Recht und Kapitalmarkt

BGH schränkt Cash-Pool-System ein

Entscheidung zu Kapitalaufbringungsgrundsatz - Weitergehende Konsequenzen hinsichtlich der Kapitalerhaltung

BGH schränkt Cash-Pool-System ein

Von Michael Brems und Tobias Tillmann *) Der BGH hat mit seiner Entscheidung vom 16. Januar 2006 zum ersten Mal zur Anwendbarkeit des Kapitalaufbringungsgrundsatzes im Cash-Pool-System Stellung bezogen. Danach sind Einlageleistungen bei Gründung oder Kapitalerhöhung nicht wirksam erbracht, wenn sie im Rahmen des Cash-Pools an das Mutterunternehmen oder an ein mit diesem verbundenes Unternehmen zurückfließen. Ein solcher Rückfluss erfolgt beispielsweise durch Saldierung der um die Einlagen angewachsenen Kontoguthaben der am Cash-Pool beteiligten Gesellschaft. Das bedeutet, die Guthaben werden im Wege der Cash-Pool-Vereinbarung einem Zentralkonto, das die Cash-Pool-Betreibergesellschaft hält, gutgeschrieben. Damit ist die Einlage an den Inferenten zurückgeflossen und nach Ansicht des BGH nach den Grundsätzen der “verdeckten Sacheinlage” nicht erbracht. Die Einlageverpflichtung besteht somit fort. FriktionenDie Gründung neuer Konzerngesellschaften beziehungsweise die Kapitalerhöhung bei bereits existierenden Konzerngesellschaften führen somit fast zwangsläufig zu Friktionen mit dem Kapitalaufbringungsgrundsatz, sofern am Ende des Tages die eingebrachten Einlagen an die Cash-Pool-Betreibergesellschaft abgeführt werden müssen. Damit ist es faktisch unmöglich, eine wirksame Einlage bei Gründung respektive Kapitalerhöhung zu erbringen, solange die Einlagen empfangende Gesellschaft dem Cash-Pool angeschlossen ist. Das Ausscheiden einer solchen Gesellschaft aus dem Cash-Pool würde einer wirtschaftlich sinnvollen Mittelverwendung im Konzern zuwiderlaufen. Der Cash-Pool ermöglicht es, auf kurzfristigen Liquiditätsbedarf einzelner Konzerngesellschaften schnell und mit geringem Verwaltungsaufwand zu reagieren. Das erfordert im Regelfall die Einbindung zumindest aller operierenden Gesellschaften in den Cash-Pool. Ob das “Einfrieren” der Einlage auf einem separaten, nicht in den Cash-Pool einbezogenen Konto eine echte Alternative darstellt, ist unter rechtlichen Gesichtspunkten zweifelhaft. Bei der Strukturierung künftiger Cash-Pool-Systeme sollte daher eine entsprechende Klausel implementiert werden, wonach das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nicht an die Betreibergesellschaft ausgekehrt werden darf. Damit wird sichergestellt, dass die erbrachten Einlagen endgültig in der Gesellschaft verbleiben. Rückfluss der EinlagenDas der BGH-Entscheidung zugrunde liegende Cash-Pool-System war klassisch strukturiert. Buchungstäglich wurden die Quellkonten der Betreibergesellschaft “auf null gestellt”. Dementsprechend überwiesen die Cash-Pool-Gesellschaften täglich ihr Kontoguthaben auf ein Konto der Betreibergesellschaft, die alleine verfügungsberechtigt war. Diese leitete die zum Kontenausgleich erforderlichen Beträge an solche Cash-Pool-Gesellschaften weiter, deren Konten im Soll standen.Die beiden den Konzern beherrschenden Gesellschafter hatten eine Kapitalerhöhung bei einer der Konzerngesellschaften beschlossen, die ebenfalls dem Cash-Pool angeschlossen war. Die jeweils auf die beiden Gesellschafter entfallenden Kapitalerhöhungsbeträge wurden auf ein gesondertes, nicht im Cash-Pool-System einbezogenes Konto überwiesen. Nach Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister wurden die Einlagen von dem separierten Konto auf ein Cash-Pool-Konto der Gesellschaft überwiesen. Dort wurde das Guthaben mit bestehenden Verbindlichkeiten gegenüber der Betreibergesellschaft verrechnet. Damit, so der BGH, war der Konzerngesellschaft nicht der im Kapitalerhöhungsbeschluss vereinbarte Barbetrag, sondern eine Befreiung von bestehenden Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der Betreibergesellschaft zugeflossen. Die Bareinlage war somit im Nachhinein als eine so genannte “verdeckte Sacheinlage” zu bewerten und nach diesen Grundsätzen nichtig.Die Entscheidung des BGH ist trotz der daraus resultierenden