RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: MARTIN WEGER

"Bloße Briefkastenfirmen helfen nicht"

Wie ausländische Konzerne im internationalen Geschäft Steuern optimieren

"Bloße Briefkastenfirmen helfen nicht"

– Herr Dr. Weger, Apple zahlt außerhalb der Vereinigten Staaten so gut wie keine Steuern. Und das bei einem Jahresgewinn, der bei 37 Mrd. Dollar im Ausland liegen soll. Ist so etwas legal möglich?Dies ist – schon bezogen auf einzelne Länder – legal selbst dann möglich, wenn diese etwa über einen nominell hohen Körperschaftsteuersatz verfügen, aber zum Beispiel großzügige Verlustnutzungsmöglichkeiten bieten und/oder einen umfangreichen Abzug von Betriebsausgaben ermöglichen. Dennoch, fixe Körperschaftsteuersätze in der genannten Größenordnung sind eher die Ausnahme. Hier kommen Staaten ins Spiel wie Irland, die sich auf einen relativ moderaten Satz beschränken. Aus Sicht der Anteilseigner und Mitarbeiter ist es ein optimales Ergebnis – mit dem das Unternehmen keineswegs ein Einzelfall ist.- Wie sieht die Steuerstrategie internationaler Konzerne aus?Ein internationaler Konzern ist in vielen Jurisdiktionen tätig, was ja auf der einen Seite durch die Kundenbeziehungen vorgegeben ist. Relativ frei ist er aber andererseits in der Strukturierung seiner Wertschöpfungskette und der Beantwortung der Frage: Wo und wie erwirtschafte und versteuere ich meine Gewinne? Wer diesem legalen Spielraum fahrlässig nicht nutzt, schmälert die Nachsteuerrendite seiner Anteilseigner und macht sich gegebenenfalls haftbar.- Könnten Sie uns ein paar dieser Steuerstrategien näher erklären?Am Anfang steht die Analyse der Wertschöpfungskette des Konzerns. An welche Kunden sind welche materiellen oder immateriellen Güter zu liefern – oder gegebenenfalls in Kommission zu verkaufen, welche Teilprodukte sind weiterzuverarbeiten, was benötigt der Konzern selbst an Eingangsleistungen. Je nach einschlägiger Jurisdiktion werden hier Einkünfte aus Lizenzen relativ niedrig besteuert und dort ist eventuell zur Förderung einer industriellen Produktion für eine mehrjährige Übergangsphase die Zahlung einer Körperschaftsteuer erlassen. Solche Faktoren werden dann in Zusammenarbeit mit der Unternehmensleitung sowie der Rechts- und Steuerabteilung so früh wie möglich in eine langfristige Steuerstrategie unter Einsetzung lokaler Holdings eingebunden – nachträgliche Verlagerungen sind nämlich oftmals steuerwirksam nicht mehr möglich.- Es heißt laut OECD, dass insbesondere aus der Internetbranche die Unternehmen oft viel niedrigere Steuern zahlen – etwa Google. Welche Faktoren wirken hier?Zunächst ist die IT-Branche für innovative, gut bezahlte Arbeitskräfte bekannt. Sie erscheint damit auch dem Lohn- und Einkommensteuerempfänger Staat förderungswürdig. Bei IT-Unternehmen, die zusätzlich noch insoweit virtuell sind, als sie zum Beispiel schwerpunktmäßig aus Programmcode und Servern bestehen, fällt es umso leichter, jedenfalls deren Unternehmenssitz und/oder den Sitz der Verkaufsstelle in einem Land mit relativ niedriger Steuerbelastung anzusiedeln. Man muss dann aber auch Nägel mit Köpfen machen – bloße Briefkastenfirmen helfen nicht.- Deutschland braucht ein wettbewerbsfähiges Steuersystem, aber auch eine stabile Steuerbasis. Wie sehen Sie dieses Dilemma?Das mathematische Dilemma muss jedes Land nach seinen spezifischen Voraussetzungen auflösen: Deutschland als relativ bevölkerungsreiche Industrienation auch mit vielen alteingesessenen Mittelständlern – oftmals sogenannte Hidden Champions, die Weltmarktführer sind – dürfte einerseits relativ schlecht damit beraten sein, zum Beispiel höhere Körperschaftsteuersätze einzuführen.- Und andererseits?Auf der anderen Seite sind jedenfalls auskömmliche und für den Fiskus gut zu kalkulierende Einkommensteuersätze zu erzielen, ohne dass großflächige Fluchtbewegungen einsetzen – wenn man mit Augenmaß agiert und keine sinnlosen Exempel statuiert. Der französische Nachbar hat hier ja kürzlich wieder einschlägige Erfahrungen sammeln dürfen. Die 5 Mrd. Dollar, die Apple allein im ersten Halbjahr 2012 über die Mitarbeiter und Anteilseigner seiner US-Gesellschaften an US-Einkommensteuern generiert hat, helfen dem Fiskus da schon eher weiter.—-Dr. Martin Weger ist Co-Managing Partner bei Kaye Scholer in Frankfurt Die Fragen stellte Walther Becker.