Bei Kunstauktionen rasseln die Preise in den Keller
Von Anna Perucki, Frankfurt Auch in Krisenzeiten werden sich qualitativ hochwertige und arrivierte Kunstwerke weiterhin gut verkaufen. Erstklassige Raritäten mit tadelloser Provenienz bleiben interessant für ernsthafte Käufer, die jetzt höchstens etwas vorsichtiger agieren und selektiver zugreifen als früher. Die Auktionen der alten Meister in London Anfang Dezember haben dieses Interesse bewiesen. Es wurden nicht sehr viele Lose angeboten, da in dieser Kategorie das Angebot ohnehin begrenzt ist. Bei Christie’s war das Ergebnis sogar besser als zu Boomzeiten im Dezember 2007. Viele Lose wurden weit über Schätzung verkauft, und es gab relativ wenig Rückgänge. Spekulanten halten sich momentan zurück, echte Sammler investieren aber weiterhin. Jedoch leiden alle Preiskategorien unter der Krise – sowohl die spekulativen Werke als auch die erschwinglichen (ab 10 000 Euro). Die Spitze des Marktes (4,1 % aller Transaktionen) beweist noch eine relative Preisstabilität, das etwas dynamischere Segment der Kunst unter 100 000 Euro zeigt spontane Reaktionen – Preise ändern sich viel stärker und schneller. Hier fiel der Preisindex zwischen Oktober 2007 und Oktober 2008 um 18 %. Doch vor allem seit Oktober 2008 hat die Wirtschaftskrise signifikante Auswirkungen auf alle Segmente und trifft sowohl kleine Provinzhäuser als auch etablierte und prominente Auktionshäuser. Die Globalisierung scheint auch hier bestens zu funktionieren; nicht nur im Herzen der Kunstwelt wie London, Paris und New York schrumpfen die Preise, sondern auch in Hongkong, Singapur und Dubai. Alle Auktionen seit Ende Oktober verliefen in diesen Regionen relativ enttäuschend und blieben hinter den Erwartungen zurück. Eine Korrektur zwischen 30 und 40 %, ähnlich wie zwischen 1990 und 1992, wäre auch während der jetzigen Krise theoretisch möglich, auch wenn neue Käuferschichten die Auswirkungen etwas abmildern können. Korrektur der PreiseZwischen 2005 und 2008 haben die Preise für amerikanische Kunst um 67 % und die für internationale Kunst immer noch um 48,9 % zugelegt. Diese spekualtive Entwicklung wird jetzt korrigiert. Christie’s hat im Dezember des Vorjahres angekündigt, die Schätzungen für Kunstwerke um mindestens 10 % nach unten schrauben zu wollen. Kunsthändler gehen teilweise noch weiter und geben Nachlässe zwischen 25 und 50 %. Kunst als reine Wertsteigerungsanlage zu betrachten wäre gefährlich, denn sie unterliegt Geschmacksschwankungen. Da Anleger momentan vielen Formen der Geldanlage skeptisch gegenüberstehen, ist Kunst als Möglichkeit, das eigene Portfolio zu diversifizeiren, sicherlich interessant. Allerdings gilt: Hohe Renditen sind bei Kunstwerken nur selten zu erzielen. Unerschütterliche Liebe und Leidenschaft für die Kunst ist momentan wichtiger. Vielleicht springen die Spekulanten in der Krise ab. Dennoch hat die mit Spannung erwartete Versteigerung der Werke von Damien Hirst in September nicht enttäuscht. Sie brachte mehr als 140 Mill. Euro ein (über 200 Mill. Dollar). Erwartet wurden lediglich 84 Mill. Euro. Ein großer Teil der Werke wurde für dieses Ereignis von Hirsts fast 200 Mann starker Gruppe von Assistenten wie am Fließband mitproduziert. Am Tag der Auktion meldete das traditionsreiche Investmenthaus Lehman Brothers Insolvenz an. Davon und von den Auswirkungen der Bankenkrise auf den Kunstmarkt war aber im Auktionshaus zu diesem Zeitpunkt noch nichts zu spüren.Nach der Lehman-Pleite und der damit verbundenen Zuspitzung der Wirtschaftskrise war nichts mehr so wie früher. Der Erlös der Auktionen in London und Hongkong im Oktober lag nur halb so hoch wie die Schätzungen vor der Versteigerung. Seitdem werden viele Werke unter der Mindesttaxe verkauft. Im Oktober entsprach der Verkaufswert von chinesischer, japanischer und indischer Kunst nur etwa der Hälfte der Schätzung. Deutlich unter ErwartungenDer Erlös der “zeitgenössischen Kunst” bei Sotheby’s im November 2008 lag bei 125,1 Mill. Dollar und damit deutlich hinter den erwarteten 202,4 Mill. Dollar. Viele Werke, für die das Haus einen hohen Mindestpreis garantiert hatte, fanden keinen Käufer. Insgesamt wurden bei der Auktion bei nur 43 von 63 Losen zugeschlagen. Bei den Schätzpreisen sind die Gebühren des Auktionshauses von 12 bis 25 % nicht eingerechnet. Das teuerste Werk wurde zwar für 21,4 Mill. Dollar verkauft, doch das tiefblaue Bild des französischen Malers Yves Klein blieb trotzdem unter dem Schätzpreis von 25 Mill. Dollar. Die Verkaufspreise wurden