RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: HENDRIK HAAG

"Bürgerbond" soll als Hybridanleihe risikoadäquate Rendite bieten

Vorreiter Tennet in Nordfriesland - Papiere werden zum Handel zugelassen

"Bürgerbond" soll als Hybridanleihe risikoadäquate Rendite bieten

– Herr Dr. Haag, Sie haben Tennet dabei beraten, für die Finanzierung der Westküstenleitung auch Bürger in Dithmarschen und Nordfriesland anzuzapfen. Was kann man sich unter der “Bürgeranleihe” vorstellen, die der Netzbetreiber begibt?Es ist der ausdrückliche Wunsch der Bundesregierung, den Anrainern von im Rahmen der Energiewende erforderlich gewordenen neuen Übertragungsleitungen die Möglichkeit zu geben, an deren Betrieb wirtschaftlich zu partizipieren. Echte Eigenkapitalbeteiligungen lassen sich bei einer Stromleitung nur schwer darstellen. Eine Hybridanleihe kommt der Eigenkapitalbeteiligung aber nahe. Wie diese hat sie eine unbegrenzte Laufzeit und bietet eine im Vergleich zu anderen Anleihen überdurchschnittliche Verzinsung.- Dem steht aber auch ein höheres Risiko gegenüber.Ja, und das manifestier sich insbesondere in der Nachrangigkeit der Ansprüche und dem Recht der Emittentin, Zinszahlungen aufzuschieben. Diese Besonderheiten der Hybridanleihe erlauben es Tennet andererseits, das Hybridkapital wie bilanzielles Eigenkapital zu behandeln, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt die hohe Verzinsung gerechtfertigt erscheint.- Wie sind die Anleihebedingungen gefasst?Anleihebedingungen von Hybridanleihen sind traditionell durch die angelsächsische Dokumentationspraxis geprägt und sehr komplex. Bei einem ausschließlich auf Privatanleger zugeschnittenen Produkt erschien es ratsam, das herkömmliche Konzept ohne Änderung der typischen Elemente einer Hybridanleihe zu vereinfachen. Nach gewissen Anfangsschwierigkeiten haben auch die Ratingagenturen bei Beurteilung des Produkts eingesehen, dass trotz der prägnanten Formulierung alle erforderlichen Elemente eine Hybridanleihe gewahrt wurden.- Wie trägt das Anleihevolumen zu den Gesamtfinanzierungskosten bei?In Einklang mit dem von den vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern gemeinsam mit dem Bundeswirtschafts- und dem Bundesumweltministerium Anfang Juli 2013 vorgelegten Eckpunktepapier zur finanziellen Bürgerbeteiligung am Netzausbau soll die Bürgeranleihe bis zu 15 % zu den Gesamtfinanzierungskosten der Westküstenleitung beitragen.- Wie sind der Anleihen handelbar, gibt es einen Rückkauf seitens des Netzbetreibers?Die Bürgeranleihe soll an den Börsen Luxemburg und Hamburg zum Handel zu gelassen werden, Daneben hat Tennet ein Kündigungsrecht, das aber erst frühestens zehn Jahre nach Beginn des Leitungsbaus ausgeübt werden kann.- Ist die Verzinsung nicht höher als die, die derzeit auf dem Markt zu bekommen ist und wer trägt die Mehrkosten?Die Verzinsung ist höher als bei einem nichtnachrangigen Wertpapier ohne das Recht des Emittenten, Zinszahlungen aufzuschieben, weil dort das Anlegerrisiko geringer ist. So gesehen bietet die Bürgeranleihe eine dem Risikoprofil angemessene Verzinsung. Für Tennet sind Mehrkosten im Hinblick Eigenkapitalcharakter des Hybridkapitals gerechtfertigt.- Der Hintergedanke dieses Instruments ist doch, dass, wer an einer Stromleitung Geld verdient, nicht dagegen protestiert, oder?Im Vordergrund steht der Wunsch, auch den vom Leitungsneubau besonders betroffenen Bürgern die Möglichkeit zu bieten, finanziell zu partizipieren, wie es z. B. bei Windenergieanlagen gang und gäbe ist. Wenn ein Anleger glaubt, durch den Bau der Westküstenleitung in seinen Rechten verletzt zu werden, kann er sich in gleicher Weise dagegen zur Wehr zu setzten wie jemand, der nicht in die Bürgeranleihe investiert hat.- Welche rechtlichen Besonderheiten weist dieser “Bond” auf?Neben der Nachrangigkeit, dem Fehlen einer festen Endfälligkeit und dem Recht zum Zinsaufschub sieht die Anleihe eine gestaffelte Zinszahlung vor. Anfänglich wird das Kapital mit 3 % jährlich verzinst, sobald mit dem Bau der Westküstenleitung begonnen wurde dann mit 5 % jährlich, weil Tennet erst dann an der durch das EEG garantierten Investitionsrendite partizipiert. Der Zinssatz kann sich später ändern, wenn die Investitionsrendite durch das EEG neu festgesetzt wird.—-Dr. Hendrik Haag ist Partner bei Hengeler Mueller in Frankfurt. Die Fragen stellte Walther Becker.