Bedingte Pflichtwandelanleihen auch für Unternehmen
– Herr Professor Schlitt, Coco-Bonds sind im Finanzsektor ein viel diskutiertes Thema. Was verbirgt sich dahinter?Coco-Bonds sind Pflichtwandelanleihen, die sich bei Vorliegen bestimmter Bedingungen (sogenannter Trigger Events) in Aktien wandeln. Sie werden nach Basel III bei Banken als Additional Tier 1 Capital anerkannt und sollen nach Solvency II bei Versicherungen als Tier 1 Basic Own Funds gelten. Aktuelle Beispiele sind die Coco-Bonds der Lloyds Banking Group (2009) und der Credit Suisse (2011).- Pflichtwandelanleihen können aber auch andere Unternehmen begeben?Das ist richtig. Pflichtwandelanleihen sind Finanzierungsinstrumente für alle Branchen. Die Vorschriften, die das Aktienrecht für Wandelanleihen vorsieht, gelten nach ganz herrschender Meinung auch für Pflichtwandelanleihen, sodass sie mit bedingtem Kapital unterlegt werden können und im Falle der Wandlung keine Sacheinlageprüfung erforderlich ist.- Sind auch bedingte Pflichtwandelanleihen (“Cococo”-Bonds) nach geltendem Recht zulässig?Ja, bedingte Pflichtwandelanleihen können bereits nach geltendem Recht begeben werden. Mit der geplanten Aktienrechtsnovelle 2011 soll dies noch einmal klargestellt werden. Zudem soll die Beschränkung des bedingten Kapitals auf 50 % des Grundkapitals gerade für solche Anleihen, die ein Wandlungsrecht des Emittenten vorsehen, entfallen. Dies würde auch Pflichtwandelanleihen wie “Cococo”-Bonds betreffen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Wandelanleihe von der deutschen Aktiengesellschaft unmittelbar oder, wie häufig praktiziert, über eine ausländische Tochtergesellschaft begeben wird.- In welchen Konstellationen könnten “Cococo”-Bonds besonders von Nutzen sein?Denkbar ist etwa der Fall einer Akquisition, deren Abschluss noch unter einem Kartellvorbehalt steht. In diesem Fall erweist sich die Vermarktung einer Kapitalerhöhung zur Finanzierung der Akquisition möglicherweise als schwierig, da die Gesellschaft eine Finanzierung lediglich in dem Fall benötigt, dass diese Bedingung eintritt. Ein “Cococo”-Bond könnte für Investoren die richtige “Equity Story” bieten, denn in diesem Fall werden die Aktien nur ausgegeben, wenn es letztlich zu der M & A-Transaktion kommt. Vorstellbar ist auch, dass als Trigger Event der Abschluss einer künftigen Akquisition vereinbart wird. Damit würde die Struktur des Instruments einem Spac ähneln, wobei es sich beim Emittenten jedoch um ein börsennotiertes, etabliertes Unternehmen handeln würde, die Anleihegläubiger als Geldgeber aber kein Mitentscheidungs- oder Vetorecht hinsichtlich des Akquisitionsobjekts hätten.- Und welche Voraussetzungen muss eine Gesellschaft mitbringen, um einen “Cococo”-Bond zu begeben?Wie für jede Wandelanleihe benötigt die Gesellschaft eine Ermächtigung zur Ausgabe einer Wandelanleihe sowie in der Praxis ein bedingtes Kapital zur Absicherung der Wandlungsverpflichtung. Die übliche Formulierung für Wandelanleiheermächtigungen börsennotierter Aktiengesellschaften deckt die Emission einer Pflichtwandelanleihe regelmäßig ab. Zusätzlich stellt sich bei “Cococo”-Bonds die Frage, ob eine ausdrückliche Ermächtigung erforderlich ist, um die Wandlungspflicht mit einer aufschiebenden Bedingung zu kombinieren. Richtigerweise ist dies nicht der Fall. Denn eine unter Bedingungen stehende Pflichtwandlung schränkt die Aktionärsrechte eher weniger ein als eine unbedingte Pflichtwandelanleihe. Hinsichtlich des Volumens der Anleihe ist allerdings zu beachten, dass bei einer Wandlung in mehr als 10 % des Grundkapitals kein erleichterter Bezugsrechtsausschluss zulässig ist. Die Anleihe ist dann grundsätzlich vorrangig den Aktionären der Gesellschaft zum Bezug anzubieten.—-Prof. Dr. Michael Schlitt ist Partner der Anwaltsgesellschaft Hogan Lovells International LLP und Honorarprofessor an der Universität zu Köln. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.