allerdings zu einem Zeitpunkt geschätzt, in dem ein ganz anderes wirtschaftliches Klima geherrscht hat. Der Konkurrent Christie’s hatte auf mindestens 227 Mill. Dollar gehofft, 113,6 Mill. Dollar kamen am Ende in die Kasse. Von 75 angebotenen Werken wurden 51 verkauft. Bei beiden Häusern lag die Verkaufsquote bei etwa 68 %. Nach einer Bloomberg-Schätzung werden Auktionshäuser wie Sotheby’s, Christie’s und Phillips de Pury im Jahr 2009 Erlöse von 38,4 Mill. Pfund erzielen und damit nur 23 % des Vorjahreswertes. Garantien rächen sichDie Bedingungen für alle beteiligten Akteure, ob für Auktionshäuser oder Einlieferer der Kunstwerke, aber auch für potenzielle Käufer haben sich stark verändert. Die Auktionsfirmen haben für begehrte Einlieferungen lange Zeit sehr hohe Garantien gewährt, doch die Auswahl der Lose und die Festsetzung der Preise fanden in einer völlig anderen wirtschaftlichen Situation statt. Natürlich können Garantiesummen auch für das Auktionshaus ein sehr attraktives Geschäft sein. Allerdings nur dann, wenn der Verkauf über der Höhe der Garantie liegt, denn dann bleibt alles darüber hinaus Erwirtschaftete in der Kasse des Auktionshauses. Garantien werden jetzt zum Teil nicht mehr gegeben, wahrscheinlich solange bis sich der Markt stabilisiert hat. Viele Bilder werden zum Privatverkauf über die Auktionshäuser gegeben. Beide Häuser rechneten schon damit, dass einige Lose keine Käufer finden werden. Sowohl bei der renommierten Impressionisten- als auch Zeitgenossenauktionen im November hatten sich zahlreiche Verkäufer die hochgefahrenen Preisgarantien gesichert. Diese Garantiesummen wurden den Einlieferern unabhängig vom Ausgang der Auktion für ihre Werke gewährt, um sie an das jeweilige Auktionshaus zu binden und sie zum Verkauf zu bewegen. Diese Garantien können für Auktionshäuser ziemlich riskant werden, wenn der Schätzpreis über dem wirklichem Verkaufspreis liegt. Das Haus muss die Differenz übernehmen oder bei Rückgängen das Werk in Eigenregie verkaufen. Sotheby’s will ihre Modalitäten, was die Vergabe der Garantiesummen betrifft, drastisch ändern, um das Risiko zu minimieren, zumindest so lange, bis die Stabilität der Weltwirtschaft wieder erreicht ist. 2007 hat das Auktionshaus 902 Mill. Dollar Garantien bezahlt, (2005 waren es 131 Mill. Dollar). Sotheby’s hat nach eigenen Angaben zwischen Oktober und November fast 53 Mill. Dollar an Garantien verloren. Das Auktionshaus hat bei enttäuschend verlaufenden Kunstversteigerungen in London und Hongkong alleine im Oktober 15 Mill. Dollar verloren. Das teilte das börsennotierte Auktionshaus in einer Mitteilung an die US-Börsenaufsicht SEC mit. Hohe KreditaufnahmeBei Sotheby’s ist die Rede von ausstehenden Garantien für mehr als 280 Mill. Dollar und von einer Kreditaufnahme in Höhe von 250 Mill. Dollar bei der Bank of America. Als Aktiengesellschaft ist Sotheby’s notgedrungen relativ transparent. Christie’s gehört zum Firmenimperium des französischen Unternehmers und Kunstsammlers François Pinault und ist nicht verpflichtet, ihre Zahlen zu veröffentlichen. Die Aktien des börsennotierten Auktionshauses Sotheby’s sind im Januar im Vergleich zum Vorjahr um über 70 % gefallen und werden auf dem Niveau vom Juli 2003 gehandelt. Seit März 2007 sind die Aktien sogar um mehr als 85 % gesunken.Wohl aus Sorge, dass die offenen Rechnungen nicht beglichen werden, hat Christie’s ebenfalls ihre Zahlungsmodalitäten geändert. Offiziell heißt es, dass neue Zahlungsmöglichkeiten per Kreditkarte erprobt werden sollen. Das Objekt muss jetzt vor der Abholung entweder bar oder per Kreditkarte bezahlt werden und wird erst nach Eingang der gesamten Summe ausgehändigt. Früher wurden die hohen Marktpreise teilweise über Kredite finanziert und das Geschäft mit der Beleihung von Kunstgegenständen boomte. Es gab immer mehr spezialisierte Finanzinstitute, wie die Art Capital Group oder Art Finance Partners, die Kunst als Kreditsicherheit akzeptierten. Laut Art Capital Group wurden im letzten Jahrzehnt 2 bis 3 Mrd. Dollar an Kunstsammler verliehen. Diese Verbindlichkeiten wurden teilweise vollständig mit Kunst abgedeckt und werden jetzt nicht mehr gerne an neue Kunden vergeben. Sowohl die Garantien als auch die Finanzierung machen den Preis zunehmend intransparent. Unter Berücksichtigung der neuen Entwicklung auf den Finanzmärkten und nach der Auswertung der Herbstauktionen entwickeln die Auktionshäuser neue Strategien für die Zukunft: Entlassungen, Sparmaßnahmen und Schließungen einiger Abteilungen sind geplant.