RECHT UND KAPITALMARKT

Besserungsschein auf den Kaufpreis kehrt in den M&A-Markt zurück

Comeback des Instruments bei Veräußerungen von Unternehmen in der Krise

Besserungsschein auf den Kaufpreis kehrt in den M&A-Markt zurück

Von Maximilian Schwab *) Wer auf Earn-out zahlt ist doof – so lautet nach wie vor die herrschende Meinung im M&A-Markt. Umso erstaunlicher scheint es, dass der Earn-out zurückkehrt. Um dies zu verstehen, sollte man einen Blick auf die Entwicklung dieser Modelle werfen.Ein Earn-out ist ein Besserungsschein auf den Unternehmenskaufpreis, der erst nach Vollzug aufgrund von bestimmten Voraussetzungen fällig wird – oder eben nicht. Seinen Einzug in das vergleichsweise junge deutsche Transaktionsgeschäft hielt er erst Ende der 90er. Hier fand er in zwei Fällen besonders häufig Anwendung: der Verkauf von familien- bzw. gründergeführte Mittelstandsunternehmen und Unternehmen der “New Economy”. Wollte beim Ersten der Erwerber Sicherheit, dass das Unternehmen auch ohne den bisherigen Gesellschafter weiter funktioniert, waren es beim Zweiten die Verkäufer, die das Risiko eines “zu billigen” Verkaufs scheuten. Gleich war die Sorge, bei der Festlegung auf einen finalen Kaufpreis, wirtschaftliche Fehler zu machen.An dieser Stelle kam der Earn-out ins Spiel, meist Ebit(da)-basiert, bei dem eine oder mehrere zusätzliche Kaufpreiszahlungen in den nach dem Verkauf folgenden Wirtschaftsjahren vereinbart werden, wenn bestimmte Ergebnis-Zielgrößen erreicht werden. So soll einerseits der Käufer Sicherheit erhalten, in ein wachsendes Unternehmen zu investieren, andererseits soll der Verkäufer die beim Verkauf schon gesäten unternehmerischen Früchte (mit)ernten.Sieht dies auf den ersten Blick nach einem charmanten Weg aus, gegenläufige Interessen zusammenzuführen, so liegen in der die Bindung an die Zukunft die Probleme. Ist man bis zum Vertragsschluss noch motiviert, diesen als gemeinsames Ziel, zu erreichen, laufen diese nach Abschluss schnell auseinander.Beim Berechnungszeitpunkt des Earn-out sind schon viele Monate vergangen, der Verkäufer ist nicht mehr im Unternehmen und hat keinen Einfluss auf die Erstellung der Berechnungsgrundlage. So gut sich eine Ebitda-Formel im Vertrag beschreiben lässt, es bleiben buchhalterische Wahl- und Anpassungsmöglichkeiten. Gleichzeitig leitet der Käufer das Unternehmen schon länger selbst und führt daher die Ebitda-Entwicklung – sollte sie positiv sein – ab Kauf eher auf seinen eigenen Beitrag zurück als auf die “Saat” des Vorgesellschafters. Dies führt dann dazu, dass es zum Streit um die Berechnung und im Ergebnis, wenn überhaupt, zu Zahlungen kommt, die durch Nachverhandlung und nicht rein mathematisch bestimmt werden. Aus diesen wiederkehrenden Abläufen prägte sich dann auch die plakative Erkenntnis der Überschrift. Zusammen mit vielen Veränderungen in der Transaktionslandschaft hat dies nahezu zum Aussterben des Ebitda-Earn-out geführt. Qualität und Tiefe der Unternehmensbewertung sind deutlich gestiegen, bereits zum Kauf werden zukunftsorientierte Aspekte abgebildet. Transaktionssicherheit Vor allem aber ist Transaktionssicherheit entscheidend geworden, also bei Abschluss genau zu wissen, was die Anschaffungskosten sind bzw. der tatsächliche Erlös ist. Die Absicherung bzw. Gleichschaltung der Interessen in Form der Rückbeteiligung hat sich dazu als das belastbare aber auch erfolgreichere Instrument erwiesen. Hier bleibt der Verkäufer und/oder das Management am Zielunternehmen beteiligt und partizipiert so an dessen Wertentwicklung mit.Bei Verkäufen von Unternehmen in der Krise oder solchen mit einem konkreten Risiko innerhalb des Unternehmens erfreuen sich Earn-outs mittlerweile wieder steigender Beliebtheit. Die Gründe für das Comeback sind aber andere. Der risikobezogene Earn-out ist eine Regelung, mit der Aussage “Wenn bis Tag X etwas Bestimmtes (nicht) passiert ist (z. B. Gewinn/Niederlage in einem Gerichtsverfahren), ist Betrag Y zu zahlen”. In der Sache ist dies die bevorzugte Alternative zum vorläufigen Kaufpreiseinbehalt auf einem Treuhandkonto für ein konkretes Risiko. Die Zunahme erklärt sich schlicht durch die mittlerweile anfallenden Negativzinsen. Probates MittelBei einem Unternehmen in der Krise, das ohne neue Liquiditätszufuhr in die Insolvenz geraten würde, der gegenwärtige Gesellschafter diese aber nicht zuführen kann bzw. bereits der Insolvenzverwalter der Verkäufer ist, ist eine Earn-out Struktur in Verbindung mit einem niedrigen Kaufpreis und der Pflicht, dem Unternehmen Liquidität zuzuführen, schon immer ein probates Mittel gewesen, schnell eine Lösung zu finden. Da derartige Situationen in der Vergangenheit insgesamt selten waren, im letzten Jahr aber stetig zugenommen haben, wie etwa in der Automobilbranche, zeigt sich entsprechend auch eine Zunahme von Earn-outs.Abschließend lässt sich sagen: Ein klar und sauber formulierter Earn-out kann in Sondersituationen ein probates Mittel sein, schnell und pragmatisch eine Einigung zu erzielen. Wer sich aber ohne Not auf einen Earn-out einlässt, etwa um sich die Kaufpreisfindung und -verhandlung einfacher zu gestalten, darf sich nicht wundern, wenn ihm später beim Versuch, das in die Zukunft verlagerte Problem zu lösen, mangelnde Weitsicht vorgeworfen wird. *) Dr. Maximilian Schwab ist Partner von Willkie Farr & Gallagher in Frankfurt.