Bankgeheimnis schwächt Institute im Wettbewerb
Von Martin Bünning *)Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 9. Dezember 2008 das deutsche “Bankgeheimnis” weiter eingeschränkt. Nach der Entscheidung des obersten deutschen Steuergerichts sind zukünftig Kontrollmitteilungen in größerem Umfang als bisher – und unabhängig von dem konkreten Verdacht einer Steuerstraftat – möglich.Die Entscheidung steht in inhaltlichem und zeitlichem Zusammenhang mit dem Entwurf des Bundesfinanzministeriums für das “Gesetz zur Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken und der Steuerhinterziehung”, über den das Bundeskabinett heute beschließen soll. “Gläserner” SteuerbürgerDurch die geplanten gesetzlichen Neuregelungen sollen Geschäftsbeziehungen von inländischen Unternehmen und Privatpersonen zu Staaten, die die Standards der OECD zur Auskunftserteilung in Steuersachen, insbesondere zum Zugang der Steuerbehörden zu Bankinformationen, nicht umgesetzt haben, besonderen Dokumentations- und Nachweispflichten unterstellt werden, deren Verletzung zu einer besonderen (Straf-) Besteuerung führen kann. Dadurch soll Druck auf Steueroasen ausgeübt werden, die OECD-Standards gleichfalls anzuwenden. Im Inland sorgt die bisherige Verwaltungspraxis und nunmehr auch die geänderte Rechtsprechung des BFH bereits jetzt für einen nahezu “gläsernen” Steuerbürger.Das deutsche Bankgeheimnis ist erst seit 1989 durch die Abgabenordnung gesetzlich gewährleistet. Danach dürfen Steuerbehörden anlässlich einer Außenprüfung bei einem Kreditinstitut Guthabenkonten oder Depots von Bankkunden nicht zur Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung von Einkünften des Bankkunden auswerten, sofern bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung vorgenommen worden ist. Die Anfertigung von Kontrollmitteilungen soll insoweit grundsätzlich unterbleiben.Nach dem vorherrschenden Verständnis handelt es sich bei der deutschen Ausprägung des Bankgeheimnisses nicht um einen Schutz der Banken und Kreditinstitute davor, die Verhältnisse ihrer Kunden offenlegen zu müssen. Vielmehr werden durch das Bankgeheimnis lediglich die Ermittlungs- und Auswertungsbefugnisse der Steuerbehörden im Interesse des Bankkunden eingeschränkt.Der Umfang des Schutzes des Bankkunden steht damit im Widerstreit mit der grundsätzlichen Befugnis der Steuerbehörden, Kontrollmitteilungen im Zusammenhang mit Betriebsprüfungen anzufertigen. Bei Bankenprüfungen ist diese grundsätzliche Befugnis durch das Bankgeheimnis eingeschränkt.In der Praxis bestehen seit Jahren etliche Streitpunkte über den exakten Umfang des Bankgeheimnisses. Geklärt ist zwar, dass zu den geschützten Konten grundsätzlich auch interne Aufwands- und Provisionskonten der Bank zählen, wenn sich daraus Rückschlüsse auf einzelne Anleger ziehen lassen. Dies hat der BFH in seiner jüngsten Entscheidung auch nochmals ausdrücklich bestätigt.Umstritten war bislang zwischen der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung des 7. Senats des BFH jedoch, in welchen Fällen die Betriebsprüfer Kontrollmitteilungen an die Finanzämter der Bankkunden fertigen durften. Die Finanzverwaltung geht in ihren Verwaltungserlassen von einer grundsätzlichen Zulässigkeit von Kontrollmitteilungen aus, wenn aufgrund einer “nach allgemeinen Erfahrungen getroffenen Prognoseentscheidung” mit der Aufdeckung steuerlich erheblicher Tatsachen gerechnet werden kann.In seiner bisherigen Rechtsprechung hatte der BFH das Bankgeheimnis als bewusste und zielgerichtete Einschränkung der Befugnisse der Steuerbehörden bei Außenprüfungen bei Kreditinstituten angesehen und daraus gefolgert, dass wenigstens ein Kernbestand des Bankgeheimnisses gewahrt bleiben müsse. “Vollzugsdefizit”In seiner jüngsten Entscheidung relativiert der 7. Senat des Bundesfinanzhofs diesen Standpunkt, indem er ausführt, dass aus der früheren Rechtsprechung nicht