Recht und Kapitalmarkt

BGH schafft Rechtssicherheit für die Praxis

Acting in Concert - Kein Pflichtangebot nach Absprache bei Aufsichtsratswahlen - Starke Betonung der Unabhängigkeit des Gremiums

BGH schafft Rechtssicherheit für die Praxis

Von Wolfgang Krauel und Regina Grün *) Zu den meistdiskutierten Problemen im Zusammenhang mit dem 2002 in Kraft getretenen Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) zählt das Acting in Concert. Der Bundesgerichtshof (BGH) gebietet nun einer zu weiten Auslegung des Gesetzes Einhalt – und schafft damit Rechtssicherheit.Nach § 30 Abs. 2 WpÜG werden dem Bieter auch Stimmrechte eines Dritten, mit dem er sein Verhalten in Bezug auf die Zielgesellschaft aufgrund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmt, in voller Höhe zugerechnet. Sofern die Zurechnung der Stimmrechtsanteile dazu führt, dass die in § 29 Abs. 2 WpÜG festgelegte Schwelle von 30 % der Stimmrechte erreicht wird, ist nach § 35 WpÜG den außenstehenden Aktionären ein Pflichtangebot auf Übernahme der Aktien zu machen. Nicht einheitlichErfasst werden sollen nach der Vorstellung des Gesetzgebers Verhaltensweisen, die unter dem Begriff “Acting in Concert” zusammengefasst werden. Dieser Begriff wird jedoch international keineswegs einheitlich gebraucht. Einigkeit besteht zumindest insofern, als abgestimmtes Verhalten im Wesentlichen anhand zweier Kriterien beurteilt wird: Zum einen wird eine gewisse Nachhaltigkeit der Einflussnahme gefordert, zum anderen wird verlangt, dass die Abstimmung auf einen Fortsetzungszusammenhang gerichtet ist. Ausgenommen sind Vereinbarungen über die Ausübung von Stimmrechten in Einzelfällen. Eine bloß gleichgerichtete Stimmabgabe in der Hauptversammlung (HV) und die Verfolgung übereinstimmender Interessen ohne vorhergehende Kommunikation sollen daher jedenfalls nicht ausreichen. Eine ausdrückliche Vereinbarung ist nicht erforderlich. Pixelpark, Börse, WMF Die Frage des Acting in Concert wurde insbesondere im Zusammenhang mit den Fällen Pixelpark, Beiersdorf, Deutsche Börse und WMF diskutiert, wo es um Absprachen zwischen Aktionären über die Wahl des Aufsichtsrats in der Hauptversammlung ging. Widersprüchliche Gerichtsentscheidungen sorgten in der Praxis für Verunsicherung. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt forderte in Sachen Pixelpark 2004 für die Zurechnung von Stimmrechten aufgrund abgestimmten Verhaltens noch eine bewusste Zusammenarbeit mit dem Ziel der koordinierten und kontinuierlichen Ausübung der Mitgliedschaftsrechte.Nach einem Urteil des OLG München sollte bei nachhaltiger Wirkung auf die Herrschaftsverhältnisse der Zielgesellschaft auch ein einzelnes abgestimmtes Verhalten zu einer Zurechnung führen können. Der Ausnahmetatbestand des § 30 Abs. 2 Satz 1 HS 2 WpÜG müsse nicht rein formal, sondern auch nach materiellen Gesichtspunkten bestimmt werden. Demzufolge sollte ein im Hinblick auf die Wahl eines bestimmten Aufsichtsratsvorsitzenden erfolgtes abgestimmtes Verhalten unter Berufung auf die Machtstellung des Aufsichtsrats und die Dauer der Bestellung eine Stimmrechtszurechnung begründen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gab zu verstehen, sich an der Entscheidung des OLG München orientieren zu wollen, konnte allerdings weder bei Beiersdorf noch bei der Deutschen Börse ein abgestimmtes Verhalten feststellen.Dieser extensiven Auslegung des § 30 Abs. 2 WpÜG hat der BGH nun unter Aufhebung des Urteils des OLG München eine Absage erteilt. Der BGH betonte zunächst, dass von § 30 Abs. 2 WpÜG nur abgestimmtes Verhalten bei Ausübung des Stimmrechts in der HV erfasst wird, nicht aber im Aufsichtsrat.Die Richter stellten klar, dass eine einmalige Absprache zur Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden kein abgestimmtes Verhalten im Sinne des § 30 Abs. 2 WpÜG begründet. Dies entspricht der überwiegenden Ansicht in der Literatur, wonach es nicht auf die Bedeutung der abgestimmten Entscheidung ankommen soll, sondern auf die Nachhaltigkeit des durch die Abstimmung ausgeübten Einflusses. Die Machtstellung des Aufsichtsrats allein kann dabei kein Indiz für eine beabsichtigte