Recht und Kapitalmarkt

Bieterwettbewerbe können zum Marathon werden

Konsortien in der City umstritten - Reger Wettstreit von Vorteil für die Zielunternehmen - Auktionsverfahren in London verfeinert

Bieterwettbewerbe können zum Marathon werden

Von Andreas Wölfle *) Auch in der Londoner City bewerben sich immer wieder Bietkonsortien um große Unternehmensübernahmen: 2004 wurde die Canary Wharf Group von einem von Morgan Stanley geführten Konsortium übernommen; 2005 erwarben Fortune Brands und Pinot Ricard gemeinsam Allied Domecq, um dann deren Geschäftsaktivitäten aufzuteilen. Gründe für den Zusammenschluss zu Konsortien sind vor allem die Bündelung von Expertise sowie finanziellen und personellen Ressourcen, jedoch auch die Begrenzung des Risikos der einzelnen Konsortiumsmitglieder. Trotz dieser Vorteile fällt die Beurteilung von Bietkonsortien nicht einhellig positiv aus, wie eine Reihe von Bedenken zeigt, die im Zusammenhang mit Bietkonsortien regelmäßig vorgebracht werden:Durch Bietkonsortien könne die Zahl der Gebote sinken und Fonds könnten sich absprechen, wer in welchen Übernahmen biete. Zudem könnten sich die Private-Equity-Häuser wechselseitig an Konsortien beteiligen, um Konkurrenz zu vermeiden und die Preise für Übernahmen zu senken. Es kam schon vor, dass Bieter aus Auktionen ausstiegen, um sich nach Beendigung der Auktion dem siegreichen Konsortium anzuschließen. Das gebündelte Finanzvolumen von Private-Equity-Konsortien könne andere potenzielle Bieter abschrecken. Es stelle sich auch die Frage, ob ein Konsortium nach der Übernahme in der Lage sei, das Zielunternehmen effizient und auf einem einheitlichen Kurs zu führen. Bietkonsortien könnten für institutionelle Investoren ökonomisch nachteilig sein, die zwecks Portfolio-Diversifizierung in mehrere Private-Equity-Fonds investiert hätten. Schlössen sich diese Fonds zu einem Konsortium zusammen, kumuliere sich das Risiko der Investoren.Nicht zuletzt aus der Sicht des Zielunternehmens und seiner Aktionäre kann ein Konsortium jedoch auch Vorteile bieten, wenn es gelingt, einen echten Wettstreit zwischen verschiedenen Bietern/Bietkonsortien zu initiieren und zu erhalten: Die Anzahl der unabhängigen Bieter mag zwar durch die Bildung von Konsortien reduziert sein, es können aber auch solche Interessenten (in einem Konsortium) mitbieten, die allein nicht über die erforderlichen Mittel verfügen würden oder aus wettbewerbsrechtlichen oder steuerrechtlichen Gründen das Target nicht allein übernehmen könnten. Konsortien verringern deshalb nicht notwendigerweise die Zahl der Bieter. Für die Zielgesellschaft kommt es im Interesse ihrer Aktionäre darauf an, einen echten Bieterwettbewerb zu erzeugen. Sobald ein Übernahmeangebot wahrscheinlich erscheint, wird das Target deshalb häufig weitere potenzielle Bieter kontaktieren und versuchen, mit ihnen ein “empfohlenes” Übernahmeangebot auszuhandeln. Diese Suche nach einem “White Knight” bedeutet, dass sich die Zielgesellschaft “selbst auf den Markt stellt”, um eine Situation zu schaffen, in der eine möglichst große Zahl von Bietern beteiligt ist. So soll der bestmögliche Preis erreicht werden. Es kann zu einer Serie von Geboten und Gegengeboten kommen. Das Board des Targets kann, je nach Attraktivität des jeweiligen Gebotes, auch erst das Angebot des einen und dann das erhöhte Angebot des anderen Bieters empfehlen.In der Regel wird das Board das höchste Gebot empfehlen, und in der Praxis stimmen die Aktionäre regelmäßig der letzten Empfehlung zu. Die Großaktionäre sind sowieso häufig bei den Verhandlungen mit den Bietern dabei; so soll die Unterstützung der Aktionäre sichergestellt werden. Einflussnahme möglichRegelmäßig verpflichtet sich das Zielunternehmen dem bevorzugten Bieter gegenüber, ihn zu unterstützen, mit Informationen zu versorgen und keine Abwehrmaßnahmen zu ergreifen. Zudem wird normalerweise eine “Break Fee” vereinbart sowie gewisse Beschränkungen hinsichtlich der Handlungsfreiheit des Targets: Es soll nicht andere Gebote fördern. Schließlich kann in der