praktischen Schwierigkeiten wenig überraschend. Sie fügt sich in eine Reihe jüngerer Entscheidungen des BGH zu so genannten Fällen des Hin- und Herzahlens der Einlage ein. Eine Einlage ist nicht wirksam erbracht, wenn sie im Rahmen einer vorherigen Absprache an den Gesellschafter zurücküberwiesen wird. Hintergrund dieser Rechtsprechung sind Gläubigerschutzaspekte. Das Stammkapital dient den Gläubigern als Ausgleich für die beschränkte Haftung auf das Gesellschaftsvermögen. Die Gesellschafter werden von der persönlichen Haftung freigestellt und müssen im Gegenzug zugunsten der Gläubiger einen Minimum-Haftungsfonds (das Stammkapital) zur Verfügung stellen. Deshalb stellt das Gesetz strenge Anforderungen an die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals. Damit dieser Haftungsfonds tatsächlich den Gläubigern zugute kommt, soll sichergestellt werden, dass die Einlagen bei der Gesellschaft ankommen (Kapitalaufbringung) und auch verbleiben (Kapitalerhaltung). Im Rahmen der Kapitalaufbringung wird deshalb verlangt, dass die Einlagen endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführung stehen. Das so genannte Hin- und Herzahlen von Einlagen widerspricht diesem Gedanken, da die Einlage nicht zur freien Verfügung der Gesellschaft steht. Dieser Grundsatz gilt auch für Zahlungsströme im Cash-Pool-System. Daneben führt die Einbindung in den Cash-Pool zwangsläufig zur Nichtigkeit der Einlage nach dem Grundsatz der verdeckten Sacheinlage, da letztlich entweder eine Forderung oder eine Befreiung von einer bestehenden Verbindlichkeit geleistet wird.Neben den oben dargestellten Restriktionen verbietet das Gesetz auch Zahlungen der Gesellschaft an die Gesellschafter, die dazu führen, dass das Vermögen der Gesellschaft unter den Wert des Stammkapitals fällt. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass das Stammkapital nach Aufbringung vor dem Zugriff der Gesellschafter geschützt wird. Der Kapitalerhaltungsgrundsatz ist das Korrelat zur Kapitalaufbringung, um einen stabilen Haftungsfonds zu gewährleisten. Die Auswirkung dieses Grundsatzes auf das Cash-Pool-System ist seit einer Entscheidung des BGH vom 24. 11. 2003 (Az. II ZR 171/01) in der juristischen Literatur heftig umstritten. Dem Urteil zufolge sind Gesellschafterdarlehen zwischen Konzerngesellschaften an den Grundsätzen der Kapitalerhaltung zu messen, da die darlehensgewährende Gesellschaft liquide Mittel an den Gesellschafter ausreicht und im Gegenzug lediglich einen Anspruch erhält. Auch wenn dieser Anspruch bilanziell gesehen gleichwertig sein kann, stellen liquide Mittel einen Mehrwert gegenüber einer gleich hohen Forderung dar. Damit ist der BGH von seiner bilanziellen Betrachtungsweise der Zahlungsvorgänge abgerückt. Der Entscheidung zufolge kann nur noch unter sehr restriktiven Ausnahmetatbeständen eine Gesellschaft, deren Stammkapital angegriffen ist, ihrem Gesellschafter ein Darlehen gewähren. Da Kontensaldierungen zugunsten der Betreibergesellschaft im Cash-Pool-System ebenfalls von der herrschenden Auffassung als Darlehensgewährung angesehen werden, wurde die Anwendbarkeit des Kapitalerhaltungsgrundsatzes im Cash-Pool-System kritisch betrachtet. Kein “Sonderrecht”Auch wenn das jüngste Urteil des BGH sich nicht auf die Kapitalerhaltung bezieht, so hat der BGH doch sybillinisch zu erkennen gegeben, dass im Zusammenhang mit der Kapitalaufbringung kein “Sonderrecht” für das Cash-Pool-System gelte. Diese Aussage wird wegen des engen methodischen Zusammenhangs auch für die Kapitalerhaltung Geltung beanspruchen müssen. Das bedeutet, dass Zahlungen im Rahmen des Cash-Pools sich wie alle anderen Darlehen den vom BGH im November 2003 aufgestellten Anforderungen stellen müssen. Eine klärende Rechtsprechung des BGH zur Kapitalerhaltung im Cash-Pool darf wohl nicht erwartet werden. Vielmehr sind in jedem Einzelfall eines Cash-Pools die restriktiven Ausnahmetatbestände zu prüfen. (Az. II ZR 75/04 sowie II ZR 76/04) *) Dr. Michael Brems und Dr. Tobias Tillmann sind Anwälte bei der Sozietät Cleary Gottlieb Steen & Hamilton LLP in Köln.