dauerhafte Einflussnahme darstellen. Das OLG München verkennt die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, der allein dem Unternehmensinteresse verpflichtet und an Weisungen der Aktionäre nicht gebunden ist. In die richtige RichtungDie BGH-Entscheidung ist ein Schritt in die richtige Richtung, da sie die Rechtssicherheit im Umgang mit den in der Praxis weit verbreiteten Absprachen von Großaktionären bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern erhöht. Verunsicherte Kapitalmarktteilnehmer tragen nicht zu der mit dem WpÜG beabsichtigten Stärkung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts bei. Das Urteil steht im Einklang mit dem Anliegen des Corporate Governance Kodex, die Aktionärskommunikation zu fördern, um hinreichende Kontrolle der Unternehmenstätigkeit zu ermöglichen.Zustimmung verdient die Einschätzung des BGH, wonach es sich bei der Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden nur um einen Einzelfall handelt, der gerade nicht von § 30 Abs. 2 WpÜG erfasst wird. Für die Praxis ist dies wichtig, da Großaktionäre zur Vermeidung des drohenden Pflichtangebots sonst zu einem getrennten Vorgehen gezwungen wären und die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder von Zufallsmehrheiten abhängig wäre. Dies aber kann gerade im Hinblick auf die vom OLG München betonte Bedeutung des Aufsichtsrats nicht gewünscht sein. Durch Unsicherheiten bei der Wahl bestünde zudem die Gefahr, dass geeignete Kandidaten abgeschreckt würden, weil sie bei einer gescheiterten Wahl eine Beeinträchtigung ihrer Reputation befürchten müssten. Dadurch würden die Schwierigkeiten vieler Unternehmen, qualifizierte Kandidaten für die Besetzung der Aufsichtsratsposten zu finden, noch verstärkt.Die starke Betonung der Unabhängigkeit des Aufsichtsrats ist auch im Lichte der Verschärfung der Organhaftung durch das UMAG zu sehen. Durch die Herabsetzung des Minderheitenquorums für die Sonderprüfung und die Einführung eines Klagezulassungsverfahrens werden insbesondere die Möglichkeiten einer Aktionärsminderheit verstärkt, Ersatzansprüche gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder durchzusetzen. Dies dient als Korrelat für die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats.Einige Fragen im Bereich des Acting in Concert sind jedoch weiterhin offen. Es bleibt etwa zu klären, wann von einer ausreichenden Nachhaltigkeit und Kontinuität der Einflussnahme auszugehen und eine Abstimmung im Sinne des § 30 Abs. 2 WpÜG zu bejahen ist. Es ist zu hoffen, dass die schriftlichen Urteilsgründe über den Einzelfall hinaus einen Hinweis liefern können, inwiefern die Qualität der betroffenen Entscheidung bei der Prüfung des Acting in Concert eine Rolle spielt. Im Hinblick auf die schwerwiegende Folge des Pflichtangebots sollte aus Gründen der Rechtssicherheit ein Rückgriff auf nur schwer messbare Kriterien wie etwa die Qualität der Entscheidung vermieden werden. Dies entspricht auch dem Wortlaut des § 30 Abs. 2 WpÜG, der insbesondere durch die Ausnahme für eine Abstimmung in Einzelfällen betont, dass es nicht auf die Bedeutung der betroffenen Entscheidung ankommt. Klares SignalHierfür spricht auch der Vergleich mit dem Grundfall der Kontrollerlangung durch Erwerb von mindestens 30 % der Stimmrechte gemäß § 29 Abs. 2 WpÜG, der allein an das Halten der Stimmrechte und somit die Möglichkeit der Beherrschung von Beschlüssen der Hauptversammlung anknüpft – unabhängig von der Art der gefassten Beschlüsse oder ob überhaupt an Abstimmungen teilgenommen wird. Da § 30 Abs. 2 WpÜG nur Fälle erfassen will, die diesem Grundfall der Kontrollerlangung entsprechen, sollten auch hieran keine anderen (und insbesondere schwer handhabbare) Maßstäbe angelegt werden. Zu wünschen wäre deshalb ein klares Signal des BGH, dass es bei der Pflicht zur Abgabe eines Pflichtangebots infolge einer Zurechnung der Stimmrechte nicht um die Qualität der Beschlüsse, sondern um eine längerfristige Kontrolle durch Stimmenmehrheit in der Hauptversammlung geht. *) Dr. Wolfgang Krauel ist Rechtsanwalt und Partner, Dr. Regina Grün ist Rechtsanwältin im Münchener Büro von Linklaters.