Schlussphase einer Übernahme mit einem Bieter Exklusivität vereinbart werden. Dem Zielunternehmen steht somit eine Vielzahl vertraglicher Instrumente zur Verfügung, um auf den Bieterprozess Einfluss zu nehmen. Nur einen Vertrag über die Übernahme an sich kann das Zielunternehmen auch in England nicht schließen. Es liegt allein im Ermessen der Aktionäre, ob ein Übernahmeversuch Erfolg hat. Die englische Praxis hat gezeigt, dass sie mit den Besorgnissen, die in Bietverfahren entstehen können, umzugehen vermag. In manchen Bietverfahren ertönt allerdings nach einiger Zeit dann doch der Ruf: “Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.” Das Target sollte sich ja irgendwann wieder auf sein eigentliches Geschäft konzentrieren können. Es ist jedoch nicht immer einfach, einen Bieterwettbewerb zwischen Konsortien (und anderen Bietern) schnell und effektiv zu beenden. Ein frühes Beispiel dafür war die Auktion um die Canary Wharf Group. Der damalige Bietmarathon zog sich neun Monate hin und wurde vom Panel on Takeovers and Mergers (auch “Takeover Panel” oder nur “Panel”) schließlich durch eine Open Auction beendet. Dabei konnten die Bieter über mehrere Tage hinweg jeweils ein Gebot pro Tag abgeben. Das Panel hat das Auktionsverfahren in dem jüngsten Beispiel einer Open Auction, der Übernahme von Corus Steel durch Tata Steel im letzten Jahr, weiter verfeinert. Der Auktionsprozess fand in einer einzigen Nacht statt, einem Zeitraum, in dem alle Börsen geschlossen waren, an denen Aktien der beteiligten Unternehmen gehandelt wurden. Die Auktion umfasste acht Runden, in denen das Gebot erhöht werden musste. Letztlich – in der neunten Runde – mussten die Bieter ein “Formula”-Gebot abgeben, das sich aus zwei Komponenten zusammensetzt: einem “Aufgeld” auf die von dem anderen Bieter gebotene Summe sowie einem Maximalpreis, den der Bieter zu zahlen bereit ist. Gesetzlich verankertDas Takeover Panel selbst hat erst in jüngerer Zeit eine gesetzliche Verankerung erhalten, obwohl es dieses Jahr seinen 40. Geburtstag feiert. Überdies war (und ist) das Panel eine unabhängige Einrichtung und keine Behörde. Ihm gehören auch nicht Repräsentanten staatlicher Gewalt, sondern Vertreter großer Finanz- und Wirtschaftsverbände an. Das Team setzt sich hauptsächlich aus Secondees von Investmentbanken, Anwaltskanzleien und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zusammen. Nach alledem mag es überraschen, dass das Panel bereits in der Vergangenheit Verfahrensvorgaben machen konnte, denen die Parteien fast ausnahmslos nachkamen.In der Vergangenheit war das “Cold Shouldering” der drakonischste Sanktionsmechanismus bei Zuwiderhandlung gegen Panel-Entscheidungen: In einem solchen Fall zeigten die Finanzdienstleistungsinstitute, die sich der Regulierung durch das Panel unterstellt hatten, dem “Missetäter” die kalte Schulter und verweigerten die weitere Zusammenarbeit. Nunmehr hat das Panel auch die Möglichkeit, seine Entscheidungen gerichtlich durchzusetzen oder sie durch die Financial Services Authority durchsetzen zu lassen. Ob das Panel diese neuen Möglichkeiten auch nutzen wird, bleibt abzuwarten. Es hat allerdings angedeutet, dass es keine großen Veränderungen seiner Praxis erwartet.Offen ist auch, wie sich die gerichtliche Kontrolle von Panel-Entscheidungen entwickeln wird. Bisher waren die englischen Gerichte sehr zurückhaltend, Panel-Entscheidungen zu korrigieren. Sie haben dem Panel als hoch spezialisiertem Expertengremium eine große (und abschließende) Entscheidungskompetenz zugesprochen. Durch die gesetzliche Verankerung könnte es künftig häufiger den Versuch einer gerichtlichen Intervention geben. AnregungenDie unbürokratische Praxis des Panels und seine kreativen Regulierungsansätze sind so in Deutschland beispiellos. Aus ihnen mag sich jedoch die eine oder andere Anregung für den (stärker gesetzlich geregelten und weniger auf die Selbstregulierung vertrauenden) deutschen Übernahmemarkt ergeben. *) Dr. Andreas Wölfle ist Partner bei Gleiss Lutz und arbeitet von London und Stuttgart aus.