Recht und Kapitalmarkt

BGH-Urteil verunsichert Konsortialbanken

Insolvenzanfechtung im Sicherheitenpool - Neue Rechtsprechung hat im Ergebnis keine Auswirkung auf Besicherung von Krediten

BGH-Urteil verunsichert Konsortialbanken

Von Thomas Flatten und Michaela Huber *) Auch nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen sich Banken bei syndizierten Krediten keine Sorgen um die ihnen bestellten Sicherheiten machen.Anfangs noch relativ unbeachtet, rückte in jüngster Zeit ein Urteil immer weiter in das Bewusstsein der Kreditwirtschaft. Im Juni vergangenen Jahres hatte der Bundesgerichtshof darüber zu entscheiden, ob Sicherungsrechte von Gläubigerbanken, die sich in einem Sicherheitenpool zusammengeschlossen haben, in der Insolvenz des Kreditnehmers Bestand haben. Die möglichen Auswirkungen dieses Urteils auf die Besicherung von Konsortialkrediten haben zu einer gewissen Unruhe im Syndizierungsmarkt geführt. Da die gegenwärtig übliche Besicherungspraxis bei syndizierten Krediten jedoch nicht in den Anwendungsbereich des neuen Urteils fällt, besteht allein aufgrund dieser neuen Rechtsprechung kein Handlungsbedarf. BesicherungspraxisIn der Bankpraxis ist die Bestellung von Sicherheiten grundsätzlich eine wesentliche Voraussetzung für die Auszahlung des Darlehensbetrages. Bei Konsortialkrediten, wie zum Beispiel im Rahmen von Akquisitionsfinanzierungen, Immobilienfinanzierungen oder allgemeinen Unternehmensfinanzierungen, bestellt der Kreditnehmer regelmäßig Sicherheiten in Form von Grundschulden, Anteilsverpfändungen und Sicherungsübereignungen zumeist auch Forderungsabtretungen und Kontoverpfändungen. Diese Sicherheiten werden teilweise zugunsten aller Banken bestellt, wobei grundsätzlich jede Bank gleichrangig besichert wird. Teilweise werden die Sicherheiten aber auch nur zugunsten einer einzelnen Bank bestellt, die als Poolführerin für sämtliche Banken die Funktion der Sicherheiten-Treuhänderin übernimmt. Das Verhältnis der einzelnen Banken zueinander und vor allem die Verteilung der Erlöse aus einer künftigen Verwertung der Sicherheiten wird in der Regel von vornherein in einem Sicherheitenpoolvertrag festgelegt. Durch die Poolung der Sicherheiten stellen die Konsortialbanken sicher, dass sie ihre Rechte im Verwertungsfall koordiniert verwerten beziehungsweise in der Insolvenz gemeinsam gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend machen können. Bisherige RechtsprechungIm Falle der Insolvenz des Kreditnehmers kann die Poolführerin ein Absonderungsrecht an den ihr sicherungshalber abgetretenen Forderungen geltend machen. Dies bedeutet in der Praxis zwar nicht, dass die Poolführerin einen direkten Zugriff auf das Vermögen des insolventen Kreditnehmers hat. Sie kann aber aufgrund ihres Sicherungsrechtes von dem Insolvenzverwalter verlangen, aus dem Erlös der eingezogenen Forderung vorrangig, das heißt vor den übrigen Gläubigern des Kreditnehmers, befriedigt zu werden. Dies gilt zumindest dann, wenn die Abtretung nicht innerhalb der insolvenzrechtlichen Anfechtungsfristen wirksam geworden ist und die Forderungen somit durch Anfechtung nicht mehr zur Insolvenzmasse zurückgeholt werden können. Dabei ist irrelevant, ob die jeweiligen Drittschuldner von der Abtretung wussten oder nicht. Werden die Forderungen durch Zahlung auf das Konto des Kreditnehmers beglichen, erlischt mit der Zahlung die an die Poolführerin abgetretene Forderung. Zeitgleich entsteht jedoch ein Pfandrecht der Poolführerin an dem entstandenen Kontoguthaben. Dieses Pfandrecht ist ebenfalls nicht anfechtbar, wenn bereits die Abtretung der erloschenen Forderung anfechtungsfest war. Dieser vom Bundesgerichtshof aufgestellte Grundsatz gilt selbst dann, wenn das Pfandrecht am Kontoguthaben erst innerhalb der insolvenzrechtlichen Anfechtungsfristen entsteht. