Big Data verändert die Private-Equity-Branche

Die menschliche Einschätzung eines Portfoliounternehmens ist und bleibt dabei aber zentraler Anker im Tun eines jeden PE-Hauses

Big Data verändert die Private-Equity-Branche

Hedgefonds nutzen sie schon lange: globale, schier unendliche Datenmengen, welche mittels spezieller IT-Systeme zielorientiert aufgearbeitet und verwertet werden: sogenannte “Big Data”. Quantitative Hedgefonds verarbeiten diese Datenmengen vor allem mittels selbstlernender Computer-Algorithmen, um über den Kauf und Verkauf von Anlagen zu entscheiden – im Sekunden-, Minuten- oder Tagesrhythmus.Die Private-Equity-(PE-)Branche handelt und denkt in Zyklen von mindestens einem Jahrzehnt. Sie investiert in Unternehmen, welche per se nicht an der Börse gehandelt sind. Digital verfügbare Daten gab es hier historisch betrachtet nur begrenzt, und so setzte die Branche vor allem auf Menschen, deren Netzwerke, Expertise und Intuition, um die besten Unternehmen im Markt ausfindig zu machen und später als Miteigentümer zu verwalten.Diese Zeit ist im Umbruch, und es wird zunehmend klar, dass Daten und deren Management mittlerweile eine Schlüsselrolle für PE-Häuser spielen: Aufsichtsbehörden und Investoren fragen nach mehr und zunehmend individualisierten Daten im Sinne einer erhöhten Transparenz. PE-Häuser selbst benötigen für ihr Controlling eine effiziente und sichere Datenverarbeitung. Um den wachsenden Anforderungen an das Datenmanagement gerecht zu werden, bedarf es maßgeschneiderter Technologien – definitiv vorbei sind die Zeiten Excel-basierter Reportings. Die steigende Anzahl an Regtech-Start-ups spiegelt diesen aktuellen Bedarf der Branche.Es steigt aber nicht nur die Nachfrage nach Daten, sondern vor allem deren Angebot. PE-Häuser haben über ihre Investitionen große Datenmengen recherchiert, welche durch die Informationen spezialisierter Dienstleister ergänzt werden. Portfoliounternehmen ihrerseits arbeiten mit umfassenden Daten, um die eigene Wertschöpfung zu optimieren, und Konsumenten hinterlassen in einer digitalisierten Welt fortwährend ihre Datenspur zu persönlichen Interessen und Präferenzen.Es gibt enorme Datenmengen im Markt, die täglich exponentiell wachsen. Nur wer diese Datenmengen zielorientiert verarbeitet, kann im heutigen Markt die notwendigen Renditen erwirtschaften.In einer rezenten globalen EY-Studie bestätigen 95 % aller befragten Private-Equity-Häuser, künftig mehr Analytik zu verwenden. Analytik ermöglicht die Identifikation von Korrelationen, Mustern und gezielten Informationen innerhalb der globalen, zunächst unstrukturierten Datenmengen. 83 % aller PE-Häuser suchen laut dieser Studie Geschäftspartnerschaften mit Unternehmen aus dem Bereich der Digital- und/oder Technologie-Expertise. Wenn Know-how und Personal zur Umsetzung der digitalen Strategie im eigenen Haus fehlen, kann es sinnvoll sein, Geschäftspartnerschaften mit spezialisierten Unternehmen einzugehen.Big Data ist in der PE-Branche viel später als in anderen Branchen angekommen: Venture-Capital-(VC-)Häuser zum Beispiel investieren schon lange in Start-ups aus dem Bereich Datenmanagement und nutzen Big Data auch für ihre eigenen Zwecke, insbesondere zum Screening attraktiver Anlageobjekte. Für Hedgefonds gehört Big Data seit 20 Jahren zum Tagesgeschäft.In der PE-Branche verändert Big Data die Wertschöpfung auf verschiedenen Ebenen. Deal Sourcing, Due Diligence und operative Wertschöpfung in den Zielunternehmen können als die wichtigsten Aspekte genannt werden.Deal Sourcing: In quantitativer Hinsicht verstärkt Big Data den Dealflow und zeigt PE-Häusern Investitionsmöglichkeiten auf, welche durch ausschließliche Nutzung menschlicher Netzwerke oft nicht hätten identifiziert werden können. In qualitativer Hinsicht kann der Dealflow nach festgelegten Kriterien rationalisiert werden, so dass sich die Dealteams auf geeignete, vorselektierte Anlageobjekte fokussieren können. Im Deal Sourcing kann die gezielte Auswertung von Social-Media-Daten als Beispiel