Recht und Kapitalmarkt

Brüssel will Effizienz der Prospektregeln erhöhen

Vorschlag zur Änderung der Richtlinie bringt Klarstellung bei "Kaskade-Angeboten" an Privatkunden - Aber es bleibt Diskussionsbedarf

Brüssel will Effizienz der Prospektregeln erhöhen

Von Herbert Harrer, Oliver Dreher und Claus Mößle *)Die Europäische Kommission hat am 23. September einen Vorschlag zur Änderung der Prospektrichtlinie vom 4. November 2003 (Richtlinie 2003/71 EG) vorgelegt. Es soll die rechtliche Klarheit und Effizienz der Prospektregelungen verbessert, der Verwaltungsaufwand für Emittenten und Finanzintermediäre verringert und der Anlegerschutz – insbesondere im Hinblick auf die Bedürfnisse von Kleinanlegern – gestärkt werden. Zudem ist die Europäische Kommission nach Artikel 31 der Prospektrichtlinie dazu verpflichtet, die Anwendung der Prospektrichtlinie fünf Jahre nach ihrem Inkrafttreten zu überprüfen.Schließlich ist der Vorschlag auch eine Auswirkung des Aktionsprogramms zur Verringerung der Verwaltungslasten in der Europäischen Union, das die Europäische Kommission im Januar 2007 auf den Weg gebracht hat. Der Vorschlag enthält einige praxisrelevante Erleichterungen, weshalb eine zeitnahe Umsetzung wünschenswert wäre.Der Änderungsvorschlag der Kommission enthält eine Vielzahl von Einzelregelungen, im Wesentlichen:- die Angleichung der Definition des Begriffs “qualifizierte Anleger” der Prospektrichtlinie an die Definition des “professionellen Kunden” in der Richtlinie 2004/39 EG über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID-Richtlinie),- ein erweitertes Wahlrecht des Herkunftsmitgliedstaats (nun für sämtliche Emittenten von Nichtdividendenwerten, unabhängig von einer Mindeststückelung),- eine Klarstellung zur Reichweite der Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Prospektnachtrags und zum Umfang des Rücktrittsrechts nach dessen Veröffentlichung,- eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer eines Prospekts bzw. Registrierungsformulars,- eine Klarstellung der Bestimmungen bei sogenannten “Retail-Cascade-Angeboten” und – die Erweiterung der Prospektausnahme bei Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen.Zudem beinhaltet er eine Reduzierung der Angabepflichten bei bestimmten Wertpapieremissionen (kleine Unternehmen, kleine Kreditinstitute, Bezugsrechtsemissionen und staatliche Bürgschafts- oder Garantieprogramme), die Abschaffung des Jährlichen Dokuments sowie eine Benachrichtigung des Emittenten und des Prospektverantwortlichen beim Passporting. Mehr KlarheitIn einigen Fällen sorgt der Vorschlag für mehr Klarheit. Das gilt etwa für die Prospektpflicht im Zusammenhang mit “Retail-Cascade-Angeboten”, die bisweilen kontrovers diskutiert und international uneinheitlich beurteilt wurden. Unter einer Retail Cascade wird ein Angebot von Wertpapieren verstanden, das über verschiedene Stufen durch unterschiedliche Finanzintermediäre kaskadenartig erfolgt. Deutlicher als bisher wird nun, dass der Prospekt für die erste Stufe der Kaskade sämtliche weiteren Angebotsstufen abdeckt. Voraussetzung hierfür: Er ist gültig, um angemessene Nachträge ergänzt und der ihn erstellende Emittent oder Anbieter stimmt der weiteren Verwendung zu. Ohne Zustimmung unterliegen sämtliche nachfolgenden Finanzintermediäre einer jeweils eigenen Prospektpflicht, können sich jedoch in ihren jeweiligen neuen Prospekten auf relevante Teile des ursprünglichen Prospekts beziehen.Weiter wird klargestellt, dass die Pflicht zur Erstellung von Prospektnachträgen (zu wichtigen neuen Umständen oder wesentlichen Unrichtigkeiten) mit dem endgültigen Auslaufen der Angebotsfrist bzw. – falls zeitlich früher eintretend – dem Handelsbeginn an einem geregelten Markt endet. Zudem soll die Frist zum möglichen Widerruf von Erwerbs- bzw. Zeichnungserklärungen nach Veröffentlichung eines Nachtrags EU-weit einheitlich auf zwei Arbeitstage nach Veröffentlichung des Nachtrags festgelegt werden. Diese Frist kann vom Emittenten oder Zulassungsantragsteller allerdings freiwillig verlängert werden. Schließlich soll nach dem Vorschlag der Gesamtgegenwert bei der Berechnung bestimmter Obergrenzen für (prospektfreie) Wertpapierangebote