Bezahlen mit dem guten Namen
Von Lars Hombrecher *) “Daimler-Chrysler”: 30,3 Mrd. Euro; “Deutsche Post”: 16,6 Mrd. Euro; “Deutsche Börse”: 1,6 Mrd. Euro – nur wenige Marken erreichen Werte, wie sie 2005 für diese deutschen Top-Marken angegeben werden. Dennoch macht der Anteil des Markenwertes nach einschlägigen Studien gegenwärtig oft weit über 50 % des Unternehmenswertes aus. Damit überwiegt in vielen Unternehmen der Wert der Marken schon heute den Wert der übrigen Vermögensgüter deutlich.Der Grund hierfür liegt in der überragenden Bedeutung der Marke als wichtigstes Kommunikationsmittel zwischen Anbieter und Kunde: In zahlreichen Branchen entscheiden längst nicht mehr allein die angebotenen Produkte als solche über den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens. Ausschlaggebend sind zunehmend das Image dieser Produkte und die an sie geknüpften Qualitätserwartungen der Kunden. Beides transportiert zu einem Großteil die Marke als schnell zu identifizierendes Kennzeichen. Potenzial nicht erkanntDa sich Marken ohne weiteres veräußern oder lizenzieren lassen, können die mit ihnen verbundenen Marktanteile auf Dritte übertragen werden. So erstaunt es nicht, dass von den 12,9 Mrd. Dollar, für die Philip Morris 1988 Kraft Foods erwarb, nach Expertenmeinung allein 11,6 Mrd. auf den Markenwert entfielen.Im Gegensatz zu den USA ist dieses Potenzial der Marke in Deutschland bislang kaum erkannt und ausgeschöpft worden. Dies mag zunächst daran liegen, dass Marken bis Anfang der 1990er Jahre nicht losgelöst vom zugehörigen Geschäftsbetrieb verwertet werden konnten und damit als eigenständig nutzbarer Vermögenswert praktisch ausfielen. Zudem dürfte bis heute dazu beitragen, dass selbsterschaffene Marken-werte nicht bilanziert werden dürfen, damit Marken als Assets häufig aus dem Blickfeld verschwinden und sich somit zu einer wahrhaft “stillen” Reserve entwickelt haben. Zahlreiche Unternehmen verfügen daher mit ihren Markenportfolios derzeit noch über beträchtliche Finanzreserven, die insbesondere vor dem Hintergrund von Basel II und der damit unter Umständen erschwerten Kreditaufnahme zunehmend als Sicherungsmittel aktiviert werden. Dabei stehen nicht allein deutsche Marken, die beim Deutschen Patent- und Markenamt in München verwaltet werden, zur Verfügung. Zahlreiche Unternehmen besitzen mittlerweile international angelegte Portfolios mit europa- oder weltweit wirksamen Rechten, die bei der Weltorganisation für Geistiges Eigentum in Genf oder dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt in Alicante registriert sind.Prominentes Beispiel dafür, wie Markenwerte bei der Überbrückung von Liquiditätsengpässen oder der Finanzierung neuer Investitionen genutzt werden können, lieferte Anfang 2005 der Fußballbundesligist Borussia Dortmund, als bekannt wurde, dass dieser sein Markenportfolio einschließlich des Vereinsemblems zur Absicherung von Leasingzahlungen auf den Versicherungskonzern Gerling übertragen hat. Nicht öffentlichAbgesehen von den durch Marken verkörperten Werten sprechen auch andere handfeste Gründe dafür, Marken verstärkt als Kreditsicherheiten zu nutzen: So besteht, anders als bei Maschinen, bei gut geführten Marken für den Finanzgeber nicht das Risiko, dass diese im Sicherungszeitraum wegen Überalterung oder Beschädigung an Wert verlieren. Darüber hinaus sind die Übertragungs- und Kontrollkosten vergleichsweise gering. Hinzu kommt, dass es sich bei Marken um sogenannte geprüfte Rechte handelt, das heißt, dass das Vorliegen der gesetzlichen Schutzvoraussetzungen von den zuständigen Stellen (in Deutschland etwa dem Deutschen Patent- und Markenamt in München) vor der Eintragung geprüft worden ist, so dass mit hoher Sicherheit von der Rechtsbeständigkeit einer Marke ausgegangen werden kann. Für Markeninhaber ist erfahrungsgemäß der Umstand von großer Bedeutung, dass eine