Bewertungspraxis von Start-ups durch Risikokapitalgeber

Venture-Capital- und Corporate-Venture-Capital-Geber bedienen sich einer ganzen Reihe von Verfahren - Objektivität und Transparenz schwer darstellbar

Bewertungspraxis von Start-ups durch Risikokapitalgeber

Immer wieder stellt sich die Frage, welche Methoden bei der Bewertung eines Start-ups zugrunde gelegt werden und wie sich Corporate-Venture-Capital-Manager (CVC) und Venture-Capital-Manager (VC) bei der Auswahl von Bewertungsmethoden unterscheiden. Um hierzu ein detailliertes Bild zu erhalten, sind verschiedene Kriterien, Bewertungsmethoden und Sonderrechte zu untersuchen und zu berücksichtigen.Im Zentrum der Wertermittlung eines Start-up-Unternehmens steht in der Regel die Analyse von qualitativen Kriterien. Analysiert werden Management-, Produkt-/Service-/Technologie-, Markt- und weitere Kriterien – jeweils unterscheidend, ob es sich hierbei um einen CVC oder VC handelt. Als wichtigste Managementkriterien sehen CVC-Manager gemäß einer wissenschaftlichen VC-Studie des Lehrstuhls für Unternehmensfinanzierung der Technischen Hochschule Nürnberg und von Rödl & Partner die Qualifikationen und die finanziellen Beteiligungen der Gründerteams. VC-Manager sehen bei den Managementkriterien ebenfalls die Qualifikationen des Gründungsteams als außerordentlich wichtig an.Bei der Betrachtung der Produkt-/Service- und Technologiekriterien wurden unter anderem “Beurteilung des USP (Unique Selling Point)”, “mögliche Partner” und “Time to Market” beleuchtet. Daraus lässt sich ableiten, dass bei der Beurteilung des USP sowohl CVC-Manager als auch VC-Manager dieses Kriterium als wichtig oder sehr wichtig ansehen. Potenzielle Partnerschaften hingegen sind VC-Managern in 63 % der Antworten sehr wichtig, wohingegen 63 % der CVC-Manager dies als weniger wichtig erachten. Auch bei dem Erreichen der Marktreife liegen die Interessen von VC- und CVC-Managern weit auseinander. So ist dieses Kriterium 65 % der VC-Manager sehr essenziell während es bei den CVC-Managern nur 22 % sind.Ein weiteres Kriterium ist das Schutzbedürfnis durch Patente. Dies ist vor allem CVC-Unternehmen sehr wichtig (78 %). Eine Ursache dieses verstärkten Schutzbedürfnisses könnte sein, dass durch getätigte Investitionen in Start-ups, die im gleichen Markt agieren wie das Unternehmen des CVC-Managers, potenzielle Innovationen im eigenen Markt geschützt werden und dem CVC-Unternehmen exklusiv zur Verfügung stehen. Strategische Ziele stehen für CVC-Manager daher auch oftmals vor Renditemaximierung. VC-Unternehmen bevorzugen demgegenüber in der Regel schnell skalierbare Geschäftsmodelle, welche die Renditemaximierung in den Vordergrund stellen.Bei den Marktkriterien sind sich VC-Geber und CVC-Geber einig. Hier gilt das Wachstumspotenzial als wichtigster Gradmesser für den Erfolg der Beteiligung. Produktsubstitute sind hingegen eher den CVC-Managern wichtig (88 %), während dies bei VC-Managern nur zu 67 % eine sehr wichtige Rolle spielt. Auch das Kriterium “Kundenabhängigkeit” verteilt sich ähnlich (89 % bei CVC gegenüber 70 % bei VC).Die Wahl der Bewertungsmethode hängt von der Phase ab, in der sich das Start-up befindet. Die drei Phasen “Early Stage”, “Expansion Stage” und “Late Stage” entscheiden also, welche Bewertungsmethode die VC-Manager oder CVC-Manager anwenden, wenngleich in allen Phasen Methodenpluralität vorherrschend ist.Early Stage: Hier wird hauptsächlich auf Erfahrung, Multiples aus vergleichbaren Finanzierungsrunden sowie auf die VC-Methode zurückgegriffen. Da die VC-Methode auch nahezu ausschließlich über die Multiplikatoren den Exitwert bestimmt, ist der marktorientierte Ansatz vorherrschend. Die durchschnittliche Erfahrung, die VC-Manager beziehungsweise CVC-Manager mitbringen, um den Wert eines Start-ups anhand