angeführt werden: PE-Häuser, welche in der Konsumgüterbranche investiert sind, wenden zunehmend Analytikmethoden anhand von Daten der sozialen Medien an, um Konsumentenpräferenzen zu identifizieren und Trends zu antizipieren. So können Potenziale von Marken und Konsumgüter-Unternehmen besser bewertet werden.Due Diligence: Technologie und Daten unterstützen PE-Häuser in der Untersuchung möglicher Anlageobjekte, ihrer Stärken und Schwächen, der wichtigsten Treiber von Wachstum und Profitabilität. Auch helfen Daten im Benchmarking des Anlageobjektes zu Konkurrenten sowie in der Marktpositionierung auf Grundlage starker und relevanter Leistungskennzahlen (KPIs). Untersuchte man vormals in einer Due Diligence die Vergangenheit eines Unternehmens, wird der Ansatz heute beispielsweise über Szenario-Analysen zunehmend antizipativ. Ein durch Big Data gestärkter Due-Diligence-Prozess ermöglicht es PE-Häusern schlussendlich, den Preis für das Target präziser festzulegen.Operative Wertschaffung: Unternehmen nutzen zunehmend Technologien, um ihre Prozesse zu skalieren und zu verbessern. Die gezielte Analyse von Daten aus unterschiedlichen Quellen ermöglicht PE-Häusern eine Priorisierung von Tätigkeitsfeldern in ihren Portfoliounternehmen. Eine Segmentierung der Kundenbasis, eine Neuentwicklung der Produktpalette, Restrukturierung von Vertrieb und Marketing, eine Rationalisierung von Vertriebskanälen sind nur einige Beispiele korrigierender Maßnahmen seitens der PE-Häuser, die auf Basis von Analytikmethoden in Portfoliounternehmen umgesetzt werden können.Big Data kann somit die Grundlagen des Geschäftsmodells stärken. Der Investmentmanager hat nicht weniger Aufgaben, sondern trifft seine Entscheidungen lediglich auf Basis von mehr verfügbarer Information. In einem kompetitiven Markt ist dies zunehmend wichtig. Die Einstiegspreise sind hoch, und der Spielraum zwischen einer guten und einer schlechten Investitionsentscheidung ist eng. Auch das Risikomanagement der Branche wird durch Big Data und bessere Möglichkeiten in der Durchführung von Stresstests gestärkt. Nicht um jeden PreisDigitale Technologie und Big Data werden künftig kritische Wettbewerbsvorteile generieren. Sie dürfen aber nicht losgelöst von der Strategie, den Kompetenzen und Menschen eines PE-Hauses betrachtet werden. Werden moderne Datenanalyseverfahren nur eingeführt, weil jeder andere es tut, führt dies nie zum gewünschten Ergebnis.Vor der Implementierung von Big Data sollten PE-Häuser zunächst ihre digitale Strategie formulieren. Diese muss an der Unternehmensstrategie ausgerichtet sein und die konkreten Erfordernisse im Bereich Big Data identifizieren. Entsprechend der digitalen Strategie werden die passenden Technologien, Tools und Produkte ausgesucht sowie implementiert. Die bestehenden Geschäftsprozesse werden sich am Einsatz der Technologien orientieren und hieran anpassen – nicht umgekehrt. Selbstverständlich muss auch der Aufbau des erforderlichen Know-how unter den Mitarbeitern sichergestellt sein. Die richtige Balance findenBig Data kann den gesamten Prozess einer Transaktion stärken und effizienter gestalten. Dabei ist es wichtig, die richtige Balance zwischen Mensch und Intuition einerseits sowie Daten und Analytik andererseits zu finden. Es ist nicht zu erwarten, dass die Investment-Teams der Private-Equity-Branche von Big Data und Digitalisierung ersetzt werden. Allerdings ist davon auszugehen, dass diejenigen Marktteilnehmer, welche die aktuelle Transformation nicht ernst nehmen, sich künftig im Markt nur schwer positionieren können.Big Data wird wichtige Funktionen in der PE-Branche übernehmen und diese verändern. Unverändert bleiben dabei das grundlegende Geschäftsmodell von Private Equity und die Tatsache, dass die menschliche Einschätzung eines Portfoliounternehmens zentraler Anker im Tun eines jeden PE-Hauses ist und bleibt.—-Olivier Coekelbergs, Head of Private Equity bei EY Luxembourg und Dr. Carmen von Nell-Breuning, Senior Manager Private Equity bei EY Luxembourg