RECHT UND KAPITALMARKT

Brüssel nimmt sich des "Market Sounding" an

Regulierung im Rahmen der Marktmissbrauchsverordnung geplant

Brüssel nimmt sich des "Market Sounding" an

Von Gabriele Apfelbacher und Felix Müller *)Der aktuelle Entwurf der Verordnung über Insidergeschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauchsverordnung), die die bisherigen Insiderrichtlinien ersetzen soll, sieht erstmals eine explizite Regelung für das Market Sounding vor. Unter Market Sounding versteht man eine etablierte Marktpraxis, bei der im Vorfeld einer Kapitalmarkttransaktion, insbesondere auf dem Aktienmarkt, das Investoreninteresse an den anzubietenden Aktien durch das Management des Emittenten oder die beteiligten Emissionsbanken ausgelotet wird.Diese Praxis wirft rechtliche Fragen auf, unter anderem im Hinblick auf die Ad-hoc-Pflicht und das Insiderverbot. Dies gilt insbesondere beim Market Sounding für IPOs von Tochtergesellschaften börsennotierter Unternehmen sowie Kapitalerhöhungen oder Sekundärplatzierungen von Aktien börsennotierter Unternehmen, weil die einer Gruppe potenzieller Investoren mitgeteilten Eckpunkte der Transaktion meist nicht öffentlich bekannt sind, sich bei Bekanntwerden aber auf den Kurs der ausstehenden Aktien der betroffenen Gesellschaft bzw. Muttergesellschaft auswirken und damit als Insiderinformation einzustufen sein könnten.Beim Market Sounding stellt sich daher die Frage, ob die Weitergabe von Insiderinformationen durch den Emittenten oder die Emissionsbanken an potenzielle Investoren “befugt” im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) erfolgt. Bisher ist das Market Sounding nicht spezifisch reguliert. Die internen Compliance-Regeln der emissionsbegleitenden Banken sehen aber meist spezielle Prozedere vor, durch die das Risiko von Insiderverstößen minimiert werden soll. Situationsabhängig sollen die angesprochenen Investoren ausdrücklich zu Insidern gemacht werden (sogenanntes “Wall Crossing”) und Vertraulichkeitsvereinbarungen abschließen, was freilich nicht immer auf breite Akzeptanz stößt, weil sich potenzielle Investoren ungern derartigen Beschränkungen unterwerfen, bevor sie den Namen des betreffenden Unternehmens erfahren. Wird das Market Sounding ohne entsprechendes Wall Crossing durchgeführt und handelt der angesprochene Investor anschließend in den Aktien, kann ein Insiderverstoß vorliegen, der, wie eine Anfang des Jahres veröffentlichte Entscheidung der britischen Marktaufsicht FSA gezeigt hat, von der zuständigen Behörde aufgegriffen und verfolgt werden kann.Der Kompromissvorschlag des Europäischen Rats zum Entwurf der Marktmissbrauchsverordnung vom 31.10.2012 sieht einen “Safe Harbor” für die befugte Weitergabe von Insiderinformationen im Rahmen des Market Sounding vor. Ein von der Safe-Harbor-Bestimmung abweichendes Vorgehen qualifiziert dabei nicht automatisch als ein Verstoß gegen das Insiderverbot, sondern muss nach den allgemeinen Regeln analysiert werden. Es empfiehlt sich eine sorgfältige Dokumentation des gewählten Vorgehens, um die Einhaltung des Insiderrechts nachvollziehbar gegenüber Behörden oder Gerichten darlegen zu können.Die Safe-Harbor-Regelung des Kompromissvorschlags besagt, dass die Weitergabe einer Insiderinformation an potenzielle Investoren im Market Sounding im Rahmen der regulären beruflichen oder geschäftlichen Pflichterfüllung – und damit berechtigt durch den Offenlegenden – erfolgt, sofern vor Durchführung des Market Sounding eine Beurteilung der weiterzugebenden Information auf ihre insiderrechtliche Relevanz erfolgte und die Gründe für die getroffene Einschätzung schriftlich festgehalten wurden, der Investor unterrichtet wurde, dass er nach Einschätzung des Offenlegenden eine Insiderinformation erhält, es dem Investor untersagt sein wird, diese Information für Zwecke des Handels in den betroffenen Finanzinstrumenten zu nutzen, sich der Investor mit der Einwilligung zum Erhalt der Information verpflichtet, die Information seinerseits vertraulich zu behandeln und der Offenlegende die Identität des potenziellen Investors, Datum der Weitergabe sowie den genauen Inhalt der offengelegten Informationen dokumentiert.Weitergehend muss der potenzielle Investor informiert werden, sobald die offengelegte Information keine Insiderinformation mehr begründet, etwa weil die Transaktion offiziell angekündigt wurde (sogenanntes “Cleansing”). Nach dem Kompromissvorschlag soll die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA zudem technische Standards entwickeln, die Format und Inhalt der schriftlich zu dokumentierenden Informationen weiter spezifizieren. Für Klarheit gesorgtDie Schaffung eines Safe Harbor für die befugte Weitergabe von Insiderinformationen im Rahmen des Market Sounding ist begrüßenswert. Hierdurch werden erstmals klare und EU-weit einheitliche Vorgaben für eine etablierte Marktpraxis geschaffen, die zur Beseitigung rechtlicher Unsicherheiten beitragen können.In welchen Szenarien bei der Ansprache möglicher Investoren eine Insiderinformation vorliegt, müssen Emittenten und Emissionsbanken indes nach wie vor nach den allgemeinen Regeln bewerten. Gleichermaßen muss ein betroffener Emittent oder seine börsennotierte Muttergesellschaft hinsichtlich der offengelegten Informationen eine mögliche Ad-hoc-Pflicht bzw. Selbstbefreiung davon bedenken.—-*) Dr. Gabriele Apfelbacher ist Partnerin und Dr. Felix Müller Associate im Frankfurter Büro von Cleary Gottlieb Steen & Hamilton.