Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Wolfgang Grobecker

Bundesgerichtshof erleichtert Begebung von Wandelanleihen

Entscheidungen zu Arcandor und Conti - Klarstellung vor ARUG-Inkrafttreten

Bundesgerichtshof erleichtert Begebung von Wandelanleihen

Hauptversammlungsbeschlüsse von Aktiengesellschaften, die den Vorstand ermächtigen, Wandel- oder Optionsanleihen auszugeben, dürfen einen bloßen Mindestpreis für die dafür vorgesehenen neuen Aktien bestimmen. Die entschiedenen Fälle beziehen sich auf Continental (BGH, Urteil vom 18. Mai 2009, Az. II ZR 262/07), wo Freshfields Bruckhaus Deringer beraten hat, und auf Arcandor (BGH vom 18. Mai 2009, Az.: II ZR 124/08), wo Hengeler Mueller mandatiert gewesen ist.- Herr Dr. Grobecker, worum geht es bei den Entscheidungen?Die wesentlichen Grundlagen der Wandelanleihe muss die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft festlegen. Die konkreten Details hingegen kann der Vorstand bei der Ausgabe der Anleihe bestimmen. Von besonderem Interesse ist der Wandlungspreis. Wann und wo er konkret festzulegen ist, war heftig umstritten.- Welchen Fall hatte der BGH in diesem Zusammenhang im Fall von Arcandor zu entscheiden?Die Kieler Anlegerschutzvereinigung aktienrechtlicher Minderheitsaktionäre (S.a.M.) hatte seit 2006 zahlreiche Ermächtigungsbeschlüsse von Publikumshauptversammlungen zur Ausgabe von Wandel- und Optionsanleihen mit Nichtigkeitsklagen angegriffen. Darunter auch eine Ermächtigung von Arcandor aus dem Jahr 2006. Diese enthielt – entsprechend der bis dato unangefochtenen Praxis – lediglich einen Mindestpreis für die zur Bedienung der Wandelschuldverschreibungen vorgesehenen neuen Aktien. Den konkreten Ausgabebetrag sollte hingegen der Vorstand bei Ausgabe der Wandelanleihe nach pflichtgemäßem Ermessen festlegen.- Was hatten die Kläger gegen die frühere Praxis einzuwenden?Das wesentliche Argument der Kläger war, dass laut Aktiengesetz der Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung einen “Ausgabebetrag” oder seine Berechnungsgrundlagen feststellen muss. Die Kläger meinten, dass diesem Erfordernis nicht genügt wurde, wenn im HV-Beschluss wie bei Arcandor der Ausgabebetrag mit “mindestens 80 %” eines näher bezeichneten Referenzbörsenkurses zum Zeitpunkt der Ausgabe der Wandelanleihen festgelegt wird, dem Vorstand hingegen die Festsetzung des konkreten Ausgabebetrags überlassen bleibt.- Warum hat der BGH anders als das OLG entschieden?Der BGH hat entschieden, dass es für das Finanzierungsinstrument der Wandel- und Optionsanleihen ausreicht, dass der zugrunde liegende Hauptversammlungsbeschluss einen Mindestausgabebetrag (x % eines Referenzbörsenkurses zum Zeitpunkt der Anleihebegebung) vorsieht. Dies entspreche dem Wesen eines Ermächtigungsbeschlusses, der den Vorstand in die Lage versetzen soll, zu einem späteren Zeitpunkt schnell und flexibel auf sich verändernde Bedingungen reagieren zu können. Die Anforderungen, die der Wortlaut des Gesetzes an den Ermächtigungsbeschluss stellt, dürfen daher nach Auffassung des BGH nicht überspannt werden. Dies ist seit längerer Zeit für das genehmigte Kapital anerkannt (Siemens/Nold-Rechtsprechung) und gilt nach Auffassung des zweiten Zivilsenats auch für Wandelanleihen und bedingtes Kapital.- Wollte der Gesetzgeber das Thema nicht ohnehin angehen?Der BGH stellt klar, dass seine Sichtweise auch auf Grundlage des geltenden Aktiengesetzes zutrifft und nicht nur im Hinblick auf das voraussichtlich noch 2009 in Kraft tretende Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie (ARUG), das ausdrücklich einen Mindestausgabebetrag im Ermächtigungsbeschluss zulässt. Der BGH stellt damit auch für Altfälle klar, dass ein Ermächtigungsbeschluss mit Mindestausgabebetrag wirksam ist.- Welche Folgen hat das Urteil?Die anders lautende Rechtsprechung der Instanzgerichte führte in den vergangenen Jahren zu einer problematischen Umstellung der Praxis. So musste der konkrete Ausgabebetrag für die Wandelanleihen bereits in den Hauptversammlungsbeschlüssen enthalten sein, die typischerweise bis zu mehrere Jahre vor der Ausgabe der Anleihen gefasst werden. Dies hatte die Platzierung von Wandelanleihen erheblich behindert. Diese Unsicherheit hat der BGH beseitigt und bereits vor Inkrafttreten des ARUG für Klarstellung gesorgt. Die geplante Anpassung des Aktiengesetzes an die bisherige Ausgabepraxis durch das ARUG ist somit entbehrlich.—-Dr. Wolfgang Grobecker ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Hengeler Mueller. Er vertrat Arcandor. Die Fragen stellte Walther Becker.