Recht und Kapitalmarkt

BGH-Urteil schärft Konturen der verdeckten Sacheinlage

Risiko bei konzerninternen Umstrukturierungen wird reduziert - Harte Rechtsfolgen verlieren durch Entscheidung etwas an Schrecken

BGH-Urteil schärft Konturen der verdeckten Sacheinlage

Von Rainer Krause *) Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 12. Februar 2007 (Az. II ZR 272/05) bislang offene Fragen der sogenannten verdeckten Sacheneinlage in Konzernsachverhalten beantwortet. Dadurch schafft er mehr Rechtssicherheit und reduziert Risiken für Konzerne insbesondere bei Umstrukturierungen. Ausgangslage Wollen Gesellschafter ihre Einlagen bei Gründungen oder Kapitalerhöhungen einer GmbH oder AG nicht in Geld, sondern durch Einbringung von Vermögensgegenständen erfüllen (Sacheinlage), müssen sie zwingenden gesetzlichen Bestimmungen genügen. Diese sollen zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger gewährleisten, dass eingebrachte Vermögensgegenstände tatsächlich werthaltig sind. Ihre Einhaltung ist regelmäßig mit erhöhtem Zeit- und Kostenaufwand für den einlegenden Gesellschafter verbunden. In der Praxis werden diese Normen zum Teil umgangen, indem Sachgründungen oder -kapitalerhöhungen in unzulässiger, oft kreativer Weise als Barvorgänge deklariert werden.Die Rechtsprechung nimmt eine verdeckte Sacheinlage an, wenn eine Bareinlage vereinbart wird, die Gesellschaft aber wirtschaftlich von dem Einleger aufgrund einer im Zusammenhang mit der Einlage getroffenen Abrede einen Sachwert erhalten soll. Liegt ein naher zeitlicher – als Richtschnur gelten sechs Monate – und sachlicher Zusammenhang zwischen der Begründung oder der Erfüllung der Einlagepflicht und dem Verkehrsgeschäft oder der Forderungsverrechnung vor, wird das Bestehen einer Abrede zulasten des Gesellschafters vermutet.Typische Konstellationen, bei denen der “Anfangsverdacht” einer verdeckten Sacheinlage besteht, sind:Erstens: Der an einer Barkapitalerhöhung teilnehmende Gesellschafter beliefert die Gesellschaft mit Waren. Sein Kaufpreisanspruch wird mit dem Anspruch der Gesellschaft auf Zahlung der Bareinlage verrechnet.Oder zweitens: Der Gesellschafter leistet seine Bareinlage an die Gesellschaft, die damit eine Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft, etwa aus Warenlieferung, begleicht. Die Bareinlage wird also zwischen Inferent und Gesellschaft lediglich hin- und hergezahlt.Eine verdeckte Sacheinlage kann geheilt werden, solange die Gesellschaft nicht insolvent ist. In der Insolvenz hingegen sind ihre Rechtsfolgen besonders hart: Der Gesellschafter, der möglicherweise nicht mehr an der nun insolventen Gesellschaft beteiligt ist, muss seine Einlage (samt Zinsen) noch einmal leisten; er hat seine Bareinlageverpflichtung nicht erfüllt. Dem steht zwar ein Rückgewähranspruch auf die (verdeckt) geleistete Einlage gegenüber. Diese ist im Falle der Insolvenz jedoch praktisch wertlos. Während bereits im Zwei-Personen-Verhältnis die rechtliche Beurteilung oft schwierig ist, verkompliziert sich die Sach- und Rechtslage in Konzernsachverhalten erheblich. Wie ist es zu beurteilen, wenn der Gesellschafter eine Bareinlage leistet, die zwar nicht an den Gesellschafter zurückfließt, aber an ein mit ihm konzernverbundenes Unternehmen? Dies war die Frage in dem vom BGH entschiedenen Fall, dem vereinfacht folgender Sachverhalt zugrunde lag: In der InsolvenzDas Stammkapital der A-GmbH wurde in bar erhöht. Ihre Alleingesellschafterin war seinerzeit die B-GmbH. Deren Alleingesellschafterin war wiederum die beklagte Konzernmutter, die später durch Verschmelzung Gesamtrechtsnachfolgerin der B-GmbH wurde. Die Beklagte war zudem die einzige Aktionärin der S-AG. Die Einlageschuldnerin B-GmbH und die S-AG waren also Schwestergesellschaften, die allein über die Beklagte als Konzernmutter verbunden waren. Die B-GmbH überwies zur Erfüllung ihrer Bareinlageverpflichtung den Bareinlagebetrag an die A-GmbH, die das Geld am Folgetag an die S-AG weiterleitete, um ihre Kaufpreisschuld aus dem Erwerb einer Gießerei zu begleichen. Die A-GmbH und die S-AG hatten darüber Verträge geschlossen, die eine “Neuordnung der Guss-Aktivitäten innerhalb des Konzerns” erwähnten.Jahre später – die A-GmbH gehörte schon lange nicht mehr zum Konzern