Recht und Kapitalmarkt

Bei Gewinnprognosen sind Prospektfolgen zu beachten

Inhalt von Kapitalmarktinformationen hat Konsequenzen für die Transaktionsgestaltung

Bei Gewinnprognosen sind Prospektfolgen zu beachten

Von Lutz Krämer *) Börsennotierte Unternehmen haben sich inzwischen daran gewöhnt, dass das Korsett der kapitalmarktrelevanten Normen immer enger wird. Zuletzt haben die Änderungen des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG) die letzten Zweifler überzeugt, dass eine Compliance-Organisation notwendig ist, um die vielschichtigen gesetzlichen Anforderungen einhalten zu können. Indessen zeigt sich, dass eine proaktive Kommunikation kapitalmarktrelevanter Ereignisse zwar im Sinne des erst gut zwei Jahre in Kraft befindlichen Anlegerschutzverbesserungsgesetzes ist, jedoch in einem Spannungsverhältnis zu anderen, ebenfalls EU-induzierten, kapitalmarktrechtlichen Normen steht. Dies gilt insbesondere für Konsequenzen aus Gewinnprognosen und -schätzungen für Kapitalmarktprospekte. BerichtssaisonMitte des ersten Quartals werden üblicherweise die wesentlichen Kennzahlen des Konzernergebnisses für das abgelaufene Geschäftsjahr 2006 bekannt gegeben. Halten sich die Ergebnisse im Rahmen der Erwartungen oder einer etwaigen früheren Ergebnisprognose, so sind diese Veröffentlichungen isoliert betrachtet nicht Ad-hoc-pflichtig. In der Regel erwartet der Kapitalmarkt jedoch zusätzlich einen Ausblick auf das Geschäftsjahr 2007, wobei je nach (Branchen-)Umfeld, Unternehmenssituation, Konsolidierungskreis und Geschäftsmodell eine Aussage zu Gewinnspanne, Gewinnveränderung oder Trend gegenüber dem Vorjahr üblich ist. Unter dem Aspekt aktiver Kapitalmarktinformation und Investor Relations ist eine solche, mit üblichen Annahmen und Vorbehalten versehene Äußerung des Vorstands erwünscht. Auch für das Erwartungsmanagement hinsichtlich künftiger Quartalsabschlüsse erweist sich eine proaktive Kommunikation als vorteilhaft, weil auf diese Weise das Delta zwischen tatsächlichem Quartalsergebnis und kommunizierter Ergebniserwartung vermindert wird und die Wahrscheinlichkeit überraschender Ad-hoc-Meldungen reduziert werden kann. Es ist daher gute Übung, dass viele Unternehmen bereits bei der Präsentation ihrer wesentlichen Kennzahlen, spätestens jedoch zur Jahrespressekonferenz eine Ergebnisspanne oder die erwartete prozentuale Veränderung bezogen auf das Vorjahr veröffentlichen. ProspekterfordernisBereitet ein Unternehmen indessen einen Börsengang oder eine Kapitalerhöhung vor – auch für Wandel- oder Optionsanleihen ist dies nicht unstreitig -, halten die EU-Prospektverordnung und insbesondere die hierzu von den europäischen Aufsichtsbehörden (CESR) verabschiedeten Empfehlungen Überraschungen bezüglich des Prospektinhalts bereit, die mindestens den Zeitplan einer Kapitalmarkttransaktion gefährden können.Da Ergebnisprognosen für das laufende und Gewinnschätzungen für das abgelaufene Geschäftsjahr jedenfalls für Aktienemissionen fast immer materiell bedeutsame Informationen sind, haben konsortialführende Banken und deren Anwälte zwar bereits lange vor Geltung des neuen Prospektrechts etwaige Ergebnisprognosen ermittelt und deren Fortgeltung geprüft. Sodann wurde die Wesentlichkeit dieser Information im Hinblick auf die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts geprüft. Allerdings konnte der Emittent auch im Falle einer Entscheidung für die Aufnahme in den Prospekt im Abschnitt Geschäftsgang und Aussichten eine zurückhaltendere oder allgemeinere Aussage treffen. CESR-EmpfehlungZeigte sich im Rahmen der Due Diligence ein positiverer Geschäftsverlauf als angenommen, konnte aus Rechtsgründen gleichwohl im Prospekt allgemeiner formuliert werden. Zwar ist auch unter Geltung der EU-Prospektverordnung die Aufnahme von Gewinnprognosen grundsätzlich weiterhin optional; dies soll jedoch nur gelten, wenn sich der Emittent erstmalig entscheidet – besser – entscheiden kann, eine Gewinnprognose oder Gewinnschätzung in den Prospekt aufzunehmen. Nach den CESR-Empfehlungen besteht aber zumindest