Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Dirk Wasmann

BGH bestätigt Verfassungsmäßigkeit des Squeeze-out

Mehr Rechtssicherheit beim Ausschluss von Minderheitsaktionären

BGH bestätigt Verfassungsmäßigkeit des Squeeze-out

Der BGH hat die Rechtmäßigkeit des Squeeze-out bestätigt, der auf Verlangen der Invensys Metering Systems Holding AG bei der Invensys Metering Systems AG Hannover (zuvor Meinecke AG) 2002 beschlossen worden war. Gegen den Beschluss hatte ein Aktionär Anfechtungsklage erhoben, die vom LG Hannover abgewiesen worden war. Die Invensys Metering Systems wurde vor dem LG Hannover und dem OLG Celle von Dr. Dirk Wasmann vertreten. – Herr Dr. Wasmann, der BGH hat die Verfassungsmäßigkeit des Squeeze-out bestätigt. Was hat es damit auf sich? – Gegen fast jeden Squeeze-out-Beschluss hierzulande wurden und werden Anfechtungsklagen erhoben. Diese Klagen werden üblicherweise stets auf dieselben (Standard-)Rügen gestützt; dazu zählt die Behauptung, die Squeeze-out-Regelungen in §§ 327a ff. AktG seien verfassungswidrig, weil sie mit dem verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums der Minderheitsaktionäre nach Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht vereinbar seien. Mit einer solchen Klage eines Minderheitsaktionärs, die zuletzt ausschließlich auf die angebliche Verfassungswidrigkeit des Squeeze-out gestützt wurde, hatte sich jetzt auch – soweit ersichtlich erstmals – der BGH zu befassen. Kein Gericht hat bisher die Verfassungswidrigkeit angenommen. Vielmehr haben alle mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit befassten Land- und Oberlandesgerichte die Verfassungsmäßigkeit bejaht. Endlich hatte nunmehr auch der BGH Gelegenheit, die Verfassungsmäßigkeit zu bestätigen. – Was ist die zentrale Aussage?Der BGH betont, dass nach den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in anderem Zusammenhang geäußerten Grundsätzen zum Ausscheiden von Minderheitsaktionären ein Ausschluss von Minderheitsaktionären verfassungsrechtlich unter dem Blickwinkel des Eigentumsschutzes nach Art. 14 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden ist, wenn die Aktionäre dafür wirtschaftlich voll entschädigt werden. Der BGH führt aus, dass dies durch die gesetzliche Regelung des Squeeze-out in §§ 327a ff. AktG hinreichend gewährleistet sei, weil die vom Hauptaktionär als Entschädigung für die ausscheidenden Minderheitsaktionäre festzulegende Barabfindung nicht nur von einem vom Gericht ausgewählten und bestellten sachverständigen Prüfer zu prüfen, sondern auf Antrag eines Aktionärs auch einer gerichtlichen Überprüfung im Spruchverfahren zugänglich ist. Gegen das Risiko einer Insolvenz des zahlungspflichtigen Hauptaktionärs seien die Aktionäre hinreichend dadurch geschützt, dass der Hauptaktionär eine Garantieerklärung eines in Deutschland zugelassenen Kreditinstituts beibringen müsse, welches für die Zahlung der festgelegten Abfindung einstehe. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Garantie nicht auch etwaige Erhöhungsbeträge erfassen müsse, die später in einem Spruchverfahren festgelegt werden, zumal eine solche Garantie in (zum Zeitpunkt ihrer Abgabe) unbestimmter Höhe “wenig praktikabel” wäre. – Kam die Entscheidung des BGH überraschend?Da die gesetzliche Regelung zum Squeeze-out sich eng an die Grundsätze anlehnt, die das BVerfG in anderem Zusammenhang zum Ausscheiden von Minderheitsaktionären aufgestellt hat, war nicht ernstlich damit zu rechnen, dass der BGH die Verfassungsmäßigkeit in Zweifel zieht. Bemerkenswert ist, dass der BGH die Revision des Minderheitsaktionärs ohne mündliche Verhandlung durch bloßen Beschluss zurückwies. Ein solcher Beschluss ist nach den Bestimmungen der Zivilprozessordnung (§ 552a ZPO) nur zulässig, wenn der erkennende Senat einhellig davon überzeugt ist, dass die Rechtssache nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. Diese Voraussetzungen müssen sämtliche fünf mit der Entscheidung befassten Richter bejaht haben. – Was heißt das für die Praxis?Für alle laufenden und künftigen Squeeze-out-Verfahren bringt die BGH-Entscheidung einen weiteren Gewinn an Rechtssicherheit. Soweit in Anfechtungsklagen die angebliche Verfassungswidrigkeit gleichwohl weiterhin gerügt werden sollte, dürfte als Erwiderung nunmehr ein knapper Hinweis auf die BGH-Entscheidung genügen. Die Feststellung des BGH, dass eine Bankgarantie in unbestimmter Höhe “wenig praktikabel” sei, bestätigt erfreulicherweise, dass sich die vom Gesetz geforderte Bankgarantie nur auf die vom Hauptaktionär festgelegte und durch den Prüfer gebilligte Barabfindung beziehen muss, nicht auf etwaige Erhöhungsbeträge, die später im Spruchverfahren festgesetzt werden. *) Dr. Dirk Wasmann ist Partner im Stuttgarter Büro von Gleiss Lutz. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.