notwendigerweise folge, dass Kontrollmitteilungen anlässlich einer Bankenprüfung außerhalb strafrechtlicher Ermittlungen schlechthin verboten seien. Vielmehr sei dem gesetzlichen Schutz des Bankgeheimnisses Rechnung getragen, wenn als Voraussetzung für die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen aus legitimationsgeprüften Konten ein “hinreichender Anlass” gefordert werde.In diesem Zusammenhang weist der Bundesfinanzhof darauf hin, dass aus seiner Sicht bei der Besteuerung von Kapitaleinkünften weiterhin ein “Vollzugsdefizit” bestehe und eine “Gleichbehandlung im Belastungserfolg” bei Kapitaleinkünften herzustellen sei, was eine Einschränkung des Bankgeheimnisses rechtfertigen könne. Dies erfordere eine Auslegung des Bankgeheimnisses, die dem Fiskus auch im Bankenbereich Kontrollmitteilungen nicht nur bei Verdacht einer Steuerstraftat erlaube.Durch die Abgeltungsteuer, die zu einer einheitlichen Belastung von Kapitalerträgen an der Quelle führt, wird seit dem 1. Januar 2009 die geforderte Gleichbehandlung herbeigeführt, so dass die Argumentation des Gerichts nicht vollständig überzeugen kann. “Hinreichend veranlasst” ist eine Kontrollmitteilung demnach dann, wenn das zu prüfende Bankgeschäft Auffälligkeiten aufweist, die es aus dem Kreis der alltäglichen und banküblichen Geschäfte hervorheben oder eine für Steuerhinterziehung besonders anfällige Art der Geschäftsabwicklung erkennen lassen. Unter GeneralverdachtEin “Generalverdacht der Steuerunehrlichkeit” gegen Bezieher von Kapitaleinkünften ersetze den danach erforderlichen hinreichenden Anlass jedoch nicht. Kontrollmitteilungen “ins Blaue” hinein bleiben danach unzulässig, ansonsten bleiben die Voraussetzungen für eine zulässige Kontrollmitteilung aber vage.Der Bundesfinanzhof gibt in seiner Entscheidung allerdings Hinweise auf mögliche Gesichtspunkte für eine hinreichende Veranlassung. Die Finanzverwaltung muss nachweisen, dass sie eine bewusste Auswahl unter den Bankkunden getroffen hat und dass konkrete Anhaltspunkte bestehen. Dabei spielt aus Sicht des Bundesfinanzhofs u. a. zum Beispiel auch die räumliche Distanz zwischen Wohnort und Sitz des Kreditinstituts unter dem Gesichtspunkt der Verschleierung eine Rolle.Das Urteil untergräbt das Vertrauensverhältnis zwischen der Bank und ihren Kunden. In der Praxis dürfte das Urteil – insbesondere im derzeitigen politischen Umfeld – dazu führen, dass von den Betriebsprüfern mehr Kontrollmitteilungen geschrieben werden. Diejenigen Steuerpflichtigen, die in größerem Umfang Wertpapiergeschäfte und Ähnliches über deutsche Banken abwickeln, werden zukünftig wohl häufiger mit Nachfragen seitens ihrer Wohnsitzfinanzämter rechnen können.Auch für steuerehrliche Mitbürger sind dies keine erfreulichen Aussichten. Im Zusammenhang mit dem bereits beginnenden Bundestagswahlkampf und den Aussagen zu steigenden Steuersätzen für Spitzenverdiener könnte die Neigung von Anlegern steigen, Gelder im Ausland unterzubringen.Denn selbst wenn sich die Hoffnung des deutschen Finanzministers erfüllen sollte und sich weitere Staaten den OECD-Standards anschließen, werden Vermögensanlagen bei ausländischen Banken unter dem Gesichtspunkt der Vertraulichkeit und der Wahrung des Bankgeheimnisses vermutlich weiterhin attraktiv bleiben, denn auch nach dem OECD- Standard steht die Verpflichtung zum Informationsaustausch unter dem Vorbehalt, dass die Übermittlung der relevanten Informationen nach dem Recht des anderen Staates rechtlich zulässig ist. Schlechtes DruckmittelDieser nationale Ermittlungsrahmen dürfte in vielen Staaten deutlich enger gesteckt sein als in Deutschland. Der Neigung der Steuerzahler, ihr Geld aus steuerlichen Gründen ins Ausland zu verbringen, wird am besten mit sinkenden Steuersätzen gegengesteuert und nicht mit der Erhöhung des Besteuerungsdrucks.—-*) Dr. Martin Bünning ist Partner bei GSK Stockmann & Kollegen.