RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: MARKUS KAULARTZ

Braucht die Blockchain-Technologie einen klaren Rechtsrahmen?

Fintech-Rat gibt Stellungnahme ab - Flickenteppich in Regulierung vermeiden

Braucht die Blockchain-Technologie einen klaren Rechtsrahmen?

Herr Kaulartz, der jüngst formierte Fintech-Rat hat sich in einer Stellungnahme an die Bundesregierung für einen Rechtsrahmen in Sachen Blockchain ausgesprochen. Wie bewerten Sie das rechtlich?Die Stellungnahme enthält viel Sinnvolles. Sie spricht wichtige Themen an, wie Tokens, Smart Contracts oder die Blockchain-Technologie selbst. Gerade im kapitalmarktrechtlichen Bereich, beim gutgläubigen Erwerb von Tokens und damit verbundenen Rechten und bei der Ausgestaltung von Smart Contracts geht die Stellungnahme auf sehr wichtige Punkte ein. Einige Forderungen sollten allerdings auch in Frage gestellt werden, zum Beispiel beim Ruf nach datenschutzrechtlichen Ausnahmevorschriften. Technologieausnahmen sind der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nämlich eigentlich fremd. Im Papier ist die Rede von einer “zügigen Regulierung samt zugehöriger Strategie”. Wie kann so etwas aussehen?Auf Bundes- und EU-Ebene wird derzeit viel über neue rechtliche Rahmenwerke diskutiert. Ich warne allerdings vor zweierlei: Überregulierung und voreilige, überstürzte Entscheidungen. Beides bringt der Blockchain-Szene wenig. Vor Letzterem habe ich allerdings wenig Sorge, denn solche Prozesse dauern wegen der vielen Interessen, die hier aufeinanderstoßen. Worin liegt das Problem bei einer “Überregulierung”?Wenn der Eindruck vermittelt wird, für jede neue Innovation ein neues Gesetz zu benötigen, werden Unternehmen gehemmt und die Innovationsbereitschaft geht zurück. Ich plädiere für kurzfristige und praxisnahe Leitlinien der Behörden und ich denke, Unternehmen benötigen auch etwas Mut, neue Technologien unter geltendes Recht zu subsumieren. Die Gesetze der alten Welt sind also auch für die neue Welt ausreichend?Wenn bestehende Gesetze die Geschäftsmodelle der Unternehmen offensichtlich unmöglich machen oder bestimmte Gruppen nicht mehr ausreichend schützen, dann ist eine Gesetzesanpassung sicherlich nötig und auch sinnvoll. Nicht verwechseln darf man dies aber mit Fällen, in denen es noch keinen hundertprozentig passenden Rechtsrahmen für einen Sachverhalt gibt. Das gibt es bei innovativen Themen sehr häufig. Es ist für Unternehmen dann essenziell, nicht den Kopf in den Sand zu stecken, sondern Vorschriften und Rechtsprechung vor dem Hintergrund des digitalen Wandels auszulegen. Was nicht passt, wird also passend gemacht, auch ohne Gesetzgeber. Wir dürfen nicht vergessen, dass selbst das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) schon 120 Jahre alt ist und wegen seiner Vielzahl an unbestimmten Rechtsbegriffen bisher nur ganz marginal für neue Technologien angepasst werden musste. Welche Rolle spielen Behörden und Gerichte bei Blockchains?Auf Grund der langen Verfahrensdauer eignen sich Gerichte grundsätzlich nicht besonders, um in innovativen Bereichen für Rechtssicherheit zu sorgen. Bei Behörden sieht das anders aus: Zwar können sie nur Empfehlungen geben und keine letztverbindlichen Entscheidungen treffen. Dies genügt für die Praxis meines Erachtens jedoch völlig, da ohnehin nur ein Bruchteil der Fälle tatsächlich vor Gericht kommt. Die Landesdatenschutzbehörden und im Blockchain-Kontext natürlich die BaFin geben hier ein gutes Bild ab, denn durch ihre Orientierungshilfen, Beschlüsse und Merkblätter geben sie der Praxis wichtige Leitplanken vor. Im Papier des Fintech-Rats wird auch die Rolle der EU angesprochen. Braucht es einen internationalen Gleichlauf?Unbedingt. Daten kennen keine Landesgrenzen, Blockchains natürlich auch nicht. Der vielzitierte Flickenteppich muss natürlich vermieden werden, da sind sich alle einig. Klar muss aber auch sein: Je mehr Entscheider ins Boot geholt werden, desto länger dauern Entscheidungsprozesse. Unternehmen ist durch eine schnelle nationale Regulierung mehr geholfen als durch ungewisse internationale Regeln, zumal sich beides ja nicht ausschließt. Dr. Markus Kaulartz ist Rechtsanwalt bei CMS Deutschland. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.