderte Schuldner zurück, sondern auch zerrüttete Existenzen. Die Familie um Román Sanahuja etwa, die einst mit Joaquin Rivero um die Kontrolle von Metrovacesa stritt, musste bereits einen Großteil der Aktien an die Gläubiger abtreten. Rivero, der als Metrovacesa-Chef 2005 die Übernahme der französischen Gecina stemmte und die spanische Immobilienfirma zur zweitgrößten Europas machte, kehrte kürzlich aus Paris zurück: Ein neues Zerwürfnis ließ ihn vom Präsidentenamt bei Gecina zurücktreten. Jetzt sieht der alte Branchenhase “große Chancen” in Spanien. Neues Glück in BrasilienDie einst als “Cracks” angesehenen Branchenneulinge wie Enrique Banuelos oder Luis Portillo, die über Nacht bekannt und reich geworden waren, verschwanden von der Bildfläche – oder bauten sich fernab der Heimat ein neues Imperium auf.Banuelos, einst Hauptaktionär und Präsident der Firma Astroc (die heutige Afirma), schmiedete in Brasilien aus Beteiligungen mittlerweile die landesweit drittgrößte Immobilienfirma Agre Empreendimintos Imobiliarios zusammen. An dem seit Februar gelisteten und 1,2 Mrd. Euro teuren Unternehmen hält er 30 %. Sein Privatvermögen hatte die US-Zeitschrift “Forbes” in ihrer Liste der Reichsten der Welt 2007 auf knapp 8 Mrd. Dollar geschätzt und mit Platz 95 bedacht. 2010 führt “Forbes” ihn mit immerhin noch 1,5 Mrd. Dollar auf Platz 655. Eine Klage gegen den 44-Jährigen wegen seiner Geschäftsführung und mutmaßlich aufgeblähter Geschäftszahlen wies ein Gericht im September 2007 als unbegründet zurück.