Immobilien

Bei britischen Gewerbeimmobilien knirscht es mächtig im Gebälk

Angst vor einem Crash im Stil der neunziger Jahre - Immobilienpreise bereits stark unter Druck - Schluss mit dem Büromietenboom in der City

Bei britischen Gewerbeimmobilien knirscht es mächtig im Gebälk

Von Norbert Hellmann, London Gewarnt waren sie allemal, die britischen Investoren. Während der Markt für Wohnimmobilien erst in den letzten Wochen zu drehen begonnen hat, weil die Hypothekenbanken im Zuge der Subprime-Krise ihr Kreditvergabeverhalten überdenken, sahen Beobachter des gewerblichen Immobilienmarktes schon im Sommer vergangenen Jahres eine Wende voraus, die sich spätestens 2008 manifestieren würde. Allerdings gingen die meisten Marktbeobachter von einer vergleichsweise weichen Landung aus. Von wegen Seitwärtstrend Betrug der Wertzuwachs von gewerblichen Immobilien im Jahr 2006 noch gut 12 %, schien sich für 2007 eine Ermäßigung auf etwa 4 % abzuzeichnen, die dann in einem mehrjährigen Seitwärtstrend münden würde – so lauteten jedenfalls einschlägige Studien im Frühjahr und damit vor Ausbruch der Kreditmarktkrise. Nun aber befürchten Marktteilnehmer, dass ein regelrechter Crash bevorsteht, der Reminiszenzen an die frühen neunziger Jahre weckt. Die letzte Marktkrise auf der Insel fällt in den Zeitraum 1990 bis 1992, als die nominalen Kapitalwerte über drei Jahre hinweg zweistellig zurückfielen, nämlich um 14 % im Jahr 1990 und jeweils 10 % in den beiden Folgejahren. Kumuliert betrug der Wertverfall im Dreijahreszeitraum 30 %. Es lohnt der Blick zurück in den Financial Stability Report der Bank von England vom Juli 2006. Damals prophezeiten ihre Volkswirte im Rahmen eines als “moderate global corporate stress” bezeichneten Szenarios, das von konjunktureller Abkühlung bei gleichzeitig steigenden Inflationsraten geprägt ist, einen möglichen kumulierten Preisverfall von Gewerbeimmobilien in einem Dreijahreszeitraum von 20 %. In einem verschärften Szenario würde der Preisverfall bis zu 35 % betragen. Die von der Zentralbank für dieses Szenario vorgezeichneten negativen Rahmenbedingungen entsprechen mehr oder weniger dem, was Konjunkturbeobachter für das Jahr 2008 nun relativ fest erwarten: eine Wachstumseintrübung, die von einem Inflationsanstieg begleitet sein könnte und geldpolitische Stimulierungsmaßnahmen entsprechend erschweren würde. Hinzu gesellen sich allerdings Gefahrenmomente, die eine direkte Folge der Kreditmarktklemme sind. Sie laufen auf eine Erschwerung beziehungsweise Verteuerung der Finanzierung von Immobilienprojekten hinaus und leisten gleichzeitig einem Abzug von Mitteln aus dem Sektor Vorschub, der einschlägige Immobilienfonds liquiditätsseitig in Bedrängnis bringt. Fonds bremsen Anleger ausZuletzt nämlich haben eine Reihe von Fonds, hinter denen Banken oder Versicherer stehen, insofern “dichtgemacht”, als sie den Anlegern den Exodus, also die rasche Rückgabe ihrer Anteile durch Wartefristen von bis zu zwölf Monaten erschweren. Dazu gehören ein Vehikel der Deutsche-Bank-Tochter Rreef, der von der UBS gemanagte Fonds Triton und Morleys (Asset Manager des Versicherungskonzerns Aviva) Pooled Pension Property Fund. Der 3,6 Mrd. Pfund schwere und damit landesweit größte Immobilienfonds Norwich Property Trust denkt darüber nach, sich gegen eine verstärkte Anlegerflucht zu wappnen, nachdem der Fonds allein im November rund 7 % an Wert verloren hat. Drängen die Investoren weiter zu den Ausgängen, kann sich der Druck auf die Kapitalwerte nur verstärken. Im Oktober sind die Gebäudewerte nach den Berechnungen des führenden britischen Datenlieferanten für den gewerblichen Immobilienmarkt, der Investment Property Databank (IPD), um 1,9 % zurückgegangen. Dies ist der schärfste Preisrückgang seit 17 Jahren, also seit dem berüchtigten Krisenjahr 1990. Parallel dazu beobachtet man einen Rückgang der Immobilientransaktionen. Die Beratungsfirma Jones Lang LaSalle rechnet damit, dass im laufenden Quartal Immobilien im Wert von 5 Mrd. Pfund den Besitzer wechseln; im Vorquartal waren es 15 Mrd. Pfund, und im vierten Quartal des vergangenen Jahres betrug das Volumen knapp 19 Mrd. Pfund. Ende November kam es zwar zu einem größeren Geschäft, nämlich dem Verkauf des Citigroup-Wolkenkratzers in Canary Wharf für rund 1 Mrd. Pfund durch die Royal Bank of Scotland. Allerdings war das Geschäft bereits vor einigen Monaten vereinbart worden und wurde nach einiger Verzögerung zu neu angepassten Konditionen durchgezogen. Die Abwartehaltung ist charakteristisch. Potenzielle Käufer halten sich tendenziell zurück, weil sie eine rasche Preisanpassung nach unten erwarten, gleichzeitig fürchten sie aber schlechtere Refinanzierungskonditionen und einen erschwerten Zugang zu Kreditmitteln. Symptomatisch ist auch die Entwicklung des Büromarktes in der Londoner Finanzmeile selber, wo der seit Anfang 2004 zu beobachtende Mietenboom erstmals zur Schwäche neigt. Gegenwärtig wird der Markt noch von einer Knappheitssituation in den Spitzenlagen Westend und City of London geprägt, die dazu führte, dass die Leerstandsraten binnen drei Jahren von 10 % beziehungsweise 14 % auf 2 bzw. 4 % zusammengeschrumpft sind. Investmentbanken bauen abWer nimmt die Neuflächen? Lag die Jahresrate für das Wachstum der Durchschnittsmieten zuletzt noch bei stolzen 15 %, dürfte sich hier eine rasche Abkühlung einstellen. Die vom Boom beflügelten Bauaktivitäten haben noch nicht nachgelassen und sich den künftig magereren Zeiten angepasst. In der City etwa sind die noch im Bau befindlichen Büromietflächen zwischen Ende März und Ende September von knapp 500 000 auf gut 700 000 Quadratmeter angewachsen, in den übrigen Londoner Lagen werden weitere 600 000 Quadratmeter fertiggestellt. Der kräftige Nachschub an neuen Büroflächen geht mit der nun zu beobachtenden Redimensionierungswelle bei den krisengeschüttelten Investmentbanken einher. Marktbeobachter rechnen damit, dass im kommenden Jahr nur noch im Westend die Mieten steigen könnten, während man in der City und insbesondere der Finanztrabantenstadt Canary Wharf erstmals wieder Rückgänge befürchten muss. So wird gerade der Finanzsektor von der Kreditmarktkrise doppelt erwischt.