von Erfahrungswerten bestimmen zu können, liegt bei 13,6 Jahren. (mindestens = 2 Jahre, maximal = 60 Jahre).Expansion Stage: Umfassend lässt sich sagen, dass auch in dieser Phase marktorientierte Bewertungsansätze vorherrschend sind. So sind vor allem Multiples aus vergleichbaren Finanzierungsrunden, Transaction, Trading sowie Industry Multiples und die VC-Methode die am meisten verwendeten Methoden für die Bewertung von Start-ups in dieser Phase. Investitionstheoretische Bewertungsverfahren wie das DCF-Verfahren nehmen zwar an Bedeutung zu, sind jedoch immer noch unterrepräsentiert.Later Stage: Hier verschieben sich die angewandten Bewertungsmethoden, weg von den marktorientierten Bewertungsansätzen, hin zu investitionstheoretischen Bewertungsverfahren. So sind in dieser Phase DCF-Verfahren sowie Transaction Multiples und Multiples vergleichbarer Finanzierungsrunden die vorherrschenden Bewertungsmethoden. Anderen Methoden, darunter auch die VC-Methode (zum Beispiel Realoptionen, EVA, Liquidationswert), kommt in der Later Stage eine eher untergeordnete Bedeutung zu.Zusätzlich zur Wahl der Bewertungsmethode, die für das Start-up angewandt wird, schlagen sich die Vertragsausgestaltung und die damit einhergehenden Sonderrechte für Investoren oder Gründer auf den Kaufpreis nieder. Sonderrechte können hierbei einen erheblichen Einfluss auf das Start-up, die Gründer, das Management und die Investoren haben. So gleichen spezielle Sonderrechte zumeist bestehende Informationsasymmetrien zwischen Gründern und Investoren aus. Des Weiteren können sowohl Gründer als auch Investoren geschützt werden, und gleichzeitig kann ein fairer Kaufpreis ausgehandelt werden. Bei Sonderrechten werden vorzugsweise Liquidationspräferenzen sowie Participating-Preferred-Varianten vereinbart. Aber auch Drag-along-Klauseln und Verwässerungsschutzklauseln (vor allem in der Early Stage) stehen bei Verhandlungen um Sonderrechte hoch im Kurs.Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass nicht alle Sonderrechte einen Einfluss auf den endgültigen Kaufpreis haben. Dennoch werden sie zumeist in den Unternehmenswert mit eingepreist.Fazit: CVC-Manager und VC-Manager bedienen sich aus einer ganzen Reihe von Bewertungsverfahren, mit denen sie den Wert eines Start-ups bestimmen. Durch die subjektive Wahrnehmung der zukünftigen Wertentwicklung jedes Portfoliounternehmens spielt die Erfahrung der einzelnen CVC-Manager und VC-Manager eine ausschlaggebende Rolle, wenn eine Bewertung anhand von Erfahrungswerten vorgenommen wird. Objektivität und Transparenz bei der Bewertung sind aber schwer darstellbar.Festzuhalten bleibt, dass der Schwerpunkt bei den Bewertungen weniger auf den quantitativen Bewertungsmethoden liegt, sondern vielmehr auf qualitative Bewertungsmethoden zurückgreift sowie auf Vergleiche mit Bewertungen vergleichbarer Finanzierungsrunden. Dieses Bild verschiebt sich je nach “Lebensphase”, in der sich das Start-up-Unternehmen befindet. So werden in Expansion Stage und Late Stage sukzessive quantitative Bewertungsmethoden angewandt. Dennoch werden auch hier Parameter, wie etwa Kapitalkosten, eher über pauschale Annahmen abgeleitet.Neben der Unternehmensbewertung ist die Diskussion über die Ausgestaltung möglicher Sonderrechte bei den Beteiligungsverhandlungen ein ausschlaggebender Punkt. Diese Sonderrechte haben zumeist einen erheblichen Einfluss auf die zukünftige Entwicklung des Unternehmens sowie auf die Gründer und die Investoren. Die von den Verhandlungspartnern vereinbarten Sonderrechte stellen tendenziell eher investorenfreundlichere Konditionen dar. Als ein zentraler Einflussfaktor auf den endgültigen Unternehmenskaufpreis gelten hier die Liquidationspräferenzen.—-Cyril Prengel, Partner, EMBA (M&A) und Certified Valuation Analyst (CVA) bei Rödl & Partner