Brexit hat gravierende Folgen für Unternehmenssteuern
Von Matthias Krämer *)Die Zölle sind bei weitem nicht das einzige Problem. In der Wahrnehmung der Folgen des Brexit stehen vor allem diese vor Augen, illustriert zudem durch das Bild langer Lkw-Schlangen an den französischen, niederländischen und britischen Häfen. Weitet sich die Perspektive, kommen als Nächstes die Folgen des Verlassens des einheitlichen Mehrwertsteuersystems in das Blickfeld.Jedoch zeitigt der Brexit auch im Bereich der Unternehmenssteuern gravierende Folgen. Schließlich unterfallen dann die Wirtschaftsbeziehungen nicht mehr dem Schutz verschiedener EU-Richtlinien, die bei grenzüberschreitenden Sachverhalten eine nachteilige Besteuerung gegenüber Steuerinländern vermeiden. So führt das Ausscheiden aus der Mutter-Tochter-Richtlinie automatisch zu einer Minderung der Renditen britischer Tochtergesellschaften bei ihren deutschen Mutterunternehmen um 5 Prozentpunkte. Dies entspricht dem Quellensteuereinbehalt, der dann wieder zum Tragen kommt, gemildert allein durch die Reduzierung des Steuersatzes im Doppelbesteuerungsabkommen.Zu nennen ist auch die Fusionsrichtlinie. Ihr Wegfall führt bei grenzüberschreitenden Änderungen in der Struktur einer Unternehmensgruppe zur sofortigen Besteuerung fiktiver Gewinne. Direkter Zugriff Insbesondere stellt der Brexit Unternehmen vor die Herausforderung, ihre operativen Abläufe steuerlich zu optimieren. Dabei ergibt sich ein besonderer Gesichtspunkt aus dem mit Wirkung ab 1. April 2017 im Vereinigten Königreich auf 19 % herabgesetzten Körperschaftsteuersatz (ab 2020: 18 %). Das Vereinigte Königreich gilt seitdem als sogenanntes “niedrig besteuerndes Ausland”. Nach dem deutschen Außensteuergesetz (AStG) eröffnet diese Tatsache dem deutschen Fiskus in bestimmten Konstellationen den direkten Zugriff auf die Einkünfte einer britischen Tochtergesellschaft, sofern diese mehrheitlich von einem oder mehreren deutsche Steuerpflichtigen – gleichgültig ob Personen oder Unternehmen – als Gesellschafter gehalten wird. SystemwidrigDas ist systemwidrig, weil normalerweise eine Tochtergesellschaft ihre Gewinne selbst versteuert. Sie schirmt den Gesellschafter also von der Besteuerung ab. Allenfalls werden Gewinnausschüttungen (Dividenden) auf seiner Ebene besteuert. In Fällen des Außensteuergesetzes wird dieses Prinzip jedoch negiert. Die Gewinne der Tochtergesellschaft werden also sofort, das heißt zum Ende des Wirtschaftsjahres, für Zwecke der Körperschaft- und Gewerbesteuer in Deutschland mitbesteuert und damit auf den deutlich höheren deutschen Steuersatz hochgeschleust.Praktisch erschwerend wirkt sich zudem aus, dass sowohl ein britischer wie ein deutscher steuerlicher Abschluss erstellt werden muss, weil der deutsche Fiskus die Gewinne der Tochtergesellschaft ausschließlich anhand der deutschen Gewinnermittlungsvorschriften berechnet.Dies alles gilt zwar auch unabhängig vom Brexit. Aber bei Gesellschaften in EU-Mitgliedstaaten besteht eine Möglichkeit, die Hinzurechnungsbesteuerung auszuschließen.Gelingt nämlich dem deutschen Gesellschafter der Nachweis, dass die britische Tochter einer tatsächlichen, eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht, findet die Hinzurechnungsbesteuerung keine Anwendung. Dieser Nachweis kann – außer bei dezidiert zum Zweck der Steuervermeidung ausgestalteten Strukturen – mit vergleichsweise angemessenem Aufwand erbracht werden.Für Tochtergesellschaften, die nicht in EU-Staaten ansässig sind, ist eine solche Ausnahmemöglichkeit jedoch nicht vorgesehen. Nach dem Brexit entfällt für britische Tochtergesellschaften die Möglichkeit des Gegenbeweises, sie fallen unter das Verdikt des Außensteuergesetzes.Die größte praktische Relevanz hat dies für Finanzierungs-, Leasing- und Vertriebstochtergesellschaften, wenn bestimmte operative Verknüpfungen mit Deutschland hinzutreten. Bei Vertriebs- oder Leasinggesellschaften ist dies zum Beispiel der Fall, wenn aus Deutschland ein Mitarbeiter als Geschäftsführer in die britische Tochter entsandt wird.Finanzierungstochtergesellschaften werden ihre Beschaffungsseite sorgfältig danach screenen müssen, ob auch Finanzmittel aus Deutschland beschafft wurden. Für Rechteverwertungsgesellschaften existiert eine vergleichbare Vorschrift. Solche Verknüpfungen können der deutschen Finanzverwaltung genügen, um die Hinzurechnungsbesteuerung vorzunehmen. Keine AbhilfeDas am 15. März von den Ländern angenommene Brexit-Steuerbegleitgesetz schafft für die genannten Fälle gerade keine Abhilfe. Es beabsichtigt in seinem außensteuerlichen Teil lediglich, den Eintritt rückwirkender Besteuerungsszenarien auszuschließen, trifft aber keine Vorkehrungen für andauernde, laufende Geschäftsbeziehungen. Zwar gewährt das sogenannte Brexit-Übergangsgesetz für den Fall des geregelten Brexit eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2020. Angesichts der bisweilen komplexen Verflechtungen innerhalb eines Konzerns sollten Unternehmen jedoch frühzeitig ihre Risikofelder identifizieren, um rechtzeitig gegensteuern zu können. Und im Fall des No-Deal-Brexit gilt dies bekanntlich bereits am 1. November.—-*) Matthias Krämer ist Partner der Kanzlei LPA-GGV.