Recht und Kapitalmarkt

Beim Schutz gegen Staatsinvestoren gibt es Spielraum

Debatte um "gutes" und "böses" Kapital: Grundfreiheiten des EG-Vertrages spielen hinein - Nachweis des Allgemeininteresses erforderlich

Beim Schutz gegen Staatsinvestoren gibt es Spielraum

Von Peter O. Mülbert *) Der Schutz deutscher Unternehmen vor einer teilweisen oder gar vollständigen Übernahme durch ausländische Staatsunternehmen und Staatsfonds (Sovereign Wealth Funds) steht auf der politischen Agenda der Koalition. In der Kabinettsklausur in Meseberg wurde beschlossen, die Möglichkeiten eines Schutzes gegen problematische ausländische Investoren aus Russland, China, aber auch dem Mittleren Osten, prüfen zu lassen.Bei der bisherigen Diskussion um das Für und Wider solcher zusätzlicher Schutzmechanismen geht es im Kern darum, inwieweit eine marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung zwischen “gutem” und “bösem” Kapital unterscheiden kann (vgl. BZ vom 1.9.2007). Mit “bösem” Staatskapital werden dabei insbesondere folgende Gefahren verbunden: Technologietransfer auf dem Gebiet der Militär- und Sicherheitstechnik, (erpresserische) Einflussnahmen im Bereich der Energieversorgung und anderen Infrastruktursegmenten, Förderung ausländischer industriepolitischer Interessen, etwa indem der ausländische Staatsinvestor die Verlagerung von Arbeitsplätzen veranlasst. Schließlich stünde eine “Renationalisierung auf ausländische Staaten” im diametralen Widerspruch zu grundsätzlichen ordnungspolitischen Weichenstellung für eine umfassende Privatisierung staatlicher Unternehmen – mag dies auch dem Diktat der leeren öffentlichen Kassen geschuldet sein. Teilweise vorgegebenRegelungen zur Beteiligungskontrolle sind dem deutschen Recht wohl bekannt und teilweise sogar EG-rechtlich vorgegeben. Erwähnt seien nur die §§ 5 bis 7 Außenwirtschaftsgesetz sowie die durch EG-Richtlinien vorgeschriebene Anteilseignerkontrolle bei Banken, Versicherungen und Börsen. Rechtstechnisch gesehen sind dabei im Wesentlichen zwei Regelungsmuster anzutreffen: ein präventives Erwerbsverbot, gegebenenfalls versehen mit einem Erlaubnisvorbehalt, und die Befugnis zur nachträglichen Untersagung, verbunden mit Anzeige- und Meldepflichten, um der zuständigen Behörde eine informierte Entscheidung über eine allfällige Untersagung zu ermöglichen. Der Spielraum des deutschen Gesetzgebers bei der Einführung weiterer Kontrollmechanismen der genannten Art wird im Bezug auf Drittstaateninvestoren – gemeint sind damit staatsnahe Investoren aus anderen als den EU-/EWR-Mitgliedstaaten – zum einen durch die völkerrechtliche Abkommenslage bestimmt. Das betrifft bilaterale Abkommen der EU und (unter anderem ) der Bundesrepublik mit Drittstaaten, multilaterale Abkommen (OECD, IFW) sowie rein bilaterale Abkommen zwischen Deutschland und etwa den USA.Aus zwei Gründen spielen zum anderen die Grundfreiheiten des EG-Vertrages hinein, und dies sogar vorrangig. Zum einen gilt die Verbürgung der Kapitalverkehrsfreiheit im Unterschied zu den übrigen Grundfreiheiten auch für Angehörige von Drittstaaten. Ansässigkeit in der Gemeinschaft ist nicht erforderlich, so dass sich sogar juristische Personen aus Drittstaaten ohne Verwaltungssitz in der EU hierauf berufen können. Und da der EuGH in seinen Golden Share-Urteilen den sachlichen Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit dahingehend ausgeweitet hat, dass sie sowohl den Erwerb einer nicht die Kontrolle vermittelnden Beteiligung (Portfolioinvestition) als auch den einer Kontrollbeteiligung (Direktinvestition) umfasst, sind alle Regelungen betreffend den Beteiligungserwerb durch staatsnahe Drittstaateninvestoren an der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen.Zum anderen ist in Rechnung zu stellen, dass sich Drittstaateninvestoren regelmäßig ein gemeinschaftsangehöriges Akquisitionsvehikel verschaffen können, indem sie eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat gründen oder im Wege des Mantelkaufs erwerben. Dieses Vehikel könnte neben der Kapitalverkehrsfreiheit auch die Niederlassungsfreiheit in Anspruch nehmen; die Identität der Gesellschafter ist mangels Geltung der Kontrolltheorie hierfür nämlich irrelevant.Steht Drittstaateninvestoren die Berufung auf die Kapitalverkehrsfreiheit offen, verbleiben dem deutschen Gesetzgeber gleichwohl erhebliche Regelungsspielräume. Eine nationale Regelung verstößt nämlich nur dann gegen die Kapitalverkehrsfreiheit, wenn hierdurch Ausländer