Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Andreas Köster Böckenförde

Cash-Pool-System birgt neue Risiken für Private-Equity-Investoren

Liquidität der erworbenen Unternehmen zur Finanzierung des Kaufs genutzt

Cash-Pool-System birgt neue Risiken für Private-Equity-Investoren

– Herr Köster, Hauptziel eines Cash-Pool-Systems in einem Konzernverbund ist ein optimales Liquiditäts- und Zinsmanagement. Sie sagen, dass genau dieses System in eine Falle führen und insbesondere zu einer Gefahr für Private-Equity-Investoren werden kann. Warum?Das gesteigerte Risiko der Private-Equity-Gesellschaften geht auf das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 16. Januar dieses Jahres und auf ein Urteil aus dem Jahre 2003 zurück. Das neuerliche Urteil ist auf Cash-Pool-Systeme justiert. Damit stellt der BGH fest, dass es keine Sonderrechte für eine GmbH in einem solchen System gibt. Daraus wird man schließen, dass die Grundsätze der Kapitalerhaltung auch für Cash-Pool-Systeme maßgeblich sind. – Und das bedeutet? Dies bedeutet: Jede GmbH darf im Konzernverbund Schwester-GmbHs oder der Mutter-GmbH nur in dem Maße Darlehen gewähren, als sie über genügend freies Vermögen – etwa Rücklagen und Gewinnvorträge – verfügt. Andernfalls greift die GmbH widerrechtlich ihr Haftungskapital an. – Was ist neu an der Entscheidung des BGH?Spätestens seit der Entscheidung des BGH im Jahre 2003 gilt eine Darlehensgewährung einer Tochter-GmbH an ihre Mutter- oder Schwester-GmbH dann als Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften, wenn die Darlehensgewährung die frei verfügbaren Mittel übersteigt. In der juristischen Literatur ist bislang diskutiert worden, ob dies auch für Cash-Pool-Systeme gilt. Diese Frage hat der BGH nun, wenn auch in einer Randbemerkung, die für den entscheidenden Fall nicht erheblich war, bejaht. – Wo liegt die Gefahr für den Gesellschafter? Geht die GmbH, die das Darlehen im Rahmen des Cash-Pool-Systems gewährt hat, in die Insolvenz, ist der Gesellschafter verpflichtet, dieses Haftungskapital, das schnell in die Millionen gehen kann, noch einmal einzuzahlen. Außerdem haften die Geschäftsführer der GmbH persönlich. – Was bedeutet dies für Private-Equity-Investoren?Private-Equity-Gesellschaften sind Finanzinvestoren. Erfahrungsgemäß steuern diese die erworbenen Unternehmen oder Unternehmensgruppen durch Maßnahmen im Finanzbereich. Sie tendieren auch dazu, die Liquidität der erworbenen Unternehmen zur Finanzierung des Kaufs dieser Unternehmen zu nutzen. Hierzu sind Cash-Pool-Systeme ein probates Mittel. Diese Liquidität wird durch Cash-Pool-Systeme der Mutter-Gesellschaft verfügbar gemacht, die damit ihre eigene Fremdfinanzierung tilgt und damit die Zinskosten reduziert. – Sicherlich wird die Situation dann verschärft, wenn die Gesellschaften, die von Private-Equity-Investoren übernommen werden, bereits operativ schlecht dastehen?Richtig. Dies ist eine besonders kritische Situation. Nach einem Unternehmenserwerb ist oftmals die Private-Equity-Gesellschaft möglichst rasch bestrebt, die Finanzierungsseite dadurch zu sanieren, dass nicht operativ notwendiges Vermögen veräußert wird, z. B. Immobilien. Dies gilt insbesondere bei Unternehmen, die auf der Kippe stehen. Nehmen wir nun an, es ist alles verkauft, was der Tilgung dienlich ist. Die Gesellschaft hat reichlich Liquidität, die es nicht selbst benötigt. Eine Sanierung des operativen Bereiches geht nicht notwendig mit der finanziellen Sanierung einher. Durch die Verluste hat die Gesellschaft bilanziell keine oder geringe frei verfügbare Mittel. Damit besteht das Risiko, dass im Rahmen eines Cash-Pool-Systems auf das Haftkapital zugegriffen wird. – Und bei einer Insolvenz?Dann bestehen für Investoren, die strukturell solche oder ähnliche Geschäftsmodelle verfolgen, erhebliche Risiken. Plötzlich stellt der Private-Equity-Investor fest, dass er für ein insolventes Unternehmen die Haftungseinlage noch einmal aufbringen muss. Darüber hinaus kann auch der Geschäftsführer persönlich haften – eine Katastrophe für die Private-Equity-Gesellschaft und ein Desaster für ihre Reputation. – Wie können sich die Private- Equity-Gesellschaften vor diesem Desaster schützen?Der Investor muss sich ständig sehr genau anschauen, wie viel Geld im Cash-Pool verliehen ist. Die Forderungen der einzelnen Gesellschaften sollten ebenfalls täglich überwacht werden. Außerdem kann der Investor darauf achten, dass die Obergesellschaft des “Target” mit den Tochtergesellschaften, unter Umständen auch grenzüberschreitende, Beherrschungsverträge abgeschlossen hat. In Betracht zu ziehen sind auch sogenannte “notional” Cash-Pool-Systeme, bei denen die Liquidität nicht “physisch” umgebucht wird, sondern nur tageweise zur Berechnung der Zinskosten der Unternehmensgruppe miteinander verrechnet wird. Andreas Köster Böckenförde ist Rechtsanwalt, Steuerberater und Partner der Sozietät Jones Day in Frankfurt.Die Fragen stellte Walther Becker.