Finanzen persönlich

Bei Lebensversicherungen müssen Kunden noch genauer hinschauen

Gesetzesreform macht Überschusssystem komplexer - Angemessenheit der Beteiligung an Bewertungsreserven bei Vertragsablauf aber leichter nachvollziehbar

Bei Lebensversicherungen müssen Kunden noch genauer hinschauen

Von Stefan Terliesner Statistiken zufolge besitzt jeder Deutsche eine Lebensversicherung. So richtig indes kennt kaum jemand das Produkt. Dieser Eindruck entsteht, wenn man Versicherungsnehmer nach den Eigenschaften ihrer Police befragt. Bekannt ist allenfalls, dass der Versicherer die Beiträge am Kapitalmarkt anlegt, um mit den Erträgen die Leistungen zu finanzieren, seine Kosten zu decken und darüber hinausgehende Überschüsse an seine Kunden verteilt. Über welche Systeme die Verteilung erfolgt und welche Überschüsse ein Kunde garantiert erhält, wissen indes relativ wenige.Die Überschussbeteiligung besteht aus dem laufenden Überschuss und dem Schlussüberschuss. Mit der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) ist eine Komponente hinzugekommen: Seit 2008 müssen die Versicherer ausscheidende Kunden zu 50 % an den verteilungsrelevanten Bewertungsreserven aus Kapitalanlagen beteiligen. Bewertungsreserven resultieren aus dem Unterschied zwischen aktuellem Wert und Buchwert der zu Anschaffungskosten bewerteten Kapitalanlagen. Kunden, die ihre Verträge vorzeitig kündigen, sind fortan folglich besser gestellt.Allerdings bleibt das nicht ohne Folgen für die übrigen Komponenten, da mehr Geld das Unternehmen verlässt und somit der verteilungsfähige Überschuss sinkt. Alle Teile zusammen ergeben die Gesamtverzinsung einer Police. Im Schnitt liegt sie bei 5,31 % für Kapitallebens-, bei 5,12 % für Rentenlebensversicherungen und bei 4,94 % für Riester-Verträge. Dies hat die Ratingagentur Assekurata in der Marktstudie 2008 anhand von Musterverträgen festgestellt. Zwischen dem besten und dem schlechtesten Anbieter klafft aber eine große Spanne. Das Gleiche gilt für die garantierten Leistungen und die Bewertungsreserven. Nur Teile sichtbarNur Teile der Gesamtverzinsung sind dem Kunden sicher. Der Gesetzgeber schreibt für Neuverträge einen Garantiezins von 2,25 % vor, was der Inflationsrate für 2007 entspricht. Bei älteren Verträgen beträgt er bis zu 4 %. Die Sparanteile in den Beiträgen des Kunden müssen also mindestens diese Rendite abwerfen. Die Versicherer legen diesen Zins ihrer Kalkulation zugrunde, weshalb Fachleute auch vom Rechnungszins sprechen.Wie hoch die Überschüsse der Versicherer aber tatsächlich ausfallen, hängt primär von ihrem Anlageerfolg an den Kapitalmärkten ab. Dabei investieren sie die Beiträge ihrer Kunden primär in Anleihen. Aktien spielen eine bescheidene Rolle. Laut Branchenverband GDV lag die Aktienquote Ende 2007 im Schnitt bei 10 %. Marktführerin Allianz kommt eigenen Angaben zufolge auf 19 %. Aktien sind zwar riskanter, langfristig bringen sie aber die höchsten Renditen. Dies liegt vor allem an den Kursgewinnen, die mit Aktien erzielbar sind. Das macht sich auch bei den Bewertungsreserven bemerkbar.In Grenzen “spielt” jeder Versicherer mit den Bauteilen der Überschussbeteiligung, indem er Kapital zwischen den Komponenten “hin und her schiebt” und so die jeweilige Zinshöhe beeinflusst. Die Beteiligung an den Bewertungsreserven erfolgte bislang mittelbar über die Erhöhung der bisherigen Komponenten. Auch die Kosten- und Leistungssituation hat Einfluss auf die Höhe der Überschüsse. Insgesamt ist die Überschusspolitik für Außenstehende aber wenig transparent. “Blackbox”Lars Gatschke von der Verbraucherzentrale Bundesverband spricht von einer “Blackbox”. Er begrüßt daher, dass Versicherungsnehmer nach der VVG-Reform zumindest einen Anspruch auf angemessene Beteiligung an den Überschüssen