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BRIC-Staaten haben an Glanz verloren

Analysten skeptisch für einstige Schwellenländer - Brasilien, Russland, Indien und China lassen viele Industriestaaten hinter sich

BRIC-Staaten haben an Glanz verloren

Sie galten lange Jahre als die Hoffnungswerte für Investoren: Brasilien, Russland, Indien und China – von Goldman-Sachs-Volkswirt Jim O’Neill als BRIC zusammengefasst. Doch obwohl die Staaten weiter wachsen und viele Chancen bieten, haben sie mittlerweile auch zahlreiche eigene Probleme.Von Martin Hampel, FrankfurtDas Zauberwort BRIC, das bis vor kurzem Anleger mit starken Wachstumsraten, einer vielversprechenden demografischen Entwicklung, Rohstoffreichtum und Devisenreserven in Verbindung brachten, hat von seinem Glanz verloren. Zwar sind die oben genannten Punkte weiterhin gültig. Hinzu kommen aber – je nach Land unterschiedlich zu gewichten – politische Probleme, Inflation und hohe Volatilität. Tägliche Kurssprünge von 4 bis 6 % sind beispielsweise an den chinesischen Aktienmärkten keine Seltenheit. Zudem korrelieren Chinas Aktien mittlerweile eng mit denen aus den Industriestaaten. Die Analysten von Raiffeisen Research haben unlängst ihre Prognosen für chinesische Titel gesenkt, und sie gehen davon aus, dass das aktuelle Kursniveau bis März 2012 weiter unterschritten wird. “Erst eine Beruhigung auf der internationalen Front und Fakten, die eine sanfte Landung unterstützen, könnten dem chinesischen Aktienmarkt wieder Auftrieb geben”, heißt es in einer Studie.Auch in Indien seien die Märkte hochvolatil, zudem muss sich die dortige Notenbank mit der beharrlich hohen Inflationsrate beschäftigen. Die jüngste Leitzinserhöhung auf 8,25 % dürfte nach Einschätzung von Raiffeisen Research aber in diesem Zyklus die letzte gewesen sein, “da die Konjunkturrisiken deutlich zugenommen haben”.Für Russland gibt es zwar viele optimistische Stimmen, aber auch Unsicherheitsfaktoren. Da die Erdölausfuhren sowohl für Realwirtschaft als auch Aktienmarkt von kritischer Bedeutung sind, wäre ein Einbruch des Ölpreises in naher Zukunft fatal, sagt Maarten-Jan Bakkum, Senior-Emerging-Markets-Aktienstratege bei ING Investment Management. Die trüberen Aussichten für die Weltkonjunktur stimmen in dieser Hinsicht kaum optimistisch. Nichtsdestotrotz reizen Bakkum die günstigen Bewertungen an den russischen Märkten. So seien die Aktien dort um rund 40 % preiswerter als im Schnitt aller Emerging Markets. Boom in BrasilienEinen echten Boom sehen Analysten in Brasilien. Allerdings herrscht hier zum einen noch eine relativ hohe Inflation, und es besteht die Gefahr einer Blasenbildung im Kreditbereich: Die Kreditvergabe hat in den vergangenen Jahren stark angezogen und mit ihr die Ausfallraten – das Wort der Blasenbildung macht die Runde. Auf wenig Gegenliebe dürften zudem protektionistische Vorhaben wie etwa die Einführung hoher Importsteuern stoßen, mit denen die Regierung den Absatz heimischer Fahrzeuge ankurbeln will. Positiv vor allem für den Infrastruktursektor dürfte der Umstand sein, dass Brasilien im Jahr 2014 die Fußball-Weltmeisterschaft und zwei Jahre später die Olympischen Spiele austragen darf.Nicht nur für Investoren stellt sich indes die Frage, ob es sich beim Schwächeln der BRIC-Staaten um eine kurze Phase handelt, oder ob der Boom vorbei ist. Sicher ist: Die aufstrebenden Länder sind längst nicht mehr aufstrebend, sondern mittlerweile für einen guten Teil des globalen Wirtschaftswachstums verantwortlich (siehe Grafik). Zudem sind die Gründe, die diese Länder einst für Investoren attraktiv gemacht haben, zwar teils eingepreist, teils werden sie von Investoren realistischer beurteilt – verschwunden sind sie nicht.Die Wichtigkeit der Länder als Produzenten und Zielmärkte nimmt umso stärker zu, je deutlicher die Produktion in den Industrieländern zurückgefahren wird und je stärker die Nachfrage der westlichen Gesellschaften schwindet. Jedes der vier BRIC-Länder hat in den vergangenen vier Jahren ehemals wichtige Industriestaaten bezüglich des Bruttoinlandsprodukts (BIP) überholt. Sie alle sind an Ländern wie Kanada, Spanien und Australien vorbeigezogen. Kumuliert erwartet Goldman Sachs, dass die BRIC-Staaten gemeinsam in den kommenden Jahren die USA als stärkste Wirtschaftsmacht ablösen werden; einigen Analysten zufolge kann das schon 2013 der Fall sein.Für die Länder, die in den kommenden Jahren in die Fußstapfen der BRICs treten sollen, u. a. Nigeria, Türkei und Indonesien, hat Goldman Sachs bereits einen Namen gefunden: Next Eleven.