Asset Management

Beteiligungskapital überschwemmt Emerging Markets

Für Investitionen stehen 150 Mrd. Dollar bereit - China öffnet sich - Citigroup: Emittenten müssen Finanzstrategie überdenken

Beteiligungskapital überschwemmt Emerging Markets

Von Bernd Neubacher, New York Allen Risiken zum Trotz: Der Boom der Emerging Markets ist stärker denn je. Nach Schätzungen des Institute of International Finance (IIF) schwollen die privaten Kapitalzuflüsse im vergangenen Jahr auf das Rekordniveau von insgesamt gut 550 Mrd. Dollar an, dies ist weit mehr als das Doppelte des Jahres 2003. Im laufenden Jahr dürften Investoren, Banken und private Gläubiger in etwa dieselbe Summe anlegen oder bereitstellen, schätzt der Finanzdienstleisterverband. Die Ende Februar durch die Probleme im US-Hypothekenmarkt ausgelöste Zurückhaltung scheint längst vergessen. Die Direktinvestitionen, bei denen Investoren Anteile von mindestens 10 % an Unternehmen kaufen, sollten 2007 nach IIF-Erhebungen jedenfalls stark anziehen (siehe Grafik). Ganz vorn mit dabei sind Beteiligungsfonds, die die Wachstumsmärkte derzeit mit ihrem Geld geradezu überschwemmen. Ein Zehntel der Mittel von Hedgefonds und Finanzinvestoren zielt heute auf Emerging Markets. Allein den Beteiligungsfonds stehen für Investitionen geschätzt rund 150 Mrd. Dollar zur Verfügung. Dies entspräche einem Drittel des Volumens, das 2006 überhaupt an Übernahmen in den Emerging Markets zusammenkam. Breitere AnlegerbasisEin Ende des Wachstums ist fürs Erste nicht abzusehen. Erst Mitte vergangener Woche signalisierte China, sich für ausländische Finanzinvestoren öffnen zu wollen, nachdem der Versuch, nationale Wettbewerber heranzuziehen, wohl gescheitert ist. Der volle Effekt von Private Equity auf die Emerging Marktes wird sich erst noch entfalten, meint die amerikanische Citigroup. Die Verbreiterung der Anlegerbasis erhöhe auf jeden Fall die Belastbarkeit der Emerging Markets, sagte IIF-Chairman Josef Ackermann vor wenigen Tagen auf der Mitgliederversammlung des Verbands in Athen.Für die Emittenten hat der Vorstoß der Beteiligungsgesellschaften und anderer Institutioneller Folgen. Sie sind unversehens mit einer “neuen Art von Aktionär” konfrontiert, wie Carsten Stendevad erklärt, Managing Director von Citigroup (siehe Interview auf dieser Seite).Zugleich sehen sich auch die Finanzinvestoren vor einer neuen Situation: ein Unternehmen schuldenfinanziert zu übernehmen, zu zerlegen und mit sattem Gewinn zu veräußern ist in der Regel keine Option. Selbst von den Emittenten mit einem Börsenwert von über 10 Mrd. Dollar befindet sich nach wie vor jeder zweite mehrheitlich in Familienbesitz oder wird von der öffentlichen Hand kontrolliert. Ausgerechnet auf dem so attraktiven indischen Markt etwa müssen sich Beteiligungsgesellschaften in der Regel mit der Juniorrolle zufriedengeben. Ausländer rein, Kurs hochWie ein Vergleich der 1 500 größten Emerging-Market-Emittenten durch die Bank ergibt, haben ausländische Institutionelle ihre Beteiligungen an diesen Unternehmen insgesamt deutlich ausgebaut, von 0,4 % im Jahre 2001 auf 7 % im vergangenen Jahr. Die Beteiligungsgesellschaften unter ihnen konkurrieren mit den Unternehmen zudem auf dem M & A-Markt um Kapital und Mitarbeiter. Emittenten bietet das verstärkte Engagement ausländischer Institutioneller laut Citigroup grundsätzlich Chancen. Ihr Vergleich der Emittenten aus Asien ausschließlich Japans, Zentral- und Osteuropas, des Nahen Ostens, Afrikas und Lateinamerikas ergibt: Gesellschaften mit hohem Ausländeranteil im Aktionariat genießen eine höhere Bewertung als ihre Wettbewerber. Und auch Unternehmen mit moderaten Wachstumsaussichten können ausländische Investoren anlocken und starke Bewertungen erreichen, indem sich sie auf die “Erzeugung freien Cash-flows, effiziente Bilanzen und eine generöse Dividendenpolitik” konzentrieren. Die Kehrseite: Ihre Finanzstrategie wird in Frage gestellt. Im Verwaltungsrat mögen die neuen Aktionäre nichts zu melden haben. Druck machen können sie aber über die Bewertung eines Unternehmens. Aktionärsaktivismus drohtGesellschaften, die weder Wachstum noch Rendite bieten, bekommen laut der Untersuchung von Citigroup die Quittung in Form niedrigerer Kurse und – Aktionärsaktivismus. So setzten im vergangenen Jahr die Investoren Carl Icahn und Warren Lichtenstein bei KT & G, dem größten Tabakproduzenten in Südkorea, binnen weniger Monate einen Sitz im Board, eine Veräußerung, Aktienrückkäufe und eine Erhöhung der Dividende um 40 % durch. Zwar ist nicht auszuschließen, dass Finanzinvestoren und andere Institutionelle den Emerging Markets den Rücken kehren werden, wenn allgemein die Risikoscheu zunimmt oder die Mehrheitsverhältnisse in den Unternehmen hohe Renditen verhindern. Fürs Erste allerdings läuft der Trend in die entgegengesetzte Richtung. Ende 2006 warben nicht weniger als 271 Finanzinvestoren Mittel für entsprechende Anlagen ein. Emittenten sollten sich und ihre Finanzstrategie auf die stärkere Präsenz ausländischer Investoren einstellen, meint Citigroup, die in ihrer Financial Strategy Group nach Worten Stendevads täglich Unternehmen aus den Emerging Markets berät. Auf Unternehmen im Familienbesitz können demnach schwierige Entscheidungen zukommen, etwa darüber, die Kontrolle abzugeben oder um der Aufnahme von Wachstumskapital willen die Transparenz des Unternehmens zu erhöhen. Aus Sorge um ihre Rechte als Minderheitsaktionär versähen Anleger Emerging-Market-Emittenten in Familienbesitz immerhin mit einem Bewertungsabschlag zwischen 5 und 20 %. Mehr strategischer Spielraum Wachstumsschwache Unternehmen müssten Investoren dagegen großzügige Ausschüttungen und eine “effizient gehebelte Bilanz” bieten. Zudem ist nach Einschätzung des Finanzdienstleisters eine Verbesserung der Investor Relations nötig. Nur die größten Emittenten aus den Emerging Markets seien derzeit in der Lage, aus eigener Initiative in den Dialog mit Investoren zu treten, heißt es. Nicht zuletzt legt die Bank den Unternehmen ans Herz zu überlegen, die “Private-Equity-Revolution” zu ihrem Vorteil zu nutzen. Einigen könnten Finanzinvestoren Kapital für strategische Großakquisitionen bereitstellen. Anderen würde möglicherweise ein Weg aufgezeigt, reife Assets zu Geld zu machen oder eine schuldenfinanzierte Übernahme einzuleiten.