RECHT UND KAPITALMARKT

Bürokratieabbau in China lässt auf sich warten

Verfahren verzögern Transaktionsprozesse und bringen Unsicherheit mit sich - Abgeschotteter Devisenmarkt als Hindernis

Bürokratieabbau in China lässt auf sich warten

Von Michael Krömker und René Grafunder *)Mitte März haben Xi Jinping als Präsident und Li Keqiang als Ministerpräsident der Volksrepublik China offiziell ihre Ämter angetreten. Oben auf ihrer Agenda stehen Korruptionsbekämpfung und Bürokratieabbau – Themen, die auch aus Sicht internationaler Geschäftspartner dringend angegangen werden müssen. Wieso ist das auch für das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen so wichtig?Chinesische Unternehmen bewegen sich zunehmend auf dem internationalen Parkett, auch als ernst zu nehmende Bieter in M & A-Transaktionen. Der Fokus hat sich dabei in den vergangenen zwei bis drei Jahren von Investitionen in Rohstoffquellen, vor allem in Afrika, auf interessante Zielunternehmen in etablierten westlichen Märkten verbreitert. Auch mit Blick auf deutsche Unternehmen ist verstärkte M & A-Aktivität mit chinesischer Beteiligung festzustellen: Für 2012 stehen beispielhaft die Erwerbe von Sunways, Putzmeister, Schwing und Kion sowie der Kauf von ThyssenKrupp Tailored Blanks durch Wuhan Iron and Steel. Schneller mit M&AEine immer wichtigere Rolle als Investoren spielen Staatsunternehmen, die einen Großteil der chinesischen Wirtschaftsleistung ausmachen. Während sich ihre Aktivitäten lange aufs Inland beschränkten, sind sie inzwischen explizit angehalten, sich im Ausland nach lohnenden Investments umzusehen, vor allem in der Hochtechnologie – der aktuell zwölfte Fünfjahresplan definiert hierfür sieben Schlüsselindustrien. Der Anschluss an die Weltspitze führt dabei zwangsläufig über die “Abkürzung” M & A, da die ambitionierten Ziele aus generischem Wachstum nicht schnell genug umsetzbar sind.Im Vergleich zu europäischen und amerikanischen Investoren können die Chinesen aus dem Vollen schöpfen: Große staatliche Devisenreserven erlauben ihnen Investitionen jeglicher Größenordnung. Dabei ist Europa als Investitionsziel besonders attraktiv. An Deutschland schätzen chinesische Investoren starke Marken, Innovationskraft, Verlässlichkeit und Infrastruktur sowie die relative politische Unvoreingenommenheit. Umgekehrt werden Investitionen in China von deutschen Unternehmen schon lange nicht mehr als waghalsiges Abenteuer, sondern vielmehr als betriebswirtschaftliche Notwendigkeit wahrgenommen. Nach der EU und den USA ist China Deutschlands drittwichtigster Handelspartner. Regulatorischer AufwandDoch Vorsicht: Transaktionen mit chinesischer Beteiligung stellen Unternehmen und ihre Berater vor einige Herausforderungen. Sprachliche und kulturelle Unterschiede belasten insbesondere Vertragsverhandlungen. Mindestens ebenso einschneidend sind Chinas regulatorische Erfordernisse. Während es naheliegt, dass die Investition eines ausländischen Unternehmens in China verschiedener Genehmigungen bedarf, sind deutsche Verkäufer und Zielunternehmen meist überrascht, welch regulatorischen Aufwand chinesische Investoren in ihrer Heimat betreiben müssen, um im Ausland zu agieren. Da die Verfahren mehrere Monate dauern können, sind sie ein entscheidender Baustein bei der Planung der Transaktion. Die wichtigsten solcher Verfahren in China betreffen die Fusions-, Investitions-, Devisen- und Außenwirtschaftskontrolle.Die Fusionskontrolle wird als besonders belastend und unberechenbar wahrgenommen. Zuständig ist das Anti-Monopoly Bureau (AMB), eine Abteilung des Handelsministeriums. Droht eine Transaktion den Wettbewerb erheblich zu behindern, kann das AMB Auflagen verhängen oder das Vorhaben untersagen. Von den seit 2008 fast 500 untersuchten Transaktionen wurden mehr als 95 % ohne Auflagen freigegeben. Wenn auch am Ende meist erfolgreich, bedeutet das Verfahren für die Beteiligten erheblichen Aufwand, der mit einer Fusionskontrolle durch die Europäische Kommission vergleichbar ist und damit über die verhältnismäßig überschaubaren Dokumentationserfordernisse eines Verfahrens beim