bei Aktienemissionen die Vermutung, dass außerhalb eines Prospekts veröffentlichte frühere Prognosen als für den Anleger wesentliche Informationen in den Prospekt aufzunehmen sind. Weiterungen ergeben sich bei der Akquisition größerer Unternehmen sowohl in Bezug auf die eigene als auch auf die “fremde”, gar nicht beeinflussbare Prognose. Zu weite Definition Dabei sind sowohl die Definitionen des Begriffspaares Gewinnprognose und Gewinnschätzung zu weit und unpräzise als auch die hieran anknüpfenden Folgepflichten sehr weitgehend. Sie konterkarieren das Bedürfnis des Kapitalmarkts nach Ergebnisprognosen auf Basis klar kommunizierter Annahmen.Als Gewinnprognose wird eine Veröffentlichung bezeichnet, in der ausdrücklich oder implizit eine Zahl oder Mindest- bzw. Höchstgrenzen für die wahrscheinliche Höhe des Ergebnisses genannt werden; das Gleiche soll sogar für Formulierungen gelten, aufgrund deren die Berechnung eines künftigen Ergebnisses lediglich möglich ist. Liegt danach eine Gewinnprognose vor, so müssen im Prospekt neben den dieser zugrunde liegenden Annahmen die nicht vom Emittenten beeinflussbaren externen Faktoren von den in seinem Einflussbereich liegenden Faktoren deutlich getrennt dargestellt werden. Schließlich muss ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer in einem Bericht bestätigen, dass die Prognose oder Gewinnschätzung (für das abgelaufene Geschäftsjahr) ordnungsgemäß erstellt wurde und die Prognose mit den Rechnungslegungsstrategien des Emittenten konsistent ist.Es bedarf keiner großen Fantasie, sich die daraus ergebenden zeitlichen Konsequenzen für die Überprüfung sowie die Diskussionen über den Wortlaut der Bestätigung mit dem Wirtschaftsprüfer vorzustellen. ReaktionsmöglichkeitenDie relativ sicherste Möglichkeit, den Erwartungen des Kapitalmarkts nach Kommunikation von Ergebniserwartungen zu entsprechen und gleichwohl eine langwierige und kontroverse Diskussion über die Prüfung einer Ergebnisprognose zu vermeiden, besteht bislang in der inhaltlichen Reduzierung auf eine sog. Trendaussage. Auch nach den CESR-Empfehlungen entfällt bei bloßen Trendaussagen das Erfordernis einer Aufnahme in den Prospekt. Im Sinne praktikabler und rechtssicherer Abgrenzung sollte zugunsten der Emittenten jedenfalls dann, wenn in einer Prognose keine konkreten Zahlen enthalten sind und aus Sicht eines verständigen Dritten Spielraum für die Interpretation der Ergebnisentwicklung bleibt, von einer Trendinformation im Sinne der EU-Prospektverordnung ausgegangen werden können. Dies würde nicht zwangsläufig zur Nichtaufnahme in den Prospekt führen; Emittent, Banken und Berater bleiben verpflichtet, die Wesentlichkeit der Informationen ohne das Damoklesschwert der Berichtspflicht zu beurteilen. So kann z. B. durch veröffentlichte Quartalsabschlüsse zwischen dem Zeitpunkt der Gewinnprognose und dem Zeitpunkt der Prospektveröffentlichung eine frühere “ergebnisrelevante Meldung” bestätigt werden und auf diese Weise das Erfordernis für einen entsprechenden Bericht des Abschlussprüfers im Prospekt entfallen. Selbst im Falle zurückhaltender Interpretation der CESR-Empfehlungen durch die BaFin wird jedoch bei grenzüberschreitenden Transaktionen aus Vorsichtsgründen häufig nur die Wahl zwischen der Aufnahme eines Prüfungsberichts und der Rücknahme einer Prognose bleiben. Da die CESR-Empfehlungen durch ihre Regelvermutung für Aktienemissionen deutlich über den Wortlaut der EU-Prospektverordnung hinausgehen, ist aus Sicht der Praxis eine Definition unschädlicher Trendinformationen als “Safe Harbour” zu fordern. Interne Koordination Bis zu einer solchen dringend gebotenen Klarstellung bleibt für Emittenten nur der Weg einer noch vorausschauenderen – und bisweilen – zurückhaltenderen Unternehmenskommunikation. Bereits im Zeitpunkt ergebnisrelevanter Veröffentlichungen ist die Wahrscheinlichkeit einer Aktienemission mit Prospekterfordernis abzuschätzen: ein auch aus Investorensicht wahrlich nicht optimales Ergebnis.*) Dr. Lutz Krämer ist Partner und Rechtsanwalt bei White & Case in Frankfurt.