der Beklagten – wurde die A-GmbH insolvent. Ihr Insolvenzverwalter verklagte die (damalige) Konzernmutter als Rechtsnachfolgerin der B-GmbH auf erneute Zahlung der Bareinlage nebst Zinsen für mehr als zwölf Jahre. Es liege eine verdeckte Sacheinlage vor; die B-GmbH habe daher ihre Einlageschuld nicht erfüllt.Während das Berufungsgericht dem Insolvenzverwalter recht gab, wies schließlich der BGH – wie bereits das Landgericht in erster Instanz – die Klage vollumfänglich ab. Eine verdeckte Sacheinlage liege nicht vor. Die Einlageschuld sei wirksam erbracht. Das AbhängigkeitsverhältnisDie Bundesrichter argumentierten, eine verdeckte Sacheinlage setze zwar keine Personenidentität zwischen dem Einleger und dem Empfänger der Einlage voraus. Ausreichend sei bei Weiterleitung der Einlage an einen Dritten, dass der Einleger in gleicher Weise begünstigt werde wie durch eine unmittelbare Leistung an ihn selbst. Das werde etwa bejaht bei Weiterleitung der Bareinlage an ein vom Einleger beherrschtes Unternehmen, gegebenenfalls auch bei Leistungen an ein Unternehmen, von dem der Einleger seinerseits abhängig sei. Vorliegend gebe es aber ein solches Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Einlageschuldnerin B-GmbH und der Schwestergesellschaft S-AG nicht. Die Einlage fließe durch Weiterleitung an die S-AG auch nicht mittelbar an die Einlageschuldnerin zurück. Allein die Verbindung zwischen der S-AG und B-GmbH über die gemeinsame Konzernmutter reiche für eine Zurechnung nicht aus. Eine Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln sei insbesondere nicht deshalb anzunehmen, weil die fraglichen Geschäfte unter einem “Konzerndach” aufgrund von Abreden zwischen Konzernmutter, S-AG und B-GmbH vorgenommen wurden. Einer pauschalen Zurechnung von Konzernunternehmen – wie sie das Berufungsgericht noch angenommen hatte – erteilte der BGH damit eine klare Absage. VerwendungsabsprachenDer BGH betonte, dass innerhalb eines Konzerns schuldrechtliche Absprachen über die künftige Verwendung der Einlagemittel zwischen Einleger und Gesellschaft unschädlich sind, wenn sie bestimmten geschäftlichen Zwecke dienen und nicht dazu bestimmt sind, Einlagen an den Einleger oder ihm zuzurechnenden Dritten zurückfließen zu lassen. Einen Rückfluss verneinte der BGH hier mangels Beteiligung der Einlageschuldnerin an der S-AG. Es sei irrelevant, dass die Konzernmutter möglicherweise auf die Verwendung der Einlagemittel durch die A-GmbH Einfluss genommen habe. Nur die mittelbare Begünstigung der Konzernmutter über deren Alleinbeteiligung an der S-AG reiche nicht, zumal deren Vorstand – anders als GmbH-Geschäftsführer – nicht Weisungen ihrer Alleinaktionärin unterliege. Kein SacheinlagegebotErfreulicherweise stellt der BGH zum Schutz unternehmerischen Entscheidungsspielraums ausdrücklich klar, dass den Einleger kein Sacheinlagegebot trifft, wenn die Einlage nicht mittelbar oder unmittelbar an den Einleger zurückfließt. So war die B-GmbH zum einen nicht verpflichtet, den Gießereibetrieb zunächst von der S-AG zu erwerben, um ihn dann im Wege der Sacheinlage bei der A-GmbH einzubringen. Zum anderen musste die B-GmbH auch nicht als Dritte die Kaufpreisschuld der A-GmbH gegenüber der S-AG tilgen, um dann den Erstattungsanspruch gegen die A-GmbH im Wege der Sacheinlage in die A-GmbH einzubringen. Auch im Konzern sei jede Gesellschaft als rechtlich und wirtschaftlich selbständige Einheit zu betrachten.Das jüngste BGH-Urteil schärft die Konturen der verdeckten Sacheinlage. Das Risiko, dass konzerninterne Umstrukturierungsmaßnahmen verdeckte Sacheinlagen darstellen und damit zu einer erneuten Einlageleistung für den (ehemaligen) Gesellschafter führen können, wird beträchtlich reduziert. Aus Konzernsicht ist zu begrüßen, dass der BGH klare Vorgaben macht, unter welchen Umständen Einlegern Konzernunternehmen zugerechnet werden, und eine pauschale konzernweite Zurechnung ausdrücklich ablehnt. Indem der BGH die Zulässigkeit von Verwendungsabsprachen bestätigt und ein Sacheinlagegebot ausdrücklich ablehnt, werden Umstrukturierungsmaßnahmen erheblich vereinfacht. Verdeckte Sacheinlagen und ihre harten Rechtsfolgen haben dadurch etwas an Schrecken verloren.*) Dr. Rainer Krause ist Partner bei Hengeler Mueller in Düsseldorf.