gemeinschaftsweit und nicht länderweise zu ermitteln sein. Erleichterungen in der PraxisUm bei Privatplatzierungen unnötige Kosten und Doppelarbeit für Wertpapierfirmen und Kreditinstitute zu vermeiden sieht der Vorschlag eine Angleichung der Definition des Begriffs qualifizierte Anleger in der Prospektrichtlinie an die Definition des Begriffs professionelle Kunden in der MiFID-Richtlinie vor.Eine deutliche Erleichterung wäre auch die vorgeschlagene Reduzierung der Angabepflichten für bestimmte Arten von Wertpapieremissionen (kleine Unternehmen mit geringer Marktkapitalisierung, kleine Kreditinstitute, Bezugsrechtsemissionen und staatliche Bürgschafts- oder Garantieprogramme). Bei diesen Wertpapieremissionen sind die mit der Erstellung eines vollständigen Prospekts verbundenen Kosten häufig unverhältnismäßig. Zudem veröffentlichen etwa staatliche Bürgschafts- oder Garantiegeber bereits ausreichende Informationen über ihre Finanzlage, die im Allgemeinen öffentlich zugänglich sind. Die Einführung einer verhältnismäßigen Offenlegungsregelung anstelle der sogenannten “One-fits-all-Regelung” ist daher zu begrüßen.Gleiches gilt für die Streichung des Erfordernisses eines Jährlichen Dokuments nach 10 Wertpapierprospektgesetz. Denn die im Zuge der Transparenzrichtlinie erlassenen Informationsvorschriften gewährleisten einen ausreichenden Anlegerschutz und machen das Jährliche Dokument überflüssig. Ebenso erfreulich ist die Verlängerung der Gültigkeitsdauer eines Prospekts, Basisprospekts bzw. Registrierungsformulars von 12 auf 24 Monate. Mehr TransaktionssicherheitWeiter enthält der Vorschlag eine Erweiterung der Prospektausnahme für das Angebot von Mitarbeiterbeteiligungen für Emittenten aus Nicht-EU-Ländern, die keine Wertpapiere in einem geregelten Markt notiert haben sowie für nicht börsennotierte EU-Unternehmen oder EU-Unternehmen, deren Wertpapiere nur an einem börsenregulierten Markt (z. B. im Freiverkehr) notiert sind. Die bisherige Regelung verursachte in der Praxis häufig einen erheblichen Aufwand oder führte zu einem unsachgerechten Ausschluss von Mitarbeitern bei globalen Beteiligungsprogrammen.Zudem wird es eine erhöhte Transaktionssicherheit geben. So wird der Emittent oder der Prospektverantwortliche künftig durch die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaates über die Durchführung der Notifizierung im Rahmen des sogenannten “Passporting” benachrichtigt. Dies erfolgte bisher nur an die zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaats.Schließlich soll die Wahl des Herkunftsstaats bei der Emission von Nichtdividendenwerten allen Emittenten eröffnet werden, indem die bislang zumeist erforderliche Mindeststückelung der Wertpapiere von 1 000 Euro abgeschafft werden soll.Der Vorschlag der Kommission wirft jedoch auch Fragen auf – beispielsweise zum Konzept der Zusammenfassung des Prospekts: Nach dem bisherigem 5 Absatz 2 Wertpapierprospektgesetz erfordert eine zivilrechtliche Haftung für die Zusammenfassung, dass Letztere irreführend, unrichtig oder widersprüchlich ist, wenn sie zusammen mit den anderen Teilen des Prospekts gelesen wird. Der Vorschlag sieht unabhängig davon auch dann eine Haftung vor, wenn die Zusammenfassung nicht alle wesentlichen Informationen enthält, die die Anleger für fundierte Anlageentscheidungen oder für einen Vergleich der Wertpapiere mit anderen Anlageprodukten benötigen.Die entsprechenden Anforderungen und Folgen bleiben in der jetzigen Vorschlagsfassung zu unklar, als dass Emittenten daraufhin sinnvolle Maßnahmen treffen könnten. Zudem unterscheidet der Vorschlag nicht ausreichend zwischen den Anforderungen an die Zusammenfassung bzw. den zugehörigen Prospekt. All dies führt zu einer erhöhten Rechtsunsicherheit und kann so auch nicht dem Anlegerschutz gerecht werden.Insgesamt bringt der Vorschlag der Europäischen Kommission eine Reihe von positiven Entwicklungen mit sich, bedarf aber in einzelnen Punkten weiterer Diskussion. Dennoch würde eine baldige Umsetzung zu einer Verringerung des Aufwands und einer Effizienzsteigerung führen.—-*) Dr. Herbert Harrer und Oliver Dreher sind Partner, Dr. Claus Mößle ist Managing Associate im Frankfurter Büro von Linklaters.