RECHT UND KAPITALMARKT

Berlin behält zurückhaltende Linie bei

Regierungsentwurf zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie

Berlin behält zurückhaltende Linie bei

Von Kai-Steffen Scholz und Simon Patrick Link *)Die Bundesregierung hat in dieser Woche den Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) beschlossen. Er folgt auf den Referentenentwurf vom Oktober 2018, der zu einer großen Zahl von Stellungnahmen geführt hatte. Der Regierungsentwurf berücksichtigt diese zwar in einer Reihe von Detailfragen. An der grundsätzlichen Linie, nur behutsam in das bewährte aktienrechtliche Gefüge einzugreifen, hält der Regierungsentwurf jedoch fest und macht zu diesem Zweck von den durch die Richtlinie eröffneten Wahlrechten Gebrauch. Dieser Ansatz ist zu begrüßen. VorstandsvergütungDies gilt zunächst für die Festlegung der Vorstandsvergütung. Auch nach dem Regierungsentwurf ist das Votum der Hauptversammlung (HV) zu Vergütungssystem und Vergütungsbericht nicht bindend. Die letztendliche Entscheidung verbleibt dem Aufsichtsrat. Das ist aus dem geltenden Recht bekannt und hat sich dort bewährt. Nach deutschem Recht ist die Festlegung der Vergütung des Vorstands eine der wesentlichen Aufgaben des Aufsichtsrats. Verbindliche Entscheidungen der HV über das Vergütungssystem würden den (der Arbeitnehmermitbestimmung unterliegenden) Aufsichtsrat schwächen. Gleichzeitig würde er aus der Verantwortung entlassen, durch die Gestaltung der Vergütung die richtigen Anreize für das Management zu setzen. Das wäre ein weitreichender Eingriff in das Kompetenzgefüge deutscher Aktiengesellschaften. Die dualistische Struktur der AG – der Vorstand leitet die Geschäfte, der Aufsichtsrat kontrolliert – würde in einem wesentlichen Aspekt entwertet. Mit der jüngeren Rechtsentwicklung, die den Aufsichtsrat zunehmend in die Verantwortung genommen hat, wäre eine solche “Entmachtung” schwerlich vereinbar. Dritte entscheiden Mit der Verlagerung der Entscheidungskompetenz auf die HV würden – so ein verbreitetes Argument – diejenigen über die Höhe der Vergütung entscheiden, die sie auch bezahlen. Das leuchtet auf den ersten Blick ein. Ob die damit angesprochenen Agency-Probleme tatsächlich vermieden würden, ist jedoch zweifelhaft. Ein Großteil der institutionellen Investoren und damit ein hoher Anteil der Aktionäre vertraut bei Abstimmungen auf das Urteil von Stimmrechtsberatern. Damit entscheiden letztlich auch wieder nicht die Eigentümer. Vielmehr wird der – von der HV gewählte, ausschließlich dem Unternehmensinteresse verpflichtete und der Gesellschaft und damit wirtschaftlich den Eigentümern haftende – Aufsichtsrat durch Dritte ersetzt, auf die all dies nicht zutrifft.Für Geschäfte mit nahestehenden Personen sieht der Regierungsentwurf weiterhin eine Aufgreifschwelle von 2,5 % der Bilanzsumme und eine Billigung darüber hinausgehender Geschäfte durch den Aufsichtsrat vor. Für die alternativ von der Richtlinie vorgesehene Beschlussfassung der HV über Geschäfte mit nahestehenden Parteien wäre die Hauptversammlung mit ihren umfangreichen formalen Anforderungen und dem nicht zu unterschätzenden Risiko von Anfechtungsklagen, mit denen erfahrungsgemäß nicht immer das Unternehmenswohl, sondern auch Eigeninteressen verfolgt werden, nicht das richtige Instrument. Die Verlagerung der Entscheidungszuständigkeit auf die HV würde zudem einen Fremdkörper in das im europäischen Vergleich detailliert geregelte deutsche Konzernrecht einführen. Das wäre umso bedenklicher, da Related Party Transactions vielfach operatives Geschäft betreffen. Das legt der Gesetzgeber aber aus wohl überlegten Gründen in die Hände von Vorstand und Aufsichtsrat.Gerade bei Related Party Transactions bleiben allerdings auch nach dem Regierungsentwurf noch eine Reihe von Detailfragen. Bei der praktischen Anwendung der Regelungen werden diese vorhersehbar zu Klärungsbedarf führen. So sind Abgrenzungsschwierigkeiten in der Frage zu erwarten, wonach sich die Marktüblichkeit von Geschäften im ordentlichen Geschäftsgang bemessen soll, die darüber entscheidet, ob ein Vorgang eine zustimmungspflichtige Related Party Transaction darstellt. Unsicherheiten sind darüber hinaus etwa programmiert bei der für die Anwendung der Neuregelungen maßgebenden Bestimmung, ob eine Vertragspartei eine Related Party ist. So soll ab einer Beteiligung von 20 % der Stimmrechte ein Näheverhältnis vermutet, aber widerlegt werden können. Dass das in der Realität nicht immer leicht zu entscheiden und damit mit Unwägbarkeiten behaftet sein wird, liegt auf der Hand. Die Zeit läuftDie Frist für die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht endet am 10. Juni 2019. Ob das Gesetzgebungsverfahren bis dahin abgeschlossen wird, ist nach jüngsten Äußerungen aus den Fraktionen, die Nachbesserungen am Entwurf fordern, nicht selbstverständlich. Diese Forderungen betreffen auch grundlegende Punkte. Aus Sicht der Praxis ist zu hoffen, dass sie das ARUG II nicht von dem mit dem Regierungsentwurf eingeschlagenen Weg abbringen.—-*) Dr. Kai-Steffen Scholz und Dr. Simon Patrick Link sind Partner bei Hengeler Mueller.