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Sicherungsnehmer der Forderungsabtretung und der Sicherungsnehmer des Kontopfandrechtes – wie es bei Konsortialkrediten die Regel ist – identisch sind. In diesem Fall wird die Forderung, die ohnehin durch die Abtretung dem Vermögen des Kreditnehmers entzogen ist, wirtschaftlich betrachtet durch das Kontoguthaben ersetzt. Das Pfandrecht am Kontoguthaben tritt hier nahtlos an die Stelle der Sicherungsabtretung. Ein solcher Austausch gleichwertiger Sicherheiten benachteiligt die anderen Gläubiger des Kreditnehmers nicht. Der Bundesgerichtshof rückt von dieser wiederholt geäußerten Ansicht auch in seinem neuen Urteil nicht ab: Wenn die vorangehende Forderungsabtretung selbst nicht anfechtbar ist, so ist auch das an ihre Stelle tretende Pfandrecht nicht anfechtbar. Obwohl also das Pfandrecht erst im Zeitpunkt der Kontogutschrift entsteht, wird dadurch keine neue Anfechtungsfrist in Gang gesetzt. Die finanzierenden Banken sind daher ausreichend geschützt.Aus der Sicht der Banken ist erfreulich, dass das Urteil vom 2. Juni 2005 (Az.: IX ZR 181/03) keine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung bedeutet. Es beleuchtet lediglich eine bislang noch nicht entschiedene Konstellation. In dem entschiedenen Fall ging es kurz gefasst um Folgendes: Der Kreditnehmer hatte eine Forderung, die anfechtungsfest war, sicherungshalber an die spätere Poolführerin abgetreten. Diese Abtretung wurde gegenüber dem Drittschuldner nicht offen gelegt. Im darauf folgenden Jahr schloss sich die Poolführerin im Rahmen eines mit dem Kreditnehmer geschlossenen Poolvertrages mit anderen Banken zusammen. Vertragsgemäß hatte sie die ihr und den anderen Poolbanken bestellten Sicherheiten treuhänderisch für alle Banken zu verwalten. Verrechnet Nachdem der Kreditnehmer Insolvenzantrag gestellt hatte, beglich der Drittschuldner die Forderung durch Zahlung auf ein Konto des Kreditnehmers, das nicht bei der Poolführerin, sondern bei der beklagten Poolbank geführt wurde. Da der beklagten Poolbank zuvor jegliches Guthaben auf diesem Konto verpfändet worden war, erwarb sie im Augenblick der Bezahlung der Forderung ein Pfandrecht an dem gezahlten Betrag. Den gutgeschriebenen Betrag verrechnete sie mit ausstehenden Verbindlichkeiten des Kreditnehmers. Der Insolvenzverwalter verklagte sie schließlich auf Rückzahlung des gutgeschriebenen Betrages. Die entscheidungserhebliche Frage war, ob das Pfandrecht der beklagten Poolbank, da es erst während des Insolvenzverfahrens entstand, von dem Insolvenzverwalter angefochten und der verrechnete Betrag herausverlangt werden konnte. Diese Frage hat der BGH zugunsten des Insolvenzverwalters bejaht. Die Entscheidung überrascht nicht und ist in ihrer Begründung durchaus stringent. In Anlehnung an die eingangs dargestellte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Gläubigerbenachteiligung berief sich die beklagte Bank im Prozess vergeblich darauf, ihr Pfandrecht am Kontoguthaben sei ebenfalls als bloßer Austausch gleichwertiger Sicherheiten anzusehen. Ohne diese Rechtsprechung aufzugeben, entschied der Bundesgerichtshof im vorliegenden Fall jedoch, dass die Sachlage hier nicht vergleichbar sei. Der entscheidende Unterschied sei nämlich die fehlende Identität zwischen dem Sicherungsnehmer der Forderungsabtretung und dem Sicherungsnehmer der Kontoverpfändung. In dem im Juni 2005 entschiedenen Fall war lediglich die Forderungsabtretung zugunsten der Poolführerin bestellt, die Kontoverpfändung jedoch bestand zugunsten der beklagten Poolbank. Dieser Unterschied werde auch nicht etwa dadurch beseitigt, dass die Poolführerin und die beklagte Poolbank gemeinsam in einem Sicherheitenpool verbunden waren. Diese lediglich vertragliche Verbindung vermag nach Ansicht des Bundesgerichtshofs die dingliche Zuordnung der bestellten Sicherheiten nicht zu ändern.Das neue Urteil hat keine negativen Auswirkungen auf die bankenübliche Kreditbesicherung im Konsortium. Die am Syndizierungsgeschäft beteiligten Banken sollten das Urteil trotzdem zum Anlass nehmen, ihre Sicherungspraxis zu prüfen. Es ist dringend anzuraten, sämtliche Sicherheiten zumindest auch zugunsten der Poolführerin zu bestellen. * ) Dr. Thomas Flatten und Michaela Huber sind Rechtsanwälte im Frankfurter Büro von White & Case.