Bundeskartellamt hinausgeht. Mit der Anmeldung sind umfassende Unternehmens- und Marktdaten, Kunden- und Wettbewerberinformationen sowie gegebenenfalls interne Strategiepapiere vorzulegen – in chinesischer Sprache. Da das Verfahren nach Anmeldung mindestens drei Monate dauert, empfiehlt es sich, die Vorbereitung und Einreichung der chinesischen Fusionskontrollanmeldung zu priorisieren. Anders als in den meisten Rechtsordnungen muss die Kartellbehörde auch andere Ministerien konsultieren. Erst wenn alle Bedenken ausgeräumt sind, wird der Zusammenschluss erlaubt.Des Weiteren unterliegen Investitionen chinesischer Unternehmen im Ausland der Kontrolle durch die National Development and Reform Commission (NDRC), die bedeutendste Aufsichtsbehörde Chinas. Sie versucht durch gezielte Eingriffe, die Wirtschaft zu lenken: Ist die Investition im Interesse der Volksrepublik und ihrer Entwicklung? Soll sie durch gerade dieses chinesische Unternehmen getätigt werden oder soll es seine Expansionsbemühungen auf ein anderes Unternehmen lenken? In Bieterverfahren muss bereits vor Abgabe eines Gebots ein “Bestätigungsschreiben” der NDRC eingeholt werden. Nach aktuellen Reformplänen könnte dies für kleine und mittlere Investitionen demnächst entfallen.Allen Öffnungstendenzen zum Trotz hat China zudem noch immer einen abgeschotteten Devisenmarkt. Kaufpreiszahlungen ins Ausland sowie Bankbürgschaften bedürfen der Genehmigung durch die State Administration of Foreign Exchange (Safe). Dadurch behält China Einfluss darauf, wo chinesische Devisen angelegt werden.Ähnlich der Kontrolle durch das Bundeswirtschaftsministerium nach dem Außenwirtschaftsgesetz kontrolliert auch das chinesische Handelsministerium (Mofcom) grenzüberschreitende Transaktionen im Hinblick auf Sicherheitsbedenken. Dies betrifft sowohl ausländische Investitionen in China als auch chinesische Investitionen im Ausland. Die Liste der “sensiblen Wirtschaftssektoren” ist in China deutlich länger als in anderen Ländern – beispielsweise zählt auch die Herstellung von Traktoren dazu.Ist ein Staatsunternehmen an der Transaktion als Käufer oder Zielunternehmen beteiligt, muss zudem die State-Owned Assets Supervisory and Administrative Commission (Sasac) eingeschaltet werden. Sie prüft, ob eine Investition lohnt und welches Staatsunternehmen zum Zug kommen soll. Beteiligen sich mehrere Staatsunternehmen an einem Bieterverfahren, liegt es damit nicht allein in der Hand des Verkäufers, wer den Zuschlag bekommt.Wird sich an diesen Genehmigungserfordernissen aufgrund der begrüßenswerten Ankündigungen der neuen chinesischen Staatsführung nun kurzfristig etwas ändern? Das erscheint zweifelhaft. Zwar ist es immerhin in den vergangenen 30 Jahren gelungen, die Zahl der Ministerien und obersten Kommissionen von 48 auf 25 zu reduzieren. Da aber üblicherweise wesentliche Umstrukturierungen der Regierungsbehörden erst nach der ersten Hälfte der zehnjährigen Amtszeit einer neuen Staatsführung angegangen werden, dürfte nach dieser Regel bei den Genehmigungserfordernissen vor 2018 nicht mit wesentlichen weiteren Deregulierungsschritten zu rechnen sein. Wichtige RücktrittsrechteDie Lehre aus alledem: Zwar mögen chinesische Investoren derzeit mit hohen Kaufpreisen besonders attraktive Bieter sein, zumal die Konkurrenz aus dem Westen nach wie vor nur schwer die nötigen Geldmittel bereitstellen kann. Die schnellste und reibungsloseste Transaktion können sie aufgrund der komplexen Genehmigungserfordernisse im Mutterland allerdings bis auf Weiteres nicht bieten. Auch wenn die Genehmigungen in der Regel erteilt werden, verzögern die entsprechenden Verfahren den Transaktionsprozess deutlich und bringen Unsicherheit mit sich. Zu einem möglichst frühen Zeitpunkt sollten die Transaktionsparteien daher Genehmigungserfordernisse eingehend prüfen, Kontakt zu den Behörden aufnehmen und die Dokumentation vorbereiten. In jedem Fall sollte sich der Verkäufer vertraglich absichern, insbesondere durch Rücktrittsrechte und Vertragsstrafen.—-*) Dr. Michael Krömker und Dr. René Grafunder sind Rechtsanwälte bei Linklaters in Düsseldorf.