diskriminiert werden bzw. die Wahrnehmung der Grundfreiheit für sie an Attraktivität einbüßt, ohne dass diese Beschränkung durch die Verfolgung gewichtiger Allgemeininteressen gerechtfertigt wäre, oder sofern eine beachtliche Allgemeininteressen verfolgende Beschränkung jedenfalls unverhältnismäßig ist. Nicht erfasst Was das Vorliegen einer Beschränkung angeht, werden Anzeige- oder Meldepflichten wohl von vornherein nicht erfasst. In seinen Golden Share-Urteilen lässt der EuGH erkennen, dass seine für die Warenverkehrsfreiheit entwickelte Restriktion des Beschränkungsbegriffs auch auf die Kapitalverkehrsfreiheit zu übertragen sein könnte. Nach dieser Keck-Rechtsprechung bilden Vorschriften, die lediglich Vertriebsmodalitäten betreffen, im Gegensatz zu produktbezogenen Regeln per se keine Beschränkung und dementsprechend dürften Anzeige- und Meldepflichten im Rahmen der Kapitalverkehrsfreiheit grundsätzlich als vertriebsbezogene Regelung einzustufen sein. Allerdings läge eine rechtfertigungsbedürftige Diskriminierung dann vor, wenn solche Pflichten allein für den Erwerb durch Drittstaateninvestoren vorgesehen würden.Auf der Rechtfertigungsebene resultieren Regelungsspielräume zunächst aus Art. 58 Abs. 2 EG-Vertrag. Danach ist jedwede Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit zulässig, soweit die Regelung eine mit der Niederlassungsfreiheit vereinbare Beschränkung bildet. Die Niederlassungsfreiheit ist jedoch nur für Staatsangehörige und Gesellschaften der EU-/EWR-Mitgliedstaaten eröffnet. Aus ihrer Sicht sind daher alle mitgliedstaatlichen Beschränkungen unbedenklich, die lediglich für Staatsangehörige und juristische Personen aus Nicht-EU/EWR-Mitgliedstaaten gelten. Damit sind Regelungen betreffend den Erwerb durch Drittstaateninvestoren per se mit der Kapitalverkehrsfreiheit zu vereinbaren, soweit der Beteiligungserwerb sachlich in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit fallen würde. Dies wiederum ist nach dem EuGH dann der Fall, wenn es sich um den Erwerb einer Kontrollbeteiligung handelt, d.h. eine Investition, die einen sicheren Einfluss auf die Verwaltung und damit Kontrolle über die Gesellschaft verschafft.Eine Kontrolle von Beteiligungserwerb unterhalb dieser Schwelle kann nur bei Verfolgung eines gewichtigen Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Als ein solches haben Golden-Share-Urteile die Sicherheit der Energieversorgung sowie die Gewährleistung von Dienstleistungen im Allgemeininteresse, konkret den postalischen Universaldienst, anerkannt. Beide Aspekte, die etwa um die Sicherheit der Verkehrsinfrastruktur oder der militärischen Sicherheit zu ergänzen wären, können nur sektorale Kontrollen rechtfertigen. Tiefe Taschen Die Ausweitung des Staatseinflusses durch das Auftreten staatsnaher Drittstaateninvestoren bildet jedoch ein sektorübergreifend ordnungspolitisches Grundsatzproblem. Staatsunternehmen können aufgrund der tiefen Taschen ihres Anteilseigners am Markt gegebenenfalls anders als dem Wettbewerbsdruck ausgesetzte private Unternehmen agieren und hierdurch die Wettbewerbsverhältnisse massiv verfälschen. Die Vorschriften des EG-Vertrags betreffend die Aufsicht über mitgliedstaatliche Beihilfen suchen gerade auch derartige Verzerrungen zu verhindern. Jedoch greifen sie bei der Gewährung von Beihilfen durch Drittstaaten nicht ein, so dass sie durch anderweitige Mechanismen zu substituieren sind, um mögliche Wettbewerbsverfälschungen aus der Beteiligung staatlicher oder staatsnaher Drittstaateninvestoren zu verhindern. Hieraus ist eine Rechtfertigung für entsprechende Kontrollmechanismen auch hinsichtlich solcher Erwerbsvorgänge abzuleiten, die keine Kontrollbeteiligung im Sinne der Niederlassungsfreiheit zum Gegenstand haben, sofern das Verhältnismäßigkeitsgebot gewahrt bleibt. Noch ungeklärt Was schließlich den Einsatz eines Akquisitionsvehikels anbelangt, das nach der Rechtsordnung eines Mitgliedstaates gegründet wurde, wäre dessen Beteiligungserwerb an sich nur nach Maßgabe der strengen Golden Share-Regeln zu kontrollieren. Ob dies auch für den praktisch nahe liegenden Fall gilt, dass das Vehikel den Erwerb mittels einer direkten oder indirekten finanziellen Absicherung (Garantie, Bürgschaft etc.) seines drittstaatlichen Anteilseigners realisiert, ist derzeit noch ganz ungeklärt. *) Prof. Dr. Peter O. Mülbert, Universität Mainz, ist Direktor des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens an der Johannes Gutenberg-Universität.