Beleihung ihrer Kennzeichen nicht im Register vermerkt und damit die Kreditaufnahme nicht öffentlich gemacht werden muss. Vor einer Verwendung von Marken als Finanzierungsinstrument müssen die entsprechenden Kennzeichen monetär bewertet werden. Seit zu Beginn der 1990er Jahre langsam erkannt wurde, welche Bedeutung Marken als Unternehmenswert zukommen würde, hat sich der entsprechende Bewertungsmarkt rasant entwickelt. Heute stehen Markeninhabern und Finanzgebern eine Reihe unterschiedlicher Ansätze zur Verfügung, die von entsprechend spezialisierten Unternehmen angeboten werden. Diese verschiedenen Ansätze ermitteln den Wert einer Marke etwa dadurch, dass sie den Anteil, den gerade die fraglichen Marken zum Umsatz der gekennzeichneten Produkte beitragen, bemessen. Weiterhin orientieren sie sich an Preisen, die bei früheren Transaktionen mit vergleichbaren Marken erzielt worden sind, oder auf die hypothetische Höhe der mit der Marke in einem überschaubaren Zeitraum zu erzielenden Lizenzgebühren. SicherungsübertragungJuristisch erfolgt die Kreditsicherung mit Marken regelmäßig durch deren Übertragung auf den Kreditgeber zur Sicherheit. Wie bei der Bestellung von Sicherungseigentum an beweglichen Sachen auch wird der bisherige Markeninhaber allerdings nicht daran gehindert, die Marken weiterhin ungestört für seinen Betrieb und seine Produkte zu benutzen. Der begleitende Sicherungsvertrag, in dem die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Beteiligten im Hinblick auf die Marke festgeschrieben werden, räumt dem bisherigen Inhaber hierfür regelmäßig eine entsprechende Exklusivlizenz ein, wobei die Lizenzgebühren mit der Kreditsumme verrechnet werden. Auch für die Verteidigung der Marken gegenüber Dritten bleibt der bisherige Inhaber verantwortlich, so dass sich die Sicherungsübertragung für ihn im täglichen Geschäftsverkehr nicht hindernd bemerkbar macht. Keine DokumentationDa weder das nationale noch die internationalen Markenregister konstitutive Bedeutung, also Einfluss, auf die tatsächliche Rechtslage haben, sondern lediglich der Information der Öffentlichkeit dienen, muss der Sicherungsnehmer als neuer Markeninhaber nicht eingetragen werden, so dass die Kreditaufnahme nicht nach außen dokumentiert zu werden braucht. Ob eine Eintragung aus rechtlichen Erwägungen dennoch sinnvoll ist, ist Frage des Einzelfalls. Nach Rückzahlung des Kredits fallen die Markenrechte entweder automatisch an den alten Inhaber zurück oder werden vom Finanzgeber ausdrücklich zurückübertragen.Auch für den seltenen Fall, dass die Verwertung der Marken erforderlich werden sollte, lassen sich zwischen den Parteien individuelle Lösungen vereinbaren, die für beide Seiten zu wirtschaftlich sinnvollen Ergebnissen führen. So ist eine vorübergehende Lizenzierung der Marke an Dritte und die Befriedigung des Finanzgebers aus den daraus resultierenden Lizenzgebühren ebenso denkbar wie der Verkauf der Marke zu einem zuvor definierten Mindestpreis. Kreative AnsätzeNeben Markenrechten bieten sich auch andere Immaterialgüterrechte zur Nutzung als Kreditsicherheit an. Dies gilt insbesondere für Patente, die wie Marken geprüfte Rechte darstellen, oder innovative Software, ohne die die Wissensgesellschaft heute nicht mehr funktioniert und deren Wert in den kommenden Jahren noch erheblich steigen wird. Im Kunstmarkt sind bereits kreative Ansätze möglich. Die Künstler Jean Claude und Christo finanzierten die Verhüllung des Berliner Reichstags im Jahr 1999 durch die Beleihung von urheberrechtlich geschützten Collagen, Modellen und Lithographien. Bereits zwei Jahre zuvor hatte der britische Popstar David Bowie eine Anleihe in Höhe von 55 Mill. Dollar aufgelegt, die ausschließlich mit den zukünftigen Einnahmen aus seinen Musiktiteln besichert war. *) Dr. Lars Hombrecher ist Anwalt im Hamburger Büro der internationalen Sozietät Lovells.