RECHT UND KAPITALMARKT

Bundesfinanzhof erschwert Sanierung von Unternehmen

Steuerliche Benachteiligung bei Gesellschafterdarlehen mit Rangrücktritt

Bundesfinanzhof erschwert Sanierung von Unternehmen

Von Hubert Schmid *)Können Unternehmen zukünftig noch mittels eines qualifizierten Rangrücktritts saniert werden? Der Bundesfinanzhof (BFH) scheint dieser Form der Sanierung in seinem Urteil vom 30. 11. 2011 eine Absage zu erteilen.Was war geschehen? Der Gesellschaft stand das Wasser bis zum Hals. Der Gesellschafter wollte helfen, aber nicht mit weiterem Eigenkapital, sondern indem er ein Darlehen gewährte. Die Liquidität war willkommen, die zusätzlichen Schulden nicht. Der Gesellschafter erklärte daher einen Rangrücktritt. Damit platzierte sich das Darlehen im Rang hinter alle Gläubiger der Gesellschaft und war – solang die Krise dauerte – nur aus Jahresüberschüssen und Liquidationsüberschüssen zu begleichen. Die Gesellschaft war damit gerettet, denn das neue Darlehen galt für Insolvenzzwecke nicht als Verbindlichkeit. StreitfallDann entstand Streit darüber, ob trotz Rangrücktritt eine (Darlehens-) Verbindlichkeit bestand. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist das der Fall, wenn bei einem unbefristeten Rangrücktritt der Schuldner das Darlehen bedienen muss, sobald er über “freies Vermögen” verfügt und damit ohne Insolvenzrisiko bezahlen kann. Gleiches gilt, wenn es sich um einen befristeten Rangrücktritt handelt und das Darlehen zu bedienen ist, sobald die Krise beendet ist.Das Finanzgericht bejahte den Ausweis einer Verbindlichkeit. Dies scheint zutreffend, denn sobald die Krise zu Ende war, musste das Darlehen bedient werden. Auch kann der Darlehensgeber spätestens bei Liquidation seinen Anspruch durchsetzen. Der 4. Senat des BFH hatte 2010 bereits in diesem Sinne entschieden. Eine Verbindlichkeit sei auszuweisen, wenn sie nicht nur aus Jahresüberschüssen zu tilgen ist. Dies trifft auf das Darlehen zu; es war auch aus Liquidationsüberschüssen zu tilgen und bei Ende der Krise aus dem gesamten freien Vermögen des Schuldners.Außerdem hatte der 4. Senat 2005 festgestellt, dass auch im Fall eines qualifizierten Rangrücktritts eine Verbindlichkeit auszuweisen sei. Stellt sich eine Verbindlichkeit während der Krise in die letzte Reihe auf Augenhöhe mit Eigenkapital, dann sei deren Bedienung nur zeitlich aufgeschoben. Ein solcher Zahlungsaufschub lasse aber die Verbindlichkeit nicht entfallen. Auch der 1. Senat hatte das 2004 ähnlich gesehen. War eine im Rang zurückgetretene Verbindlichkeit nur aus Gewinnen und freiem Vermögen zu tilgen, dann war sie nicht auszubuchen. Als freies Vermögen gilt, wenn die Aktive die Passiva übersteigen und damit in dieser Höhe die Krise vorbei ist. Tilgung aus freiem Vermögen und Tilgungsaufschub bis zum Ende der Krise sind daher letztlich die gleichen Vereinbarungen.Mit diesem Erfolg beim Finanzgericht im Rücken hätte für die Gesellschaft beim BFH eigentlich nichts schiefgehen können. Der 1. Senat sah die Sache aber anders und grundsätzlicher. Die Gesellschaft werde bei Rangrücktritt nicht stärker belastet, als dies der Fall wäre, wenn die Verbindlichkeit gegen Besserungsschein erlassen worden wäre. Erlass und Rangrücktritt sind zivilrechtlich zwei Paar Schuhe. Das sieht auch der 1. Senat so. Doch er schaut auf die wirtschaftlichen Auswirkungen des Rangrücktritts und des Verzichts mit Besserungsschein und hält beide Maßnahmen letztlich für wirtschaftlich gleichwertig. So gedacht könnte jede Art von Rangrücktritt schädlich sein. Denn wirtschaftlich kann jeder Rangrücktritt zumindest aus Sicht des Schuldners in einen Verzicht mit Besserungsschein umgedeutet werden.Die Rechtsposition des Gläubigers wird dagegen durch Verzicht und Rangrücktritt im Insolvenzfall des Schuldners unterschiedlich beeinträchtigt. So auch bei Sicherheiten, die für die Verbindlichkeiten bestellt wurden. Der 1. Senat war der Auffassung, dass Tilgungen aus Liquidationsüberschüssen nicht zu berücksichtigen seien, da die Liquidation ein so fernliegendes Ereignis sei, dass daraus erwachsende Belastungen keine wirtschaftliche Bedeutung hätten. Also führte der Rangrücktritt zu steuerpflichtigen Erträgen beim begünstigten Unternehmen. Er verkannte, dass nach der Rangrücktrittsvereinbarung bereits bei Ende der Krise Zahlungsverpflichtungen entstehen.Es bleibt zu hoffen, dass die Verwaltung diese merkwürdige Entscheidung mit einem Nichtanwendungserlass belegt, damit Unternehmen in der Krise weiter mittels eines qualifizierten Rangrücktritts saniert werden können. Andernfalls leidet die Sanierungspraxis. Der qualifizierte Rangrücktritt ist heute ein gängiges Mittel, um Gesellschaften zu sanieren. Er war bis dato steuerneutral möglich im Gegensatz zum steuerpflichtigen Verzicht mit Besserungsschein.—-*) Dr. Hubert Schmid ist Partner im Frankfurter Büro von Clifford Chance.