RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: DANIEL REICHERT-FACILIDES

Brüssel öffnet Anleihemarkt für Infrastrukturfinanzierung

Pilotphase für Projekt-Bonds angestoßen - Regulatorische Hürde

Brüssel öffnet Anleihemarkt für Infrastrukturfinanzierung

– Herr Dr. Reichert-Facilides, die EU-Kommission hat eine Pilotphase angestoßen, um große Infrastrukturprojekte über Projektanleihen zu finanzieren, was steckt dahinter?Infrastrukturprojekte werden in der EU herkömmlich unmittelbar aus den staatlichen Haushalten finanziert, in den letzten Jahren zunehmend auch durch privates Eigenkapital und Bankdarlehen. Der Anleihemarkt war dagegen selbst für Projekte mit Finanzierungsvolumina von mehreren hundert Millionen Euro nicht zugänglich, weil die Risikoanalyse komplexer ist als bei einer herkömmlichen Unternehmensanleihe. Mit der Initiative möchte die Kommission erreichen, dass sich der Anleihemarkt für Infrastrukturfinanzierungen öffnet.- Wie sind die Anleihen strukturiert?Hierzu gibt es noch keine konkreten Vorgaben. Grundsätzlich handelt sich um herkömmliche Schuldanleihen die von der Projektgesellschaft, also vom Inhaber der Konzession für die Errichtung und den Betrieb, begeben werden. Die Besonderheit besteht darin, dass die Europäische Investitionsbank (EIB) eine gegenüber der Anleihe nachrangige Finanzierungstranche zur Verfügung stellt, mit der Einnahmenausfälle oder Kostenüberschreitungen der Projektgesellschaft bis zu einer bestimmten Höhe ausgeglichen werden. Ein ähnliches Produkt zur Absicherung von Verkehrsrisiken in Darlehensfinanzierungen gibt es bereits, nämlich das Kreditgarantieinstrument für transeuropäische Netze. Durch den Einsatz dieses Instruments war es möglich, auch während der Finanzkrise private Infrastrukturfinanzierungen im Bankenmarkt zu platzieren, die sonst vermutlich gescheitert wären.- Für welche Investoren könnten die Projekt-Bonds interessant sein?Die Initiative zielt sicherlich vor allem auf institutionelle Investoren mit konservativen Renditeanforderungen, wie etwa Versicherungen und Pensionskassen. Für diese Gruppe ist Infrastruktur als Vermögensklasse gerade wegen der langen Laufzeiten und der relativ stabilen Einnahmen interessant. Institutionelle Anleger werden für die private Infrastrukturfinanzierung in Zukunft auch deswegen wichtiger werden, weil sich Banken mit der langfristigen Festlegung ihrer Mittel zunehmend schwertun. Diese Tendenz wird durch die Einführung neuer Kapitalkennzahlen für Banken durch Basel III, die einer langfristigen Mittelbindung entgegenwirken, noch verstärkt. Leider hat der europäische Gesetzgeber im Rahmen der zweiten Solvabilitätsrichtlinie auch für die Versicherungswirtschaft regulatorische Anreize für Investitionen in Anleihen mit kürzeren Laufzeiten gesetzt. Wenn dies bis 2013 so umgesetzt wird, wie bislang vorgesehen, wird das den Effekt der Initiative zur Förderung von Projektanleihen weitgehend neutralisieren.- Sind öffentliche Garantien in Zeiten hoher Staatsverschuldung dem Steuerzahler zuzumuten?Jedenfalls eher als die vollständige Finanzierung von Infrastrukturprojekten aus den öffentlichen Haushalten. Zudem hat die EIB, auch wenn sie als öffentliche Förderbank sicherlich immer auch politische Ziele verfolgt, einen hervorragenden Erfahrungsschatz bei der Analyse und Finanzierung von europäischen Infrastrukturprojekten. Diese Kompetenz bei der Risikobewertung im Rahmen einer Nachrangtranche einzubinden, nützt nicht nur den privaten Projektbeteiligten, sondern auch dem Steuerzahler.- Also aus Ihrer Sicht ein Erfolgsrezept für zukünftige Infrastrukturprojekte?So einfach ist das leider auch nicht. Abgesehen von der regulatorischen Hürde, die ich eben erwähnt habe, müssen Infrastrukturprojekte als Anlageklasse auf dem europäischen Kapitalmarkt überhaupt etabliert werden. Dafür brauchen wir neben der jetzigen Initiative vor allem viele Projekte, die tatsächlich auf den Markt kommen. Ohne das können Kapitalmarktinvestoren keine Portfolien aufbauen, und ohne Portfolioansatz kann ein institutioneller Investor keine seriöse Anlagestrategie entwickeln. Deswegen müssen neben der EU-Kommission vor allem die Träger von Infrastrukturprojekten die Chancen der Kapitalmarktfinanzierung erkennen – und danach handeln.—-*) Dr. Daniel Reichert-Facilides ist Experte für Projektfinanzierungen und Partner im Frankfurter Büro von Freshfields Bruckhaus Deringer. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.