und den Bewertungsreserven haben. Allerdings liege die Beweislast beim Versicherungsnehmer.”Die Zinshöhe der einzelnen Komponenten müssen Versicherer der Finanzaufsicht mitteilen”, sagt Reiner Will, Gesellschafter bei Assekurata. Die Deklaration erfolgt stets am Ende eines Jahres. Den laufenden Zinsüberschuss ermittelt der Versicherer jährlich neu und schreibt ihn anteilig jedem Kunden gut. Dazu bildet er eine Rückstellung, was einer verbindlichen Zusage entspricht. Mit dem bis zu diesem Zeitpunkt erwirtschafteten Kapital darf der Kunde fest rechnen. Der laufende Zinsüberschuss erhöht die garantierten Leistungen. Gekürzt oder ganz gestrichenDemgegenüber erhöht der Schlussüberschussanteil nicht die garantierten Leistungen. Die deklarierte Höhe bezieht sich nur auf Verträge, die im laufenden Jahr endfällig werden. Nur in diesem Fall erhalten Versicherungsnehmer den Schlussüberschussanteil in der deklarierten Höhe. Wird das Ende der Vertragslaufzeit wegen Tod oder Kündigung nicht erreicht, kürzt der Versicherer den Schlussüberschussanteil. Dabei gibt es wieder große Unterschiede zwischen den einzelnen Anbietern. Gerät ein Versicherer in Schwierigkeiten, kann er diese Überschusskomponente auch ganz streichen.Kompliziert wird es nun bei der Deklaration der Beteiligung an den Bewertungsreserven. Das liegt daran, dass der Gesetzgeber den Versicherern einen Ermessensspielraum bei der Verteilung der Bewertungsreserven auf die einzelnen Verträge einräumt. Die Vorgabe lautet nur “verursachungsorientiert”. Gatschke hätte sich hier eine eindeutige Regelung in einer Verordnung gewünscht. Die gibt es aber nicht.Tatsächlich gehen die Versicherer getrennte Wege. Laut Assekurata deklariert ein Teil der Versicherer eine Mindestbeteiligung an den Bewertungsreserven und finanziert diese über Rückstellungen in einem speziellen Schlussüberschussanteilsfonds. Dieser Weg sei vor allem bei Versicherern mit höheren Bewertungsreserven zu beobachten. Diese könnten dann mit einer zusätzlichen Zinskomponente eine höhere Gesamtverzinsung zeigen und sie für Werbezwecke nutzen. Sofern dieser Weg nicht beschritten wird, bestimmt sich die Beteiligung an den Bewertungsreserven rein an deren Höhe bei Vertragsablauf. “Über deren Höhe aber kann im Rahmen der Deklaration keine Aussage getroffen werden”, sagt Will. Der Grund: Die Deklaration erfolgt im Voraus beziehungsweise stets am Ende des abgelaufenen Jahres. Die für die Ermittlung von Bewertungsreserven notwendigen Marktpreise können sich danach aber schnell ändern. Ohne den beschriebenen Weg der Mindestbeteiligung hat die Deklaration von Bewertungsreserven also keinen Sinn. Unterschiedliche UmsetzungSo kommt es unter den Versicherern derzeit zu einer unterschiedlichen Umsetzung der VVG-Reform. Dazu Will: “Hierdurch wird die Überschussbeteiligung noch komplizierter, da nur bei einem Teil der Versicherer Elemente der Beteiligung aus Bewertungsreserven in die Deklaration eingehen.” Die Folge ist, dass die Aussagekraft des laufenden Zinsüberschusses an Bedeutung verliert. Dafür rückt die Gesamtverzinsung stärker in den Fokus. Unproblematisch ist das aber ebenfalls nicht, denn hinter dem Begriff Gesamtverzinsung verbergen sich eben unterschiedlich verbindliche Überschussbeteiligungen. Für Assekurata steht fest: Das Ziel der VVG-Reform, durch eine erhöhte Transparenz den Verbraucherschutz zu stärken, ist im Bereich der Überschussbeteiligung nicht erreicht worden. Ähnlich sieht das auch Gatschke: “Die Entscheidung für die richtige Police ist noch komplexer geworden.” Beim Vergleich der Renditen sollten Versicherungsnehmer also genau hinschauen. Das schützt später vor bösen Überraschungen. Und vielleicht lernen die Deutschen ihr liebstes Vorsorgeprodukt